Altbau oder Designerhaus? Wo Fuchs und Hase sich Gute Nacht sagen, oder dort, wo die Stadt niemals schläft? Schön Wohnen ist Ansichtssache.

Es war im Jahre 1927, als der deutsche Philosoph Martin Heidegger sein erstes großes Hauptwerk "Sein und Zeit" vorlegte. Darin findet sich folgender Satz: "Die Art wie du bist und ich bin, die Weise nach der wir Menschen auf der Erde sind, ist das Bauen, das Wohnen ..." Für Heidegger ist Wohnen also keine Handlung, sondern ein fundamentaler Zustand des Seins, einschließlich unserer Vergangenheit und Zukunft.

Einen zweiten, sicherlich nicht uninteressanten Aspekt zur heutigen Bedeutung des Wohnens finden wir bereits gut 1700 Jahre früher in der gotischen Sprache: Wenn einer dieser Germanen nach irgendeinem Römergemetzel am nächtlichen Lagerfeuer das Wort "wunian" in den Mund nahm (aus dem sich das deutsche Wort "wohnen" ableitet), meinte er damit, dass "er etwas zum Frieden gebracht habe, was so bleiben solle."

Die schlauen Werbetexter des schwedischen Einrichtungshauses Ikea formulierten dann, wiederum viel später, aus all diesen Erkenntnissen den provokanten Slogan "Wohnst du noch oder lebst du schon?".

Leider ist es unmöglich, diese Frage allgemeingültig zu beantworten. Weil die Vorstellungen vom Wohnen (und Leben) so individuell sind wie wir Menschen selbst. Hinzu kommt, dass wir unsere Ansprüche und Bedürfnisse im Laufe unseres Lebens stetig verändern. So ist mit jedem Bauvorhaben oder mit jedem Umzug gleichzeitig eine Weiterentwicklung verbunden, in positiver wie häufig auch in negativer Hinsicht. Wir wohnen schließlich immer irgendwo, und es ist niemand anderer dafür verantwortlich, wie wir das tun, denn wir selbst haben die Entscheidungsgewalt über Leben. Das betrifft beileibe nicht nur die Inneneinrichtung oder die Größe der jeweiligen Behausung, sondern zunächst und vor allem erst einmal den Standort. Auf Hamburg reduziert also den Stadtteil, das Quartier, die Straße: Lohbrügge oder Lemsahl? Osdorfer Born oder HafenCity? Leinpfad oder Steilshooper Straße?

Auch die besonders schöne und bevorzugte Wohnstraße gefällt zwangsläufig nicht jedem. Diejenigen, die voller Überzeugung in einem der quirligen Quartiere wohnen, wo die vielleicht multikulturell angehauchte Nacht stets zum Tage wird, würden die hochherrschaftliche Villa an der von alten Linden gesäumten Allee mit unverbaubarem Blick hinaus in die Natur vermutlich nicht mal geschenkt nehmen. Selbst dann nicht, wenn sie ganz genau wüssten, dass der eine oder andere die Nase ob der Adresse rümpfen würde. Oder wegen des schmuddeligen Zustands der Behausung. Wegen des Drecks vorm Haus, der abgeblätterten Farbe im Hausflur. Denn was nützt die Jugendstilvilla mit zehn Zimmern auf einem parkähnlichen Grundstück, wenn der nächste Zigarettenautomat, die nächste Bar, der nächste Musikklub oder der nächste Multimarkt kilometerweit entfernt sind? Wenn die Fahrt zur Arbeit wegen der Staus schon mal eineinhalb Stunden dauern kann. Und erst die hohen Heizkosten für so einen alten Kasten! Umgekehrt dürfte die entscheidende Frage lauten: "Und was, bitte schön, ist mit der Ruhe?"

Damit sind wir mittendrin in der Endlosdiskussion um die Prioritäten, die beim Wohnen jeder für sich selber setzen muss. Was wiederum die wunderbare Vielfalt des Wohnens und Lebens hervorbringt sowie natürlich auch jede Menge Gesprächsstoff über unsere individuellen Lebens-Räume, allesamt Spiegel unserer Seelen.