Dieter Lenzen fordert die Rücknahme der Hochschul-Strategie von Dorothee Stapelfeldt (SPD)

Hamburg. Vernichtender könnte das Urteil kaum ausfallen: Das Perspektivpapier zur Zukunft der Hochschulen von Wissenschaftssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) bedeute einen massiven Eingriff in die Hochschulautonomie, es zeige keinerlei Wertschätzung für die Arbeit der Universitätsmitarbeiter und sei auch nicht unter Mitwirkung der Hochschulen entstanden, kritisierten Präsidium und Hochschulrat der Universität Hamburg am Mittwoch. Das Strategiepapier mische sich in Detailfragen von Forschungsschwerpunkten und Hochschulkooperationen ein, gebe aber keinerlei Antwort auf die zentrale Frage der Finanzierung, ja, es präsentiere nicht einmal wirkliche Perspektiven für den Wissenschaftsstandort, bilanzierte Universitätspräsident Dieter Lenzen am Mittwoch. Jedenfalls enthalte es „nicht die Perspektiven, die die Universität benötigt“. Er forderte Wissenschaftssenatorin Stapelfeldt auf, „dieses Papier unverzüglich zurückzunehmen“.

Aus Sicht von Lenzen und dem Vorsitzenden des Hochschulrats, Professor Albrecht Wagner, kehrt der Staat mit seinem Entwurf zu einer längst überholten „Detailsteuerung der Hochschulen“ zurück, für die er nicht zuständig sei, anstatt sich um seine eigentlichen Aufgaben zu kümmern: zukunftsweisende Finanzmittel bereitzustellen und Strukturvoraussetzungen für die Universität zu schaffen. „Es kann nicht sein, dass der Staat die Forschungsschwerpunkte definiert, die können sich nur aus der Logik der Forschung selbst ergeben“, sagte Lenzen. Dafür werde mit keinem Wort erwähnt, wie beispielsweise der Sanierungsbedarf an den Gebäuden auf dem Campus am Von-Melle-Park zu decken sei, der sich auf 630 Millionen Euro summiere.

„Ein Perspektivpapier, in dem nicht über Geld gesprochen wird, ist perspektivlos“, sagte Lenzen. „Ich möchte als Präsident verdammt noch mal wissen, wann diese Ruinen, die sich hier Universität nennen, renoviert werden.“

Damit hat sich der Ton im Streit um die Wissenschaftspolitik noch einmal deutlich verschärft. Senatorin Stapelfeldt bläst der Wind ohnehin hart ins Gesicht, seit sie Ende Juni nach zweijähriger Vorbereitungszeit „Strategische Perspektiven für die Hamburgischen Hochschulen bis 2020“ vorgelegt hat. Vor Lenzen übten auch bereits die Präsidenten der Technischen Universität Hamburg-Harburg, Garabed Antranikian, und der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW), Jacqueline Otten, in einem Abendblatt-Interview scharfe Kritik an dem knapp 70 Seiten starken Senatspapier, forderten dabei allerdings nicht ausdrücklich dessen Rücknahme. Lenzen und Wagner hingegen sind der Meinung, der Entwurf sei „nicht zu reparieren“ und müsse deshalb zurückgezogen werden. „Strategie kommt in dem Papier außer im Titel nicht vor“, so Wagners vernichtende Kritik.

Die Hochschulen wollen nun ihrerseits nach Möglichkeit einen gemeinsamen Gegenentwurf zu den Leitlinien des Senats vorlegen. Die Universität Hamburg will auf jeden Fall „die Skizze eines Perspektivpapiers“ erstellen, so Lenzen. Man wolle versuchen, mit den anderen Hochschulen gemeinsam etwas auf den Weg zu bringen. Ein neuer Strategieentwurf müsse „klare Aussagen zur Bereitstellung von weit über einer halben Milliarde Euro“ für die Sanierung enthalten ebenso wie zur Schaffung der Voraussetzungen für einen garantierten Masterstudienplatz für Bachelor-Absolventen.

Denn es sei im Grundsatz richtig und notwendig, sich intensiv Gedanken darüber zu machen, wo der Wissenschaftsstandort Hamburg in 30 Jahren stehen wolle, so Lenzen und Wagner. Auch bekannten sie sich zum Ziel der Exzellenz. Eine solche Strategie könne aber nur von vornherein gemeinsam mit den Hochschulen entwickelt werden, wie dies andernorts auch geschehe.

Das Perspektivpapier von Stapelfeldt sei hingegen „ein Alleingang der Behörde“, kritisierte Wagner. Das stört auch Lenzen besonders. Es habe keinerlei Mitwirkung der Hochschulen gegeben, bekräftigte er. Wenn ein anderer Eindruck erweckt werde, nur weil man im Juni in der Behörde zum Gespräch eingeladen worden sei, bei dem dann das Perspektivpapier vorgestellt wurde, dann sei das falsch.

Völlig inakzeptabel sei, dass die Hochschulen in Hamburg – anders als in Baden-Württemberg, Hessen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Nordrhein-Westfalen und dem Saarland – keinen Cent aus den BAföG-Millionen des Bunds bekomme, so Lenzen. „Wenn man das so macht, dann darf man nicht auf der anderen Seite behaupten, man wolle den Wissenschaftsstandort stärken“, so Wagner. „Ein bisschen Ehrlichkeit würde dem Dialog durchaus gut tun.“ Stapelfeldt selbst bekräftigte am Donnerstag, sie sei weiter dialogbereit.