Bürgerschaft fordert vom Senat eine Studie zu Chancen und Risiken. Die Hamburger sollen das letzte Wort haben

Hamburg. Wie sich die Zeiten doch ändern. 2003 trugen sehr viele Hamburger, auch und vor allem Politiker, eine kleine, stilisierte Flamme am Revers. Das war ein Statement: Seht her, ich bin „Feuer und Flamme“ für Olympische Spiele in Hamburg. Der Senat um den damaligen Bürgermeister Ole von Beust (CDU) setzte bei dem Thema ganz bewusst auf Emotionen. Doch die Bewerbung mit den „Spielen am Wasser“ scheiterte bekanntermaßen trotz eines hochgelobten Konzepts, schon in der nationalen Auswahl erhielt Leipzig vor allem aus politischen Gründen den Vorzug vor Hamburg.

Ein gutes Jahrzehnt später wird in der Hansestadt nun erneut über eine Bewerbung nachgedacht. Doch im Gegensatz zu damals läuft die Debatte zumindest auf Regierungsseite nahezu emotionslos – und das sehr bewusst. „Lieber zur richtigen Zeit ein kühler Kopf als zu früh Feuer und Flamme“, gab SPD-Fraktionschef Andreas Dressel in der Bürgerschaftsdebatte am Mittwoch die Richtung vor.

Bevor das Parlament den Senat in einem gemeinsamen Antrag von SPD, CDU, Grünen und FDP – die Linkspartei ist gegen Spiele in Hamburg – aufforderte, eine „ergebnisoffene“ Studie zu einer Olympiabewerbung zu erstellen, warnten viele Redner vor übereilten Entscheidungen. Dressel: „Olympia darf nicht nach dem Prinzip Elbphilharmonie angegangen werden. Bei der Elbphilharmonie hieß es: erst entscheiden, dann prüfen, dann planen. Bei Olympia muss es jetzt umgekehrt sein.“

Einzig die CDU legte sich schon fest, dass Olympia gut für Hamburg wäre. „Das ist eine Jahrhundertchance für unsere Stadt“, sagte Fraktionschef Dietrich Wersich. Hamburg könne mit den Spielen seinen Ruf als Weltstadt zurückerlangen. „Barcelona profitiert seit mehr als 20 Jahren, und München, das Dorf am Rande der Alpen, wurde erst durch die Spiele 1972 zu einer Weltstadt“, sagte der Oppositionsführer.

Hamburgs Chancen seien vermutlich besser als 2003, denn der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) halte nur noch Hamburg und Berlin für geeignet, sich zu bewerben, so Wersich. Und an der Spitze des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) stehe mit Thomas Bach ein Deutscher.

Auch FDP-Fraktionschefin Katja Suding betonte die „großen Chancen und Potenziale“, die das Megasportereignis biete, und bekannte, dass ihre Partei eine Bewerbung befürworten würde. Dennoch berge der Vorstoß auch Risiken. Daher begrüßte sie, dass nun zunächst „vorurteilsfrei“ untersucht werde, ob und inwiefern die Stadt von den Spielen profitieren würde.

Deutlich kritischer zeigt sich Grünen-Fraktionschef Jens Kerstan: Olympische Spiele seien zwar ein „faszinierendes Ereignis“. Aber es gebe auch Städte, denen die Lasten der Spiele „wie ein Mühlstein um den Hals hängen“. Er erwarte daher „keine Jubelstudie“ vom Senat, sondern eine Untersuchung darüber, „was Olympische Spiele mit Hamburg machen“, zum Beispiel in Sachen Stadtentwicklung, Mieten, Infrastