Abendblatt-Redakteur Peter Ulrich Meyer über die letzte Woche in Hamburgs Landespolitik und die Unterbringung von Ex-Sicherungsverwahrten.

Hamburg. "Helm auf, festziehen und rein!" Innensenator Michael Neumann (SPD) mag sein Einsatz in der Helmut-Schmidt-Universität am Dienstagabend an seine Zeit als Berufssoldat erinnert haben. Doch zusammen mit seinen Senatskollegen Detlef Scheele (Soziales) und Jana Schiedek (Justiz, beide SPD) war er nicht gekommen, um zu besiegen, sondern zu überzeugen.

Mehr als 300 empörte Bürger protestierten lautstark gegen die geplante Unterbringung von zwei ehemaligen Sicherungsverwahrten in einem Haus auf dem Gelände des Alten- und Pflegeheims Holstenhof in Jenfeld. Von Überzeugtsein konnte im Nachhinein keine Rede sein: Es ging bisweilen tumulthaft zu. Die Bürger zeigten weder Einsicht noch Bereitschaft, die Senatspläne zu akzeptieren. Die Lage wird dadurch erschwert, dass die beiden Schwerverbrecher Hans-Peter W. und Karsten D., die in Jenfeld untergebracht werden sollen, zur Verblüffung der Landesregierung erklärten, gar nicht dorthin zu wollen. Da sie, rechtlich gesehen, freie Männer sind, kann niemand sie zwingen.

Eine Woche, nachdem der Senat Ort und Konzept zur Unterbringung der ehemaligen Sicherungsverwahrten vorgestellt hat, fällt die Zwischenbilanz desaströs aus. Es ist sehr ungewiss, ob das Haus in Jenfeld für diesen Zweck jemals genutzt wird. Dabei war alles minutiös über Monate geplant. Auch Hans-Peter W. und Karsten D. waren in das Konzept eingeweiht. Weil niemand die ehemaligen Sicherungsverwahrten in seiner Nachbarschaft haben möchte, hatte sich der Senat für eine Offensivstrategie entschieden. "Das Öffentlichkeitsmanagement erfolgt so transparent und so prominent wie möglich", heißt es in dem elfseitigen Konzeptpapier der drei Behörden. Die Linie folgte den Empfehlungen einer Berliner Kommunikationsagentur, die der Senat, ungewöhnlich genug, hinzugezogen hatte. Die PR-Experten hatten zu dem dreifachen Senatoren-Auftritt geraten.

Wie geht es weiter? Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) gibt im Abendblatt-Interview die Losung Kurshalten aus. Ein weiteres Angebot an die beiden Ex-Häftlinge werde es nicht geben. Das geschieht auch in dem Bewusstsein, dass vermutlich an jedem anderen Standort innerhalb des dicht besiedelten Stadtgebiets mit Protest zu rechnen ist. Fast verzweifelt sind daher die Bemühungen, Hans-Peter W. und Karsten D. doch noch umzustimmen.

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Eine zentrale Rolle kommt dabei Justizstaatsrat Ralf Kleindiek zu, der vor unorthodoxen Schritten nicht zurückschreckt. Um W. umzustimmen, traf sich Kleindiek mit ihm am Dienstag in einem Steakhaus am Gänsemarkt. Mit dabei war auch Anke Pörksen, die Bundesvorsitzende der SPD-Juristen. Pörksen kennt W. aus ihrer Zeit als ehrenamtliche Helferin im Strafvollzug vor 20 Jahren. W. saß damals in Freiburg ein, wo Pörksen studierte. Nach dem Gespräch im Steakhaus war W. immerhin bereit, sich die Sache noch einmal zu überlegen.

Kleindiek hat sich schon vor Wochen mit den beiden ehemaligen Sicherungsverwahrten getroffen, um sich ein persönliches Bild zu machen. Dieser eher unübliche direkte Kontakt ist typisch für die Gemengelage in diesem Fall: Die meisten der zentralen Akteure kennen sich sehr gut. Rechtsanwalt Ernst Medecke, der W. und D. vertritt, ist für die GAL Mitglied der Justizdeputation und sitzt seit vielen Jahren im Richterwahlausschuss. Medecke ist gut bekannt mit Justizsenatorin Schiedek und Anke Pörksen - Juristen alle drei. Man schickt sich schon mal eine SMS zur schnellen Nachrichtenübermittlung. Der Anwalt ist auch in der Justizbehörde bestens vernetzt.

Medecke hält den Standort Jenfeld für "verbrannt". Es sei ein Fehler gewesen, W. und D. nicht stärker in die Planung einzubeziehen. Außerdem sei es falsch, ein Domizil nur für ein Jahr anzubieten, wie es der Senat gemacht hat. W., der derzeit in einer Eilbeker Einrichtung untergebracht ist, muss dort im März ausziehen. D. "wohnt" in der Sozialtherapeutischen Anstalt Bergedorf. "Er will dort bleiben", sagt Medecke. Möglicherweise schreckt den Mann auch, dass der Senat in seinem Konzeptpapier auf regelmäßige Arbeit Wert legt. "Der Arbeitseinsatz erfolgt im offenen Vollzug der Justizvollzugsanstalt Glasmoor", heißt es dort.

"Wir haben die Hoffnung, dass es sich beide noch anders überlegen", sagt Staatsrat Kleindiek. Die Bürgersprechstunde in der Bezirksversammlung Wandsbek am Donnerstagabend sei nach den Turbulenzen am Dienstag schon überwiegend sachlich verlaufen. Bis auf die CDU, so Kleindiek, stünden alle Fraktionen dem Jenfeld-Plan positiv gegenüber. Kleindiek will weiter informieren und überzeugen.

Trotzdem: Eine dauerhafte Unterbringung von ehemaligen Sicherungsverwahrten, deren Zahl sich noch erhöhen wird, ist in Hamburg kaum möglich. Der Senat setzt deswegen langfristig auf eine Kooperation der norddeutschen Länder. Das Problem: In diesem Jahr verhinderten die Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern eine Einigung, im nächsten Jahr wählt Schleswig-Holstein. "Hamburg hat in Fuhlsbüttel ein gutes Angebot für noch inhaftierte Sicherungsverwahrte", sagt ein Rathaus-Insider. Die Unterbringung von Entlassenen wie W. und D. sei dagegen "innerhalb des großstädtischen Kontextes sehr problematisch". Mit anderen Worten: Hamburg setzt auf ein Angebot aus Kiel oder Schwerin.