Behörde hat Jugendämter untersucht und stellt gravierende Mängel fest. Fehler, die im Fall Chantal gemacht wurden, seien kein Einzelfall.

Hamburg. Im Fall der elf Jahre alten Chantal , die im Januar in ihrer Pflegefamilie an einer Methadonvergiftung gestorben war, werden dem Jugendamt des Bezirks Mitte diverse Fehler vorgehalten. Das ging - wie berichtet - aus einem Bericht der Innenrevision der für die Bezirke zuständigen Finanzbehörde hervor. Wie jetzt im eigens gegründeten "Sonderausschuss Chantal" der Bürgerschaft bekannt wurde, gibt es mittlerweile einen zweiten Bericht. Und demnach ist die Situation in vielen anderen Jugendämtern nicht besser.

+++ Prüfer legen Protokoll des Versagens im Fall Chantal vor +++

+++ Nach Fall Chantal: Empörung über Scheele-Pläne +++

+++ Fall Chantal: Schwere Vorwürfe gegen das Jugendamt +++

Nach Auskunft von Christiane Blömeke, Familienexpertin der GAL-Fraktion, ist die Mängelliste lang:

- Die Wirksamkeit von Familienhilfen werde kaum überprüft

- Hausbesuche hätten in elf von 20 durchleuchteten Fällen nicht stattgefunden

- die sogenannten Hilfeplangespräche seien nur lückenhaft dokumentiert

- Stichprobenkontrollen der Aktenführung durch Vorgesetzte habe es nur in drei von 50 Fällen gegeben

- trotz erkannter Mängeln seien keine Folgemaßnahmen ergriffen worden

- es habe "generell weitergehende Mängel in der Wahrnehmung der Fach- und Dienstaufsicht" gegeben

- in der Kooperation mit freien Trägern bei der Pflegschaft von Kindern soll es Lücken geben

- in sieben von 20 Fällen gab es große Lücken bei der Fallzuständigkeit, die sich bis zu 20 Monate hinstreckten.

Die Innenrevision hatte insgesamt 50 Akten der Bezirksämter unter die Lupe genommen und anhand von 20 Akten die Fallbearbeitung in den Jugendämtern überprüft. Aus Sicht von Christiane Blömeke wird deutlich, dass die Fehler, die im Fall Chantal im Jugendamt Mitte gemacht wurden, kein Einzelfall waren, sondern ein strukturelles Problem offenbaren. "Immer noch sind wir erschüttert über die Fehlerketten und Fehleinschätzungen, die im Fall Chantal gemacht wurden", so die GAL-Abgeordnete. "Doch der vorgelegte Folgebericht erschüttert ebenfalls, denn es wird deutlich, dass der Kinderschutz in Hamburg an einem seidenen Faden hängt und das Jugendamt seine Wächterfunktion nicht ausreichend wahrnimmt." Wichtig sei zu erfahren, warum das Regelwerk nicht eingehalten werde. Blömeke: "Überlastung, hoher Krankenstand und starke Fluktuation bei den Mitarbeitern sind da sicherlich wesentliche Faktoren, die es zu beseitigen gilt."

Auch eine Studie der Universität Koblenz im Auftrag der Sozialbehörde und der Bezirke war zu dem Ergebnis gekommen, dass ein weiterer Fall Chantal jederzeit möglich ist.