Flugblätter mit “Tipps für den gepflegten Krawall“ kursieren. Polizei bereitet sich auf Randale-Wochenende vor. Nachts brennen wieder Autos.

Hamburg. Das Schanzenfest wirft seine Schatten voraus: Zwei Tage vor den befürchteten Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und "erlebnisorientierten Jugendlichen" am Schulterblatt kursieren Flugblätter in der Hansestadt, gerichtet an "Bambule Fans", in denen "Tipps für den gepflegten Krawall" am Sonnabendabend gegeben werden.

Als mögliche Ziele von Attacken werden darin unter anderem Supermärkte, Drogerien, Hotels, Justizgebäude und "Autos, die über 50.000 Euro kosten", benannt, aber auch die Polizeiwache 16 an der Lerchenstraße, die bereits im Dezember vergangenen Jahres Ziel eines Angriffs war. Vermummte hatten dort die Eingangstür verriegelt und versucht, die Wache anzuzünden. Wer der Absender dieses Randale-Aufrufs ist, liegt noch im Dunkeln. Die Staatsschutzabteilung im Landeskriminalamt (LKA) hat die Ermittlungen aufgenommen.

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Überhaupt hat der Staatsschutz reichlich zu tun: Nach vier Farbanschlägen in nur fünf Tagen - auf das Büro und das Wohnhaus des FDP-Bundestagsabgeordneten Burkhardt Müller-Sönksen, auf das Altonaer Rathaus und die GAL-Geschäftsstelle in Eimsbüttel - ist die Serie der Brandanschläge auf Autos erneut entflammt. Unbekannte entzündeten in der Nacht zum Donnerstag am Buschrosenweg in Bramfeld Wagen der Marken Mercedes, BMW, Audi, Volkswagen, Ford und Hyundai, die am Straßenrand und auf Anwohnerparkflächen geparkt waren. Die Anwohner waren gegen drei Uhr von lauten Knallgeräuschen geweckt worden und hatten die Feuer entdeckt. Sieben Autos brannten aus, ein achtes wurde beschädigt.

Bereits drei Stunden zuvor war ein Renault in der Düppelstraße in Altona-Nord angesteckt worden. Dank der schnellen Anzeige eines Anwohners konnte der Brandsatz jedoch rasch gelöscht werden. Die Großfahndung blieb ohne Erfolg.

"Hinweise auf eine politische Motivation liegen derzeit nicht vor", heißt es bei der Polizei, die sich eifrig bemüht, die Brisanz aus dem bevorstehenden Wochenende zu nehmen. Zusammenhänge mit dem Schanzenfest würden geprüft. Ergebnisse lägen allerdings noch nicht vor.

Ebenso zurückhaltend ist sie mit Zahlen zu ihrer Einsatzstärke am Sonnabendabend, für den Innensenator Heino Vahldieck (CDU) in Retrospektive der vergangenen Schanzenfeste wieder Krawalle erwartet. Wie das Abendblatt jedoch aus Polizeikreisen erfuhr, stehen am Sonnabend Bereitschafts- und Bundespolizisten aus Bayern, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin bereit, um ihren Hamburger Kollegen bei Ausschreitungen unter die Arme zu greifen.

Zwölf bis 14 Polizeihundertschaften könnten auf und um das Schulterblatt zum Einsatz kommen. Damit seien ungeachtet welcher Lage genügend Kräfte im Schanzenviertel, um Randale einzudämmen, hieß es. Die Polizei will in jedem Fall Zustände wie zu den Auseinandersetzungen zum 1. Mai vermeiden, als sie mit mehreren Hubschraubern Bundespolizisten aus Berlin nachordern musste.

Zusammen mit den Einsatzkräften, die schon seit Donnerstag für das Alstervergnügen abgestellt wurden, sind damit am kommenden Wochenende bis zu 3000 Polizisten in Hamburg im Einsatz.

Eine Befriedung des Schanzenfestes erhofft die Polizei durch die Ausweisung eines sogenannten Kontrollgebietes rund um das Schanzenviertel: Von 18 Uhr am Sonnabend bis 8 Uhr am Sonntagmorgen darf die Polizei in dieser auch Gefahrengebiet genannten Zone Personen ohne dringenden Tatverdacht kontrollieren und Aufenthaltsverbote aussprechen. Die Polizei hofft, potenzielle Randalierer und Gewalttouristen aus anderen Stadtteilen oder Bundesländern abzuschrecken.

20 bekannte Gewalttäter, die nach Schanzenfesten bereits verurteilt worden waren, erhielten entsprechende Aufenthaltsverbote bereits per Post. Sie dürfen das Schanzenviertel am Sonnabendabend nicht betreten. Sollten sie trotzdem rund ums Schulterblatt aufgegriffen oder auch nur gefilmt oder fotografiert werden, drohen ihnen Anzeigen. Weitere, zumeist jugendliche Gewalttäter wurden von Polizisten in "Gefährderansprachen" zur Brust genommen. Sie wurden zu Hause aufgesucht und gewarnt.