Peter Ulrich Meyer leitet das Ressort Landespolitik des Abendblatts und berichtet in dieser Woche vom Geschehen im Rauthaus, das sich rund um den SPD-Parteitag und die Bürgerschaftswahl dreht.

Hamburg. Wenn die Mitglieder des SPD-Landesvorstands am Dienstagabend in der Parteizentrale an der Kurt-Schumacher-Allee (St. Georg) zusammenkommen, dann dürfte ihnen der Diskussionsstoff relativ schnell ausgehen. Dabei steht Bedeutendes auf der Tagesordnung: Es geht um den Vorschlag der Parteispitze für die Landesliste zur Bürgerschaftswahl am 15. Februar 2015. Die Entscheidung trifft der Parteitag am kommenden Sonnabend.

Doch nach zum Teil sehr heftigem internen Ringen in den Kreisverbänden und über die Reviergrenzen hinweg um die Sonnenplätze auf den Wahlzetteln, herrscht nun erst einmal weitgehend Einigkeit. So hat’s der Chef, Parteichef und Erster Bürgermeister Olaf Scholz, am liebsten: Sollen sich doch alle um die (wahrscheinlich knapper werdenden) Plätze in der Bürgerschaft schlagen, wenn am Ende nur ein von allen wichtigen Akteuren mitgetragenes Ergebnis dabei herauskommt. Wobei sich Scholz selbst in diesen Kreis natürlich einschließt.

Ein gewisser Machiavelli hätte gewiss seine Freude an dem Hamburger Obersozialdemokraten. „Teile und herrsche“ – die alte Fürstenmaxime aus dem politischen Instrumentenkasten des Italieners aus der Stadtrepublik Florenz ist Scholz nicht ganz fremd.

Der Bürgermeister hat erkennbar nur an einer Stelle seine „Wünsche“ deutlich zum Ausdruck gebracht: bei der Besetzung des sogenannten Kastens. Diese SPD-Spezialität umfasst eine Reihe von Listenplätzen, die dem Zugriff der mächtigen Kreisverbände entzogen sind. Hier hat der Landesvorstand das Vorschlagsrecht, also der Parteichef.

Besetzung der Listenplätze sollen Signalwirkung haben

Besondere Aufmerksamkeit genießen dabei die Positionen elf, zwölf und 13, über die der Einzug in die Bürgerschaft praktisch sicher ist. Folglich ist das Gedränge hier besonders groß. Es zeichnet sich ab, dass die Intendantin des Ernst-Deutsch-Theaters, Isabella Vértes-Schütter, auf Platz elf kandidieren wird. Die Schauspielerin war 2011 selbst überrascht, dass sie über Platz60(!) in die Bürgerschaft gewählt wurde. Inzwischen ist Vértes-Schütter für die SPD beinahe unersetzlich, schon weil die Kultur häufig genug eine offene Flanke der Partei war. Auf Platz zwölf wird der frühere Ver.di-Chef Wolfgang Rose folgen, danach Kazim Abaci. Dieses Trio soll Signalwirkung für drei der SPD wichtige Politikbereiche haben: Kultur, Gewerkschaften und Migration. Darauf hatte Scholz Wert gelegt.

Was fehlt, ist der Sektor Wirtschaft, dem eigentlich Scholz’ besonderes Augenmerk gilt, zumal nach dem Ausscheiden des Reeders Erck Rickmers der SPD mit Jan Balcke auch der wirtschaftspolitische Sprecher nach der Wahl nicht mehr zur Verfügung stehen wird. Hier dauerte das Ringen um eine Lösung am längsten. Eine bemerkenswerte und unübliche Rochade half den Parteistrategen über die Klippe.

