Hamburg kann den Flüchtlingsansturm schultern. Aber es muss Sorgen ernst nehmen

Die weltweite Nachrichtenlage ist deprimierend. Syrien, Irak, Ukraine, Israel, Gaza – „Tagesschau“ und „heute-journal“ unterscheiden sich oft nur durch die Reihenfolge, in der sie uns die Krisenherde erklären. Wenn es noch Menschen gab, die sich danach mit dem Gedanken, zum Glück betreffe sie das nicht, dem Wetterbericht zuwandten, werden sie langsam eines Besseren belehrt.

25.000 Menschen fliehen auf der verzweifelten Suche nach Sicherheit und einem besseren Leben Monat für Monat allein nach Deutschland. Wer will es ihnen verdenken! Städte und Gemeinden wie Hamburg sind aus gutem Grund verpflichtet, diese Menschen, die Angehörige zurückgelassen haben, die auf der Flucht Kinder verloren haben und denen oft nicht mehr geblieben ist, als sie am Leib tragen, unterzubringen. Es ist schlicht ein Gebot der Menschlichkeit. Wie soll denn das mit Abstand reichste Bundesland Deutschlands dem Rest der Welt, zum Beispiel armen Grenzregionen in der Türkei, wo Hunderttausende Syrien-Flüchtlinge hausen, erklären, dass wir hier an Alster und Elbe leider keinen Platz haben? Zumal vielen Hamburgern noch in Erinnerung ist, wie sie selbst nach dem Krieg ohne Hab und Gut in der zerstörten Stadt standen, in Nissenhütten lebten und auf ein festes Dach über dem Kopf hofften.

Unabhängig davon darf und muss die Stadt dennoch darüber diskutieren, wie und wo sie Flüchtlinge unterbringt und ob die Verteilung in der Stadt sinnvoll ist. Wer sich die bestehenden und die nun geplanten Standorte anschaut, kann nicht bestreiten, dass einige Gegenden in Wandsbek, in Billbrook und in Harburg mehr Menschen aufnehmen müssen, während es anderswo weiße Flecken gibt. Der Vorwurf an den Senat, „bessere“ Gegenden wie die Elbvororte würden geschont, ist da schnell zur Hand, aber er trägt nur bedingt. Erstens gibt es sehr wohl Flüchtlingsheime in wohlhabenderen Gegenden wie den Walddörfern, in Eimsbüttel oder Sülldorf. Die geplante Unterkunft an der Sophienterrasse unweit der Alster ist als Statement des Senats in dieser Hinsicht zu verstehen.

Im Übrigen ist das mit den „besseren“ und den „problematischen“ Stadtteilen so eine Sache. In Harburg zum Beispiel, das als Stadtteil eher zu den sozial schwächeren zählt, gibt es einerseits Unmut darüber, dass dort eine Unterkunft nach der anderen entsteht. Auf der anderen Seite bezeichnen die Harburger ihren Binnenhafen zu Recht als „Kleine HafenCity“, was auch für die Sozialstruktur gilt. Die 400 Flüchtlinge, die dort bald auf Schiffen wohnen sollen, werden recht wohlhabende Nachbarn haben.

Dennoch muss die Politik die Sorgen der Bürger ernst nehmen und darf sich nicht hinter Statistiken verstecken, wonach es im Umfeld der Unterkünfte „keine Auffälligkeiten“ gebe. Mit dem Dach überm Kopf ist es ja nicht getan. Flüchtlingskinder haben ein Recht auf Betreuung im Kindergarten und auf Schulunterricht. Und manche funktionierende Schulklasse gerät gehörig durcheinander, wenn sie nur ein Kind aufnimmt, das kaum Deutsch spricht und schwer traumatisiert ist von den Erlebnissen in seiner Heimat. Solche und andere Probleme darf man nicht kleinreden, sondern muss sie offen angehen. Zuvorderst sind hier Politik und Verwaltung gefordert, aber auch ein jeder von uns kann seinen Teil dazu beitragen, Flüchtlinge zu integrieren. Dass sich in Hamburg schon Bürgerinitiativen gründen, die genau das leisten wollen, ist ein ermutigendes Zeichen.

Es stimmt, dass die Hansestadt derzeit mehr schultern muss als andere Regionen im Land. Über die Verteilung kann man streiten. Aber davon abgesehen, sollten wir die Flüchtlingsströme nicht so sehr als Problem wahrnehmen, sondern als Chance, die enorme Kraft einer reichen, zivilisierten Großstadt unter Beweis zu stellen.