Der knapp 70 Seiten umfassende Senatsentwurf zur Zukunft des Hochschulstandorts Hamburg liegt dem Abendblatt exklusiv vor. Die wichtigsten Auszüge zu Themen wie Bachelor und Master, Finanzen und Neubauten.

Hamburg. Die Debatte um den Hochschulstandort Hamburg nimmt weiter an Fahrt auf. Nachdem die SPD vergangene Woche in der Bürgerschaft für Aufsehen gesorgt hatte, weil sie es abgelehnt hatte, sich im Wissenschaftsausschuss mit dem von Altbürgermeister Klaus von Dohnanyi (SPD) sowie den früheren Senatoren Wolfgang Peiner (CDU) und Willfried Maier (Grüne) verfassten Thesenpapier „In Sorge um Hamburg“ zu befassen, war sie kurz darauf umgeschwenkt und hatte mitgeteilt: Machen wir doch, aber erst, wenn das Strategiepapier vorliegt, an dem der Senat seit Monaten feilt. Seitdem wird mit Spannung darauf gewartet.

Offiziell beschlossen wird die Drucksache aus dem Hause von Wissenschaftssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) wohl erst im Herbst. Der knapp 70 Seiten umfassende Senatsentwurf mit der Überschrift „Strategische Perspektiven für die Hamburgischen Hochschulen bis 2020“ liegt dem Abendblatt aber bereits exklusiv vor. Die wichtigsten Auszüge:

Grundsätzliches: „Wissenschaft und Forschung sind die zentralen Faktoren für die Zukunftsfähigkeit Hamburgs im 21. Jahrhundert“, heißt es einleitend. Eine Metropole wie Hamburg müsse „exzellente Rahmenbedingungen“ setzen. Das entspricht im Grundsatz dem Dohnanyi/Peiner/Maier-Papier.

Ferner äußert der Senat die allgemeine Erwartung an die Hochschulen, dass sie ein hohes Qualifikationsniveau der Absolventen gewährleisten, Wissen als Grundlage für Innovationen bereitstellen und „die Wirtschaft der Region durch Forschung und Entwicklung stärken“. Gleichzeitig stünden die Hochschulen „im internationalen Wettbewerb um Exzellenz in Forschung wie in der Lehre“. Formulierungen wie „Exzellenz“ und die Bedeutung der Wissenschaft für die Wirtschaft tauchen auffallend oft auf. Einmal ist sogar davon die Rede, dass die Unis „Erwerbspersonenpotenzial“ weiterentwickeln müssten.

Bachelor/Master: Bei dem System aus einem einfachen (Bachelor) und einem weitergehenden Abschluss (Master) sieht der Senat noch „Defizite“. Die Lehrpläne seien teilweise überfrachtet, es gebe zu viele Prüfungen, zu wenig Mobilität und zu viele Abbrecher. Die Hochschulen sollen daher „in verstärktem Maße den Studienerfolg begünstigen“. Ein Weg dahin könne eine Verlängerung der Regelstudienzeit im Bachelorstudium von sechs auf acht Semester sein. Wichtig ist dem Senat, „dass für jeden weiter studierwilligen Bachelor-Absolventen rechnerisch ein Master-Studienplatz vorgehalten wird“. Das hatte in der Vergangenheit nicht überall geklappt und hatte für Kritik gesorgt.

Qualität der Lehre: „Die Lehre hat an den deutschen Hochschulen noch nicht den gleichen Stellenwert wie die mit zum Teil hohem Drittmittelaufkommen und Preisen verbundene Forschung“, heißt es. Die Hochschulen sollen künftig mehr auf die Qualität von Bildung und Ausbildung der Studierenden achten, da ihr Profil auch von der „Exzellenz in der Lehre“ abhänge. In dem Zusammenhang wird relativ offen Kritik am Lehrpersonal geübt: „Bei den Berufungen ist das Engagement in bzw. die Befähigung zur Lehre angemessen zu berücksichtigen. Dies erfolgt schon vielerorts, ist aber noch nicht in allen Studienbereichen sichergestellt.“

Digitalisierung: Als ein Mittel zur Verbesserung der Lehre wird den Hochschulen eine Digitalisierungsstrategie ans Herz gelegt. Die Nutzung digitaler Medien und E-Learning-Angebote müssten selbstverständlich sein. Das neue Hochschulrecht ermögliche den Dozenten die Anrechnung digitaler Lehre auf ihre Lehrverpflichtungen.

Durchlässigkeit: „Die Hochschulen müssen sich für neue Studierendengruppen öffnen“, heißt es unverblümt. Durchlässigkeit in den Bildungsbereichen zu erhöhen, sei „erklärtes Ziel“ des Senats. Die Hochschulen sollen daher die Möglichkeit nutzen, „beruflich qualifizierte“ Bewerber zum Studium zuzulassen“, berufliche Qualifikationen sollen auf ein Hochschulstudium anrechenbar sein, und vorbereitende Studienkollegs sollen die unterschiedlichen Eingangsqualifikationen ausgleichen. Auch Teilzeitstudienangebote für Berufstätige und Studierende mit Familie sollen verstärkt angeboten werden.

Forschung: Die Forschung in Hamburg weist aus Sicht des Senats unter anderem in der Klima- und Meeresforschung, der naturwissenschaftlichen Strukturforschung (Desy), sowie in ausgewählten Bereichen der Geisteswissenschaften und in der Medizin „internationales Spitzenniveau“ auf. In anderen Bereichen bestehe aber „zum Teil noch erhebliches Ausbau- und Optimierungspotenzial“. Ausdrückliches Ziel ist es, „weitere Forschungsbereiche an das internationale Spitzenniveau heranzuführen“.

Gelingen könne das, indem die Einwerbung von Drittmitteln national und international gesteigert werde. Dabei rät der Senat den Hochschulen, sich zu fokussieren und Schwerpunkte zu einer „möglichst auch internationalen Wettbewerbsfähigkeit auszubauen“. So wird der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) ins Stammbuch geschrieben, sie solle die hohe Zahl ihrer Forschungsvorhaben „auf Finanzierbarkeit prüfen“.

Wissenstransfer: Durch die Hamburg-Innovation GmbH und die Patentverwertungsagentur seien bereits Fortschritte erzielt worden, heißt es. Auch die „Fraunhofer-Strategie für Hamburg“ mit dem Ziel, drei Hamburger Fraunhofer-Einrichtungen zu etablieren, sei vielversprechend. Doch das übergeordnete Ziel, Hamburg zu einer „Innovationshauptstadt in Europa“ zu entwickeln, sei noch nicht erreicht.

Daher sollen Hochschulen und Wirtschaft weitere gemeinsame Einrichtungen gründen. Als Vorbild diene das Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung (ZAL), eine Kooperation von Airbus und Lufthansa mit verschiedenen Hochschulen wie der TU. „Ziel ist, die Anzahl der Unternehmensgründungen aus Hochschulen und Forschungseinrichtungen heraus zu erhöhen und die Ansiedlung innovativer Unternehmen zu intensivieren“, heißt es. „Dabei sollen insbesondere auch private Investoren einbezogen werden.“

Internationalisierung: Angesichts des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels sollen Wissenschaft und Forschung internationaler werden. Mehr Studierende aus dem Ausland und mehr ausländische Spitzenwissenschaftler sollen nach Hamburg geholt werden. Dem Senat ist vor allem die Zusammenarbeit im Ostseeraum wichtig.

Sonderrolle MINT: Dem starken MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) attestiert der Senat ein „beachtliches Entwicklungspotenzial“. Daher soll der Wissenschaftsrat, das bedeutendste wissenschaftspolitische Beratungsgremium in Deutschland, die Stärken und Schwächen dieser Bereiche untersuchen und Empfehlungen für die Entwicklung bis 2025 geben.

Neubauten: „Exzellente Infrastruktur“ ist aus Sicht des Senats „von entscheidender Bedeutung für den Wissenschaftsstandort Hamburg“. Die notwenige Sanierung der überwiegend veralteten Gebäude werde schrittweise erfolgen. Die aufgezählten Maßnahmen sind weitgehend bekannt.

Finanzen: Der Senat setzt voll auf die 2012 abgeschlossenen Vereinbarungen mit den sechs staatlichen Hochschulen. Die garantieren ihnen bis 2020 fest zugesagte Mittel, 2014 waren es 637 Millionen Euro. Obwohl die Steigerung mit 0,88 Prozent pro Jahr unter dem tatsächlichen Kostenanstieg liegt, sieht der Senat darin eine „zukunftsfähige und verlässliche Perspektive“. Mit anderen Worten: Mehr Geld gibt es nicht.