Was Hamburgs Nachwuchspolitiker antreibt. Darwing Fuentes, Esther Schwedler und Maximiliam Roth über das Gefühl, etwas bewegen zu können

Hamburg. Pfandsammler machen Esther Schwedler ernsthaft wütend. Und betroffen. „Sie zeigen, dass unser angebliches soziales Sicherungssystem nicht funktioniert“, sagt die 19-Jährige. Sie will das ändern, dieses System. Und sie glaubt daran, dass es möglich ist. „Ich will nicht zugucken, wie Deutschland zugrunde gewirtschaftet wird.“ Zudem sei sie eh der Typ „Macherin“. Deshalb mischt sie aktiv in der Politik mit, ist seit ihrem 16. Lebensjahr Mitglied bei der Grünen Jugend (GJ), der Jugendorganisation der Grünen.

Es war nicht der Umweltschutz, sondern der Gleichberechtigungsgedanke, der Schwedler zu den Grünen trieb. „Diesen setzen nur die Grünen konsequent um“, sagt die junge Frau, die im Oktober 2013 von Hessen nach Hamburg kam, um an der HafenCity-Universität Stadtplanung zu studieren. Dem Klischee der grünen Öko-Aktivistin entspricht Schwedler ohnehin nicht. Die 19-Jährige mit den langen feuerroten Haaren und diversen Tätowierungen am Körper könnte auch als Modedesign-Studentin durchgehen. Dass sie seit Jahren diverse Ämter bei der GJ ausfüllt und viele Stunden in der Woche in ihr politisches Engagement investiert, daran denkt man nicht als Erstes, wenn man ihr gegenübersteht.

Im hessischen Wetzlar war Esther Schwedler im Kreis- und Landesvorstand der GJ sowie auf Bundesebene aktiv. „Es ist ein schönes Gefühl, wenn einem viel zugetraut wird“, sagt sie. „Aber die Politik kann auch schnell das ganze Leben einnehmen.“ Als sie im Herbst nach St. Georg zog, hatte sie sich vorgenommen, kürzer zu treten. Mehr Zeit zu haben für Freunde, Partys, das Kickboxen und Kochen. „Hat aber nicht so gut geklappt“, sagt sie und lacht.

Der Wunsch, etwas bewegen zu wollen, ist bei Schwedler größer als einfach mal nichts zu tun. Bei der Hamburger GJ ist sie Frauen- und Genderpolitische Sprecherin. Nebenbei arbeitet sie für die Bundestagsabgeordnete Anja Hajduk und sitzt als zugewählte Bürgerin im Stadtplanungsausschuss des Bezirks Mitte. Mindestens zehn Stunden pro Woche gehen für die Politik drauf.

Dass andere junge Leute nicht dazu bereit sind, liege daran, dass es ihnen heute zu gut gehe, vermutet Schwedler. „Probleme wie im Gazasteifen haben wir hier nicht.“ Den jungen Leuten fehle der Drang, auf die Straße zu gehen. Diesen vermisst sie manchmal auch an der eigenen Partei. „Dass grüne Abgeordnete nicht auf die Straße gehen und sich vor einen Wasserwerfer stellen – dieser Aktionismus fehlt mir.“ Auch dass die Mutterpartei Krieg nicht generell ablehnt, ist für Schwedler ein Problem. „Pazifismus ist für mich das oberste Gut.“ Man muss nur auf ihren rechten Fuß schauen, um zu begreifen, dass sie das ernst meint. „Frieden & Gerechtigkeit“ ist dort tätowiert. Ob sie später in der Politik Fuß fassen will? Ja, vielleicht. Aber nicht in der ersten Reihe. „Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bundestag, das wäre toll.“

Für Darwing Fuentes wird sich in Kürze entscheiden, wohin es ihn beruflich verschlägt. „Brasilien, Chile, Berlin, Hamburg – ich habe mich überall beworben“, sagt der 33-Jährige, der gerade sein Politikwissenschaft- und Romanistik-Studium abgeschlossen hat. Mit dem Schritt ins Berufsleben wird auch seine Mitgliedschaft bei der Hamburger Linksjugend „Solid“ enden. „Ich bin schon seit über einem Jahr nicht mehr aktiv dabei, weil ich mich aufs Studium konzentriert habe.“ Und mit 35 würde er ohnehin aus der Jugendorganisation der Linken ausgeschlossen werden. Aber der Mutterpartei, der wird Fuentes weiter treu bleiben.

„Dass ich mich später einmal den Linken anschließen werde, war schon immer klar. Sie ist die einzige Partei, die sich gegen Krieg und für soziale Gerechtigkeit starkmacht“, sagt er. Zudem sei sein Vater in Chile in der Gewerkschaft gewesen und habe gegen den Diktator Augusto Pinochet gekämpft. Im Alter von sechs verließ Darwing Fuentes mit seiner Familie die chilenische Heimat, kam nach Hamburg. 2009 wurde er Mitglied der Hamburger Linken und der Linksjugend „Solid“, war im Ortsverband Eimsbüttel aktiv. „Die große Politik macht man da nicht.“ Aber im Kleinen etwas bewegen zu können, auch das sei ein gutes Gefühl. „Man kann für seine Interessen ein Bewusstsein schaffen und erreicht viele Leute.“

Bei der Linksjugend hat Fuentes viele Demonstrationen mitorganisiert, Vorträge etwa zur Demokratiebewegungen in Lateinamerika gehalten und auf Sitzungen diskutiert. Den Vorwurf, die junge Generation sei politikverdrossen, hält er für falsch. „Es gibt viele Jugendliche, die sich engagieren: in Vereinen und Verbänden, in der Flüchtlingshilfe, für den Tierschutz, Palästina oder etwas anderes“, sagt er. „Die Parteien allerdings schrecken viele wegen ihrer starren hierarchischen Strukturen ab.“

Maximilian Roth hat sich nicht abschrecken lassen. Vor vier Monaten ist er den Jungen Liberalen (JuLis), der Jugendorgansisation der FDP, beigetreten. „Ich habe aufgehört, mir einzureden, ich hätte keine Zeit für so etwas und habe eine Freundin zu einem Treffen der JuLis begleitet“, sagt er. Jetzt ist er dabei. Im Bezirksverband Wandsbek. Aus Überzeugung. „Eine liberale Grundeinstellung habe ich schon länger“, sagt der 23-jährige Jura-Student. Ihm gefällt es, dass die FDP für einen europäischen Bundesstaat ist („Die EU ist eines der großartigsten Projekte der Menschheitsgeschichte“). Und auch die Asylpolitik der Partei findet er richtig. Klar, auch ihn habe das innerparteiliche Geplänkel in Hamburg in den vergangenen Wochen genervt. „Aber grundsätzlich habe ich mit der FDP die meisten Überschneidungen und kann mit den JuLis viel bewegen.“

Sein Vorbild ist übrigens kein Liberaler, sondern ein SPD-Mann: der Ex- Bundeskanzler Gerhard Schröder. „Nicht das Gesamtpaket Schröder, aber seine Arbeitsmarktpolitik hat mich beeindruckt. Er hat null Klientelpolitik betrieben“, sagt Roth. Dass er keinen FDP-Politiker benennt, spricht für Offenheit und Teamgeist. Fühlt er sich auch als Teamplayer? „Ja, ich kann mit allen Demokraten zusammenarbeiten.“