Das Amtsgericht St. Georg hat den 38 Jahre alten Politiker wegen der Anstiftung einer Scheinehe verurteilt. Ciftlik bekommt eine Geldstrafe.

Hamburg. Es war ein quälend langer Verhandlungstag, und am Ende verlässt der einstige Hoffnungsträger der Hamburger SPD den Gerichtssaal 1.01 als Verlierer. Vor dem Amtsgericht St. Georg scheint die abendliche Sonne hell und freundlich, wortlos und mit eisiger Miene eilt er davon, Richtung Tiefgarage. Minuten nach dem Urteil meldet sich SPD-Chef Olaf Scholz zu Wort, es ist ein einziger Satz, der alles sagt. "Das Urteil beendet die politische Karriere von Bülent Ciftlik." Er solle Partei und Fraktion verlassen, sonst werde er ausgeschlossen.

Das Gericht hat den SPD-Bürgerschaftsabgeordneten schuldig gesprochen. Schuldig, weil er seine ehemalige Freundin Nicole D., 33, zu einer Scheinehe mit seinem türkischen Bekannten Kenan T. anstiftete. 150 Tagessätze à 80 Euro (12.000 Euro) Geldstrafe, soll er zahlen und gilt damit als vorbestraft. Kenan T. verurteilt das Gericht zu einer Geldstrafe in Höhe von 6000 Euro. Wegen ihres umfassenden Geständnisses kommt Nicole D. deutlich milder davon. Das Gericht belässt es bei einer Verwarnung. Lässt sie sich nichts mehr zuschulden kommen, muss sie die Geldstrafe in Höhe von 4900 Euro nicht einmal zahlen.

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Richter Lutz Wegerich fand deutliche Worte für Ciftlik. Zwar sei es nicht ausgeschlossen, dass er Kenan T. aus altruistischen Motiven zum Aufenthaltstitel habe verhelfen wollen. "Aber als Bürgerschaftsabgeordneter tragen Sie eine besondere Verantwortung." Ciftlik habe seine Ex-Freundin im November 2007 überredet, seinen Bekannten Kenan T. zum Schein zu heiraten, um ihm einen Aufenthaltstitel zu verschaffen. Nicole D., die 2005 eine Affäre mit Ciftlik hatte, habe nach anfänglichem Zögern dem Plan zugestimmt, weil sie sich davon eine Beziehung mit Ciftlik erhofft habe. Von den 7000 Euro, die Nicole D. erhielt, habe der Politiker 3000 Euro bekommen - allerdings als Darlehen für seinen damaligen Bürgerschaftswahlkampf, so Richter Wegerich.

Ciftlik hatte stets beteuert, die Aussagen seiner früheren Freundin seien ein Racheakt aus verschmähter Liebe. Dabei handele es sich um eine "Schutzbehauptung", urteilte indes der Richter. Nicht viel besser seien auch Ciftliks "Entlastungszeugen", die "für jede Prozesssituation maßgeschneiderte Aussagen hatten", jedoch kaum konkrete Angaben machen konnten. Bei zwei vermeintlich entlastenden E-Mails, in denen Nicole D. ihr Geständnis widerrief, handele es sich um Fälschungen, deren Urheber jedoch nicht habe ermittelt werden können. "Wenn Ihnen eine Beteiligung an Verdunkelungshandlungen hätte nachgewiesen werden können, wäre eine Freiheitsstrafe herausgekommen", sagte der Richter. Das Gericht habe sich vor allem auf das "glaubhafte" Geständnis von Nicole D. gestützt. Sie habe sich selbst schwer belastet, daher sei nicht ersichtlich, warum Frau D. ein falsches Geständnis abgelegt haben soll.

In ihren Plädoyers hatten die Verteidiger von Kenan T. und Ciftlik genau das in Abrede gestellt und ihr Geständnis als in vielen Punkten widersprüchlich und unkonkret disqualifiziert. Ciftlik sei das Opfer von Nicole D., deren "chancenlose Liebe" und "Fixiertheit" in "Hass und Vernichtungswillen umschlug", sagte Ciftliks Anwalt Cornelius Weimar.

In ihrem Schlusswort konterte Nicole D.: Sie habe das alles nur gemacht, weil sie besitze, was Ciftlik fehle: ein Gewissen. Einmal mehr knöpfte sich auch ihr Verteidiger Johann Schwenn den Politiker vor. Ciftlik habe getrickst, gelogen, habe Zeugen vorgeführt, die zu seinen Gunsten falsche Aussagen gemacht hätten. Ciftlik habe eine prozessuale "Fälscherwerkstatt" betrieben, sei aber nur ein "Zauberer, der auf seine eigenen Tricks" reinfiele.

Zuvor hatte Richter Wegerich bei den Verteidigern von Kenan T. und Ciftlik für blankes Entsetzen gesorgt, indem er die Vernehmung weiterer Zeugen ablehnte. Damit seien wichtige, ihre Mandanten entlastende Beweismittel dem Verfahren entzogen worden, kritisierten die Anwälte, die Freisprüche gefordert hatten. "Ich werde Herrn Ciftlik mit Nachdruck raten, Berufung einzulegen", sagt Weimar. Da wäre er nicht der Einzige: Auch die Staatsanwaltschaft, die für Ciftlik und Kenan T. eine neunmonatige Freiheitsstrafe gefordert hatte, erwägt, Rechtsmittel einzulegen.