Sozialsenator Scheele würde mehr Flüchtlingsheime in wohlhabenderen Stadtteilen begrüßen. Doch es fehle an Alternativen

Hamburg. Glücklich ist Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) nicht mit der Verteilung der gut zwei Dutzend Flüchtlingsunterkünfte mit mehr als 5000 Plätzen, die Hamburg in den kommenden Monaten schaffen wird. „Wir sind händeringend bemüht, die Flüchtlinge gleichmäßig auf die Stadtteile zu verteilen“, sagte Scheele, der am Donnerstag die von der Senatskommission beschlossene Liste mit 28 Standorten vorstellte. „Es wäre wünschenswert, wenn es mehr Unterkünfte in wohlhabenden Stadtteilen gebe.“ Aber die Flächensituation sei eine andere. „Es fehlt an Alternativen.“

Dass Flüchtlinge in den sehr gut situierten Stadtteilen ein vorübergehendes Zuhause finden, ist zumindest eher die Ausnahme. Dazu zählen etwa der Standort Sophienterrasse in Harvestehude, wo ab kommenden Jahr 220 Not leidende Menschen einziehen sollen, und Volksdorfer Grenzweg. Dort sollen im Jahr 2015 Pavillons für rund 170 Flüchtlinge aufgebaut werden.

Die CDU-Bürgerschaftsfraktion unterstützt die Bemühungen der Stadt, die Flüchtlinge menschenwürdig und sicher unterzubringen. Dennoch sieht die Sozialpolitikerin Friederike Föcking eine Ungleichverteilung der Unterkünfte. „Gastfreundschaft für Menschen in Not ist eine Aufgabe der ganzen Stadt und nicht nur einiger Stadtteile“, sagte die CDU-Abgeordnete. Sie forderte den Senat auf, noch einmal jene Flächen zu prüfen, die erst in mehreren Jahren für den Wohnungsbau vorgesehen seien. „Diese könnten zwischengenutzt werden, damit nicht immer mehr Riesenunterkünfte errichtet werden.“

Auch Katharina Fegebank (Grüne) hält eine gleichmäßige und gerechte Verteilung der Unterkünfte über die Stadt für wichtig. Angesichts der momentanen Notsituation zähle zuerst, „dass alle Flüchtlinge ein Dach über dem Kopf haben“ müssen. „Bei der Einrichtung weiterer Unterkünfte muss die gerechte Verteilung über die Stadt weit oben auf der Agenda stehen“, betonte Fegebank. „Außerdem müssen wir so viele kleine und dezentrale Unterkünfte schaffen wie möglich.“

Die FDP-Fraktionschefin Katja Suding kritisierte, dass der Senat Zeit vertan habe, sich auf die jetzige Situation vorzubereiten. Ausgeblieben sei eine breite Beteiligung der Bezirke und der Bürger in den Quartieren bei der Schaffung neuer Unterkünfte. „Stattdessen greift Senator Scheele auf das Polizeirecht zurück“, sagte Suding. Das sei aber denkbar ungeeignet, um öffentliche Akzeptanz bei der Unterbringung von Flüchtlingen zu ermöglichen.“

Wie nötig die Notmaßnahmen des Senats sind, zeigen die aktuellen Prognosen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge. In einem Schreiben teilte die Behörde am Donnerstag mit, dass sie ihre Prognose vom August weiter nach oben korrigiert. Demnach ist in den kommenden Monaten bundesweit mit monatlich 25.000 Flüchtlingen zu rechnen. Für Hamburg bedeutet das jeden Monat rund 630 Neuzugänge.

Senator Scheele warb am Donnerstag bei den Hamburgern „um Verständnis für unser Verfahren“. Damit meint er, dass man bei der Schaffung von Flüchtlingsunterkünften nun nach „Polizeirecht“ vorgehen wird. Es erlaubt allen Behörden bei „Gefahr im Verzug“ auf Verwaltungsschritte wie Beteiligung von Bezirken und Bürgern oder Baugenehmigungen zu verzichten.

Komplett entfallen wird der Dialog mit dem Bürger jedoch nicht, versicherte Scheele. „Die Bezirke werden weiterhin Bürgerveranstaltungen machen“, sagte er. „Aber diese werden schmaler ausfallen.“ Zudem wird es unter www.hamburg.de/fluechtlinge in Kürze ein Infoportal geben, auf dem Interessierte alle Informationen rund um die Unterbringung, Betreuung und Beratung von Flüchtlingen finden werden.

Ganz einfach würden die kommenden Monate nicht, räumte der Senator ein. „Aber es gibt keinen Grund, dass sich jemand fürchtet.“ Bis auf den Standort an der Schnackenburgallee gebe es bei den Flüchtlingsunterkünften keine Auffälligkeiten hinsichtlich Gewalt oder Straftaten. Die Probleme in der Zentralen Erstaufnahmestelle in Bahrenfeld seien auch auf die Größe zurückzuführen. Derzeit leben dort nach Behördenangaben 1266 Menschen.

Dass sich vermutlich einige Bürger wegen der neuen Standorte dennoch Sorgen machen, kann Scheele nachvollziehen. „Bestimmte Situationen im Bezirk Mitte sind nicht wünschenswert“, sagte er und verwies auf die geplante Unterkunft mit 600 Plätzen an der Berzeliusstraße in Billbrook. Dort hatte in den 90er-Jahren eine große Flüchtlingsunterkunft für Negativschlagzeilen gesorgt. Scheele meint in diesem Zusammenhang, dass eine Änderung des Baugesetzbuches dazu beitragen könnte, die Situation zu entschärfen. „Wäre es durch diese Änderung möglich, Flüchtlinge auch in Gewerbegebieten unterzubringen, könnte in Stadtteilen, die ohnehin ein besonderes Päckchen zu tragen haben, auf neue Flüchtlingsunterkünfte verzichtet werden.“

Die Suche nach geeigneten Standorten für Flüchtlinge ist aus mehreren Gründen schwierig, sagte Thomas Pohl, Stadtgeograf an der Universität Hamburg. „Verschiedene Interessen stoßen dabei aneinander.“ Aus Sicht der Flüchtlinge sei eine gute Infrastruktur wichtig. Die Wege etwa zu Lebensmittelgeschäften dürften nicht zu weit, öffentliche Verkehrsmittel müssten in der Nähe sein. Aus Sicht der Stadt müssten schnell Standorte gefunden werden. „Das geht besonders dort zügig, wo wenig Widerstand zu erwarten ist“, sagte Pohl. In reicheren Stadtteilen, in denen sich die Bevölkerung schnell mobilisieren lässt, sei das schwierig. Allerdings dürften aus Sicht der sozialen Stadtentwicklung Brennpunkte nicht weiter angeheizt werden. Dass Flüchtlinge an den Sophienterrassen untergebracht werden sollen, sei nur als Zeichen zu werten. Allerdings stehe die Stadt auch unter einem „Verwertungsdruck“ bei ihren Flächen. „Ein Flüchtlingsheim würde den Grundstückswert mindern.“