Straftaten erreichen neues Rekordhoch, lassen sich aber schwieriger zuordnen. Politisch motivierte Kriminalität schwer kategorisierbar.

Hamburg. Es scheint ein Paradoxon zu sein: Die politisch motivierte Kriminalität von links in Hamburg nimmt rapide zu. Brennende Autos, zwei Schanzenfeste, Angriff auf die Polizeiwache an der Lerchenstraße - bis einschließlich November zählte die Polizei in diesem Jahr 669 Taten. Im gesamten Jahr 2008 waren es 535 Delikte, also 134 weniger. Im Gegensatz dazu haben die Statistiker aber nur 13 Taten in den ersten elf Monaten dieses Jahres als linksextremistisch eingestuft. In den beiden Vorjahren waren es dagegen jeweils 92 und 98.

SPD-Innenexperte Andreas Dressel, auf dessen Senatsanfrage diese Zahlen beruhen, sagt: "Die Größenordnung ist nicht nachvollziehbar. Da liegt ein statistischer Widerspruch vor." Das Tatgeschehen würde die Diskrepanz nicht widerspiegeln. Die Zahlen müssten plausibel gemacht werden. Er werde deshalb eine weitere Anfrage stellen. "Schließlich stützt sich ja die Extremismus-Bekämpfung auf dieses Zahlenwerk."

Auch Heino Vahldieck, Leiter des Hamburger Verfassungsschutzes, zeigte sich auf NDR 90,3 verwundert über die geringe Zahl der linksextremistischen Taten. Schließlich wisse das Landesamt von mindestens 20 Brandanschlägen auf Autos in diesem Jahr.

Die Crux beim Erfassen dieser Straftaten ist eine bundeseinheitliche Definition. So taucht politisch motivierte Kriminalität, egal ob von links, rechts oder ausländische, nur dann in der Statistik als extremistisch auf, wenn sie sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung richtet. So wird etwa ein Flaschenwurf oder ein angezündetes Auto bei den Schanzenkrawallen als politische Straftat von links gewertet. Extremistisch ist sie dagegen noch nicht automatisch. Sie würde es erst dann sein, wenn der Täter in einem Bekennerschreiben oder gar in der Vernehmung nach einer etwaigen Festnahme aussagen würde, dass sich die Tat etwa gegen das politische System gerichtet habe.

"Wir nehmen jede Tat sehr ernst. Dass die Zahl der linksextremistischen Taten in diesem Jahr bislang so niedrig ist, heißt aber nicht, dass wir etwas verharmlosen", sagt Thomas Butter, Sprecher der Innenbehörde. Keine der politisch motivierten Straftaten würde "unter den Tisch fallen". Ob und wie weit bei den politisch motivierten Straftaten Delikte als "extremistisch" eingestuft werden, hänge von der Tatsache ab, ob sie durch Beweise oder Indizien so zugeordnet werden könnten. Den Hauptgrund dafür, dass gerade in den Jahren 2007 und 2008 vergleichsweise viele linksextremistische Delikte gezählt wurden, liegt laut Polizeisprecher Ralf Meyer an den Besonderheiten dieser Jahre. "Es fanden der G8-Gipfel, das ASEM-Treffen und das Klimacamp statt." Anschläge auf Häuser von Behördenvertretern oder Fahrzeuge von Rüstungsmanagern hingen mit diesen Ereignissen zusammen. "Zudem gab es eine Reihe von Bekennerbriefen", sagt Meyer. "Die hat es dieses Jahr in diesem Umfang nicht gegeben." Eine klare Zuordnung laut Definition habe man deshalb nicht machen können. Dennoch rechne die Polizei damit, dass nach Abschluss der Ermittlungen die Zahl der extremistischen Taten noch steigen werde.