Bienen lieben unsere bunten Parks und Gärten, weil es dort viel länger blüht als in den ländlichen Monokulturen. Findige Imker stellen deshalb ihre Bienenstöcke auch Mietshäusern in Ottensen oder der Laeiszhalle aufs Dach.

Auf dem Dach des Park Hyatt ist es heiß. Michael Bauer hat Schutzkleidung und Holzkisten für die Honigwaben über die senkrechte Feuerleiter heraufgeschleppt und durch die Dachluke gewuchtet. Kein leichter Zugang. Aber dafür teilt er hier oben mit seinen vier Bienenvölkern einen atemberaubenden Blick auf die Elbphilharmonie, die Katharinenkirche, zur Alster; auf roten Backstein und die grüne Patina von Kupferdächern – und auf viele geteerte Dachflächen. Finden Bienen in der City überhaupt Futter?

„Ja, sie finden genug“, sagt der Imker, „die Alsterparks und Planten un Blomen sind ja keine zwei Kilometer entfernt.“ Die kleinen Sammlerinnen suchen sich Pollen und Nektar in einem Radius von einem bis zu fünf Kilometern, sogar rund um den Hauptbahnhof finden sie Freiflächen mit wilden Brombeeren und Distelblüten. Vor allem aber Linden und Robinien, Hamburg ist eine Lindenstadt. Was Autobesitzer ärgert, ist für Bienen ein klebriges Geschenk: Eine große, blühende Linde kann ein ganzes Volk ernähren. Auch Robinienblüten sind ergiebig, daraus entsteht der bekannte Akazienhonig.

Deshalb hat Bauer die Hälfte seiner rund 80 Bienenvölker mittlerweile in der City verteilt. Sie stehen auch auf dem Jungen Hotel an der Kurt-Schumacher-Allee, dem East in St. Pauli, dem Renaissance und dem Radisson blu in Rathausnähe, auf dem Vorbau des Mövenpick-Hotels am Schanzenpark, dem Sofitel am Alten Wall, auf dem Süllberg und sogar beim VLET in der Speicherstadt.

An den Einfluglöchern herrscht reger Verkehr. Die Türsteherinnen – sogenannte Wächterbienen – passen auf, dass sich keine hungrigen Wespen in den Stock schummeln. Jedes Bienenhaus hat zwei Stockwerke: Im Erdgeschoss über der Einflugöffnung befindet sich der Brutbereich mit den Brutwaben, darüber das Obergeschoss mit elf Rähmchen für die Honigwaben. Die nimmt Bauer nun nacheinander heraus.

Bei der Honigernte trägt er eine dicke Imkerjacke und Handschuhe. Auf jeder Wabenplatte sitzen noch Hunderte Bienen, die er mit einer weichen Bürste vorsichtig herunterwischt. Die einzelnen sechseckigen Honigwaben, kleine Wunder an Gleichmäßigkeit, sind mit cremefarbenen Wachsdeckeln verschlossen. Prüfend hält Bauer sie gegen das Licht: Die meisten leuchten goldgelb. Nur zwei sind rötlich-braun. Mit dem Finger tippen wir ein bisschen von dem dunklen Honig ab – er schmeckt nach Brombeeren.

Die Waben stellt Bauer schnell in eine der Transportkisten. Mit seinem Smoker, in dem Holzstreu glimmt, pustet er nur dann ein bisschen Rauch in den Stock, wenn er in einen Brutraum hineinguckt. Der Honig dagegen soll keinen Rauchgeschmack annehmen. Warum setzen Imker Rauch ein? „Weil die Bienen dann glauben, es gäbe einen Waldbrand“, sagt Bauer. „Sie bereiten sich reflexartig auf die Flucht vor, indem sie ihre Bäuche mit Honig füllen. Das lenkt sie ab, ein gefüllter Magen macht sie langsamer. Sie stechen nicht mehr so schnell.“

Um uns herum summt es, vor dem hellen Himmel sind die Bienen dunkle Pünktchen zwischen Entlüftungsschächten, Solarmodulen und Kabelführungen. Ein uraltes Nutztier in einem postmodernen Ambiente.

Michael Bauer war Grafiker, vor vier Jahren sattelte er um. Seine „Altländer Honig-Manufaktur“ liegt in Jork im Alten Land. Dort beginnt jede Saison für seine Bienen im April mit der Obstblüte. Im Mai fährt er einen Teil seiner Völker auf dem Anhänger nach Fehmarn, wo sie einen Monat lang die Rapsblüten bestäuben; andere ziehen schon nach Hamburg um, wegen der Kastanienblüte.