Die ersten drei Plätze der SPD-Liste sind traditionell in dieser Reihenfolge dem Ersten Bürgermeister (wenn vorhanden), der Bürgerschaftspräsidentin (oder Vizepräsidentin) und dem Bürgerschaftsfraktionschef vorbehalten – auch sie sind Teil des Kastens: also neben Scholz Carola Veit und Andreas Dressel. Der Volksdorfer war bereit, auf seinen Platz zu verzichten und statt dessen in seinem Wahlkreis Alstertal – Walddörfer direkt zu kandidieren.

Das bewahrte die Sozialdemokraten zunächst vor einer großen Peinlichkeit: Auf Platz drei wird Wissenschaftssenatorin und Zweite Bürgermeisterin Dorothee Stapelfeldt antreten, die große Schwierigkeiten gehabt hätte, sich in ihrem Heimat-Kreisverband Eimsbüttel durchzusetzen. Kreischef Milan Pein hatte angekündigt, er selbst wolle den ersten Eimsbütteler Listenplatz besetzen, Nummer neun. Die nächste Chance für eine Eimsbütteler Nominierung wäre schon im unsicheren Bereich und für eine Zweite Bürgermeisterin kaum angemessen gewesen.

Nun erwartete Dressel mit seinem Wandsbeker Kreisverband selbstverständlich Kompensation für sein Entgegenkommen. Mit dem 50 Jahre alten Newcomer Joachim Seeler präsentierte der Fraktionschef einen Mann der Wirtschaft, der die Kompetenzlücke auf diesem Feld schließen könnte und daher prominent platziert werden sollte. Seeler ist Vorstandsmitglied des Lloyd Fonds und war früher Manager der HSH Real Estate. Das Problem: Der nächste Kastenplatz wäre die Nummer 21 gewesen – schon im unsicheren Bereich. Jetzt spricht einiges dafür, dass Seeler weiter vorn auf der Liste landen wird – nicht weit von Abaci auf Platz 13.

Viele Wege können in die Bürgerschaft führen

Weniger erfreulich lief die interne Nominierungskür für den früheren Mitte-Bezirksamtsleiter Markus Schreiber, der erstmals für die Bürgerschaft kandidiert und sich „einen aussichtsreichen Platz“ erhofft hatte. Die interne Abstimmung weist Schreiber nun Platz 27 zu, zu weit hinten. Aber der beliebte Kasten war eben schon mit Parteifreunden besetzt. Schreiber kann allerdings auf seine Bekanntheit in der Stadt setzen und so dank des neuen Wahlrechts über Persönlichkeitsstimmen in die Bürgerschaft einziehen. Jeder Wähler kann die fünf Stimmen für die Landesliste einer Partei (oder mehreren) insgesamt oder auf einen oder mehrere Kandidaten verteilen.

Diesen Weg werden etliche Sozialdemokraten versuchen. Dazu zählt auch Danial Ilkhanipour, der wohl den chancenlosen Platz 53 bekleiden wird. Der Deutschiraner hatte vor der Bundestagswahl 2009 für Aufsehen gesorgt, weil er den Eimsbütteler SPD-Bundestagsabgeordneten Niels Annen parteiintern aus dem Rennen geworfen hatte. Die Aktion riss im Eimsbütteler SPD-Sprengel tiefe Gräben auf, Ilkhanipour ging bei der Bundestagswahl unter. 2013 kam es zum Burgfrieden zwischen Ilkhanipour und Annen, der wieder in den Bundestag gewählt wurde. Im Gegenzug sollte Ilkhanipour die Chance auf ein Bürgerschaftsmandat erhalten. Daran wollte sich nun nicht mehr jeder Eimsbütteler Genosse erinnern. Auch das erklärt die schlechte Platzierung des Deutschiraners auf der Liste.

Einen ganz anderen Weg hat der Schulpolitiker Lars Holster, für den „vorne“ auch kein Platz frei war. Holster wird wohl auf dem letzten Platz, Nummer 60, antreten. Nicht unklug, weil viele Wähler auf das Ende des ziemlich langen Wahlzettels schauen und dort häufig ein Kreuz machen. Die Methode Vértes-Schütter macht Schule.