Die Stadt lockt. Denn auf dem Land finden die Bienen im Juni nach dem Raps kein vielfältiges Blütenangebot mehr. „Es gibt bei uns zu viele Monokulturen, darunter leiden alle Insekten“, sagt Jan Loppenthien vom Imkerverband Hamburg. „Das Nahrungsangebot ist in der Stadt viel größer. Hier finden Bienen, Hummeln und andere Insekten ein kunterbuntes Durcheinander in Kleingärten, Parks und auf Friedhöfen.“ Kein Wunder, dass Bienenstöcke mittlerweile sogar auf der Laeiszhalle stehen, auf Mietshäusern in Ottensen oder auf dem RathausForum in Harburg.

Auch Judith Heimann imkert in der Stadt. Im ersten Stock von Tim Mälzers Bullerei an der Lagerstraße müssen wir durch ein kleines Fenster aufs Dach der Schanzenhöfe klettern. Hier stehen drei Bienenkisten – geradeaus der Fernsehturm, links die S-Bahn und der Schanzenpark. Die studierte Landwirtin hat zahlreiche Imkerkurse besucht. „Aber noch wichtiger war, dass mich eine erfahrene Imkerin an die Hand genommen hat und mir Dinge beibrachte, die in keinem Lehrbuch stehen“, sagt Judith Heimann. Sie hat eine Geschäftsidee aus New York übernommen: Restaurants, private Gartenbesitzer oder Golfclubs können sie und ihre Bienen mieten. Sie stellt die Bienenstöcke, kümmert sich um die Pflege, schleudert mit ihren Kunden den Honig. Die können ihn dann mit eigenem Label verkaufen.

An diesem Morgen hat Judith Heimann in der Küche der Bullerei ihre Honigschleuder aufgestellt, einen schlanken Stahlzylinder mit Zapfhahn. Jeweils vier Waben passen in die Zentrifuge, die dann den Honig herausschleudert. Unten fließt er aus dem Hahn in einen großen Eimer. Und dann beginnt das Rühren, täglich mindestens fünf Minuten lang über mehrere Wochen: „Dadurch beginnt eine gleichmäßige Kristallisation, der Honig bleibt cremig“, sagt Judith Heimann. Sie ist zufrieden. 80 Kilo Honig haben ihre drei Völker auf dem Dach in diesem Sommer produziert. Um zu erfahren, welche Blüten die Bienen in der Stadt finden, lässt Heimann von ihrem Honig Pollenanalysen machen (siehe Kasten rechts). Die charakteristischen Pollenformen sind unter dem Mikroskop deutlich zu unterscheiden. Wenn mehr als 50 Prozent aus einer bestimmten „Trachtenquelle“ (Pflanzenart) stammen, darf man den Begriff Sortenhonig verwenden – etwa Linden-, Akazien- oder Heidehonig.

Günter Gerings Beute, wie ein Kasten mit einem Bienenvolk heißt, wurde Anfang August auf den alten Kran der Kampnagelfabrik gehievt. Um seine Bienen zu besuchen, muss er jetzt mit seinem Imker-Equipment übers Dach und dann den Kransteg entlanggehen. In etwa sieben Meter Höhe ist das ein idealer Standort, findet Gering: Die Bienen sind vor Zugriffen geschützt, direkt nebenan stehen Ahornbäume, Kastanien, Weiden und Robinien, am Osterbekkanal gibt es Grünflächen, Hinterhofgärten und genug Wasser.

Gering ist Ingenieur bei Airbus, seine Frau Ines ist Schuldnerberaterin. Unter die Imker gingen sie im Frühjahr 2010, als sie nach einem Imkerkursus die ersten Bienenvölker in ihren Kleingarten in Ammersbek holten. Auf Kampnagel sollen ihre Bienen jetzt ihr Winterfutter eintragen, bevor sie sich im nächsten Frühjahr zu einem erfolgreichen Wirtschaftsvolk entwickeln.

Der Anstoß kam von der Initiative „Hamburg summt“, die sich dafür einsetzt, dass Bienen in Hamburg und anderen Großstädten vielfältige Lebensräume finden. Sie will Gärtner, Unternehmen und Kulturbetriebe, Behörden, Kirchen und Politik für das Thema gewinnen, damit Bienen die richtige Wertschätzung bekommen.

Dabei setzt die Initiative auch auf junge Imker wie die Gerings, die sich für Stadtökologie engagieren. Je länger er sich mit Bienen beschäftige, desto faszinierter sei er, sagt Günter Gering. In der Stille seines Kleingartens hat er zum Beispiel schon das berühmte „Tuten und Quaken“ gehört, das die jungen Königinnen veranstalten. Wenn die Alt-Königin im Frühjahr in Schwarm-Stimmung gerät und mit einem Teil des Volks den Stock verlässt, meldet sich die erste schlupfbereite Neu-Königin aus ihrer Wabenzelle heraus mit einem dumpfen U-u-u-u – sie vergewissert sich, dass die Regentin weg ist. Nach dem Schlüpfen wird ihr Quaken zu einem helleren, schnelleren Tuten. Darauf antworten weitere Königinnen-Anwärterinnen aus ihren Zellen mit Quaken. Das ist allerdings ihr Verhängnis, denn nun findet und tötet die neue Monarchin sie – es kann immer nur eine geben.

Wie jeder Imker ist auch Gering schon gestochen worden. „Etwa 40-mal. Das tut böse weh, und zuerst blieben die Schwellungen fast eine Woche lang. Ab dem 11. Stich merkte ich, dass der Körper das Gift immer schneller abbaut. Man muss aufs Wetter achten: Wenn es schwül-gewittrig ist, sind die Bienen aufgeregt und stechfreudiger. Was Bienen auch nicht mögen, sind Rasenmähen, Rasierwasser und Haarspray.“

Die Imkerszene hat sich so grundlegend gewandelt wie die Landwirtschaft. Im Februar 1906 gründeten 48 Hamburger Imker den „Bienenzucht-Verein für Hamburg und Umgebung“. 1929 hatte er schon 198 Mitglieder, 1950 sogar 1236. Noch bis in die 1970er-Jahre mieteten sich örtliche Gruppen in jedem Mai einen Lkw und „wanderten“ mit mehr als hundert Völkern zur Rapsblüte an die Ostsee. Danach ging die Mitgliederzahl über Jahre stetig zurück. Erst seit Kurzem gibt es wieder Zulauf: „Wir haben zurzeit etwa 550 aktive Mitglieder in zehn Vereinen“, sagt Sprecher Jan Loppenthien.

Aber die gewerblichen Imker klagen immer noch über Nachwuchsmangel. „Die Lebensmittel sind so billig geworden, dass man über den Honigverkauf die Sachkosten abdecken kann, aber kaum den Stundenlohn“, sagt der Imker Michael Bauer. Wer heute in die Hamburger Vereine strömt, das sind vor allem Hobby- und Teilzeit-Imker.

Susanne Kleinmann könnte sich freuen: Ihre Einführungskurse sind ausgebucht. Aber die erfahrene Imkerin sieht die Entwicklung mit gemischten Gefühlen: „Imkern ist ein Hobby für Betuchte geworden, alle wollen Stadtökologie, jeder will seine eigenen Bienen. Aber Imkern lernt man nicht aus dem Internet oder durch YouTube-Filmchen. Man übernimmt große Verantwortung. Denn es geht ja um die Bestäubungsleistung. Die Bienen müssen da sein, wo die Kulturpflanzen sind. Aber was kommt auf dem Land nach dem Raps? Nichts. Wir müssen dringend unsere Agrarwirtschaft ändern. Ob auch in der Stadt viele Bienen sind, ist wirtschaftlich weniger wichtig.“

Kleinmanns Sorge ist berechtigt. Seit biblischen Zeiten gehören Bienen neben Rindern und Schweinen zu den wichtigsten Nutztieren. Biblische Autoren nannten die Biene „ein kleines Vögelein, und gibt doch allerbeste Frucht“. Honig- und Wildbienen bestäuben 80 Prozent aller Blüten. Nach Angaben der EU-Kommission haben sie an Europas landwirtschaftlicher Leistung einen Anteil von ca. 22 Milliarden Euro pro Jahr. Auch Hummeln und andere Insekten sind eminent wichtig. Ohne ihre Bestäubung wäre nicht nur die Obsternte im Alten Land, sondern unsere gesamte Nahrungsgrundlage bedroht. Umso besorgniserregender ist, dass nicht nur die Zahl der Imker sinkt, sondern auch die der Bienenbestände und -arten. 1991 gab es in Deutschland noch rund 1,2 Millionen Bienenvölker, heute sind es kaum 700.000.

Und nicht nur in Deutschland ist es zu einem Massensterben von Bienen gekommen. Auch Frankreich, Italien, Spanien, Österreich, Polen, England, Slowenien, Griechenland, Belgien, Kanada, die USA und Brasilien waren in den vergangenen 13 Jahren mit diesem Problem konfrontiert. Ein Grund ist der Einsatz von Pestiziden, vor allem solchen aus der chemischen Gruppe der Neonicotinoide. Sie wirken nicht nur akut bienentoxisch, sondern machen Bienen und andere Insekten orientierungslos, sodass sie ihren Stock nicht mehr finden. Kürzlich hatte der jahrelange Einsatz von Imkern und Umweltschutzverbänden einen vorläufigen Erfolg: Die Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten stimmte einem Verbot von drei Neonicotinoiden zu. Nur: Es wird erst 2014 greifen und ist auf zwei Jahre befristet.

Zu schaffen machen den Imkern auch die riesigen Mais-Monokulturen und das Problem Gentech-Mais. Der sogenannte Bt-Mais MON 810 etwa produziert sein eigenes Insektizid, das mit Krankheitserregern in Bestäuber-Insekten reagieren kann. Frankreich und Deutschland haben den Anbau 2008 verboten. Inzwischen wackeln die Verbote: Eine Studie des Thünen-Instituts für Biodiversität, eines Braunschweiger Bundesinstituts, hat „keinen direkten toxischen Effekt auf Honigbienen“ festgestellt. Aber Honig, der Pollen von Bt-Mais enthält, darf erst nach einem Zulassungsverfahren als Lebensmittel verkauft werden. So weit wollen es weder Imker noch Verbraucher kommen lassen – die Reinheit des Honigs ist so wichtig wie die Reinheit des Biers.

In Hamburg gibt es zum Glück weder einen flächendeckenden Pestizid-Einsatz noch Gentech-Mais, das sind zwei dicke Pluspunkte. Was wir im Moment erleben, ist also eine Art Landflucht der Bienen. Die Städte bieten ihnen einen Ausweichraum, weil das Landleben gefährlich geworden ist. Damit ist das Problem aber nicht gelöst. Ob Bienen in Kontakt mit gespritzten Flächen oder anderen kontaminierten Insekten kommen, kann schließlich niemand kontrollieren. Vereine wie Mellifera, das Netzwerk „Blühende Landschaften“ oder „Hamburg summt“ wollen deshalb ein Umsteuern erreichen: Sie machen nicht nur Stadtmenschen die Bedeutung der Bienen bewusster, sie wollen auch Landwirte von einem bienenfreundlicheren Wirtschaften überzeugen. Die könnten auf Pestizide verzichten, bienenfreundliche Pflanzen aussäen oder Blühstreifen an den Ackerrändern belassen. Es ist ja merkwürdig, dass man die frühere Zonengrenze zur DDR heute noch daran erkennen kann, dass im Osten plötzlich Mohn und Kornblumen blühen und im Westen nicht. Auf güllegetränkten Böden gedeihen keine Wiesenblumen – und deshalb fehlen auch die Bienen.

„Eigentlich brauchen Honigbienen ein möglichst lückenloses Trachtfließband vom Frühjahr bis in den Spätsommer, also einen Blütenteppich, der ihnen genug Pollen und Nektar liefert“, sagt Erhard Maria Klein. „Sonst legt die Königin immer weniger Eier, und die Bienen beginnen, von ihren Vorräten zu zehren.“ In seinem Kleingarten an der Leunastraße in Bahrenfeld leben fünf Völker in Bienenkisten, die Klein selbst mitentwickelt hat: Sie sind flacher als die mehrstöckigen Bauten und auch rückenfreundlicher für den Imker, weil man sie kippen kann. Vorsichtig pustet Klein etwas Rauch in einen Stock und nimmt die Vorderwand heraus. Friedlich sitzen Tausende Bienen auf ihren cappuccinobraunen Brutwaben.

Ringsum blühen Stockrosen und Lavendel. „Wie eine Biene den Nektar einer Blume aufnimmt, ohne Farbe und Duft zu stören, und dann weiterfliegt, so gehen Weise durch die Welt“, sagt Buddha in seiner Weisheitslehre Dhammapada, die quasi auch schon ein Plädoyer für den „natürlichen Weg“ war. Hauptberuflich ist Klein in der IT-Branche tätig: Er hat eine Internetagentur. Das Imkern lernte er bei Kursen des Freilichtmuseums Kiekeberg.

„Ich habe immer überlegt, wie man es einfacher machen kann. Das Projekt Bienenkiste richtet sich an Leute, die nicht gewerblich, sondern extensiv und möglichst eingriffsarm imkern wollen, was natürlich nicht heißt, dass die Bienen unbetreut bleiben“, sagt Klein bei einer Apfelschorle auf seiner Laubenveranda, über der Muskatweintrauben ranken. Eine Bienenkiste inklusive Zubehör kostet 245,50 Euro und wird in einer Behindertenwerkstatt hergestellt. „Bei der Konstruktion haben wir uns am natürlichen Verhalten der Bienen orientiert. Normalerweise bauen sie ihre Waben in Baumhöhlen. Wir geben ihnen keine Rahmen vor, sondern nur einen Anfangsstreifen, an dem sie die Waben einfach weiterbauen. Der Honigraum ist kleiner als in einem herkömmlichen Stock.“

Die Population in der Kiste folgt dem natürlichen Rhythmus: Die größte Ausdehnung hat der Brutbereich zur Sommersonnenwende, wenn das Futterangebot am größten ist. Danach geht die Zahl der rund 40.000 bis 60.000 Bienen im Volk zurück: Die Königin legt weniger Eier, sodass mehr Bienen sterben als schlüpfen. In den Winter geht sie nur mit einer Stammmannschaft von etwa 10.000 Individuen.

Wobei es eher Stammfrauschaft heißen müsste. Denn vor der Winterruhe werden im August die Männchen rausgeschmissen – die Drohnen. Gerade schleppt eine kleine Arbeitsbiene einen fast doppelt so großen Drohn aus dem Einflugloch und schubst ihn hinaus. Er hat Glück, dass sie ihn nicht totgestochen hat. Der Drohn fliegt benommen weg, er wird irgendwo in der Kleingartenkolonie sterben. Erst im Frühjahr, wenn die Königin wieder mehr Eier legt, werden neue Drohnen schlüpfen.

Wenn Klein seinen Honig erntet, schleudert er die Waben nicht, sondern sie werden zu einer Wachs-Honig-Masse zerhackt, die dann in einem Eimer ruht. Das Wachs sinkt auf den Boden, der Honig sammelt sich oben. Stolz stellt Klein den Eimer auf den Verandatisch. „Beim Honig ist es wie beim Wein“, sagt er, „jeder Jahrgang schmeckt anders. Dieser Ganzjahreshonig hier hat mehr Nuancen als ein Sortenhonig.“

Auch Rolf Müller hat schon Honig geerntet. Seine Bienenstöcke stehen auf den Höfen der Grundschule Thadenstraße und der Louise-Schröder-Schule in Altona. Der ehemalige Mathe- und Physiklehrer kannte das Imkern schon aus seiner Jugendzeit in der Eifel. Nach der Pensionierung hat er wieder angefangen. Aus einem Fenster der Louise-Schröder-Schule dringt Geigenspiel, wir stehen am Zaun zur Thedestraße. Emsig umsummen Bienen hier einen normal großen und einen kleinen Bienenstock, vor den Müller eine Glasplatte geschraubt hat. So können die Kinder im Biologieunterricht Bienen an den Waben beobachten, ohne sie zu stören. Gerade führt eine Sammlerin einen Schwänzeltanz auf, mit dem sie den anderen die Lage einer guten Futterquelle mitteilt. Demnächst wird Müller mit einer Schulklasse den Honig in einer handbetriebenen Schleuder von den Waben trennen. Die Schüler dürfen ihn dann probieren.

Eine Anwohnerin mit ihrer Tochter bleibt am Zaun stehen. „Na, was machen die Bienen?“, fragt sie. So ist das hier immer, sagt Müller. „Die Leute mögen Bienen und interessieren sich dafür.“ Die Bienen sind quasi die geflügelte Schaltstelle zwischen Nahrungs- und Ökosystem. Wer Bienen versteht, versteht etwas genauer, wie empfindlich unsere Welt ist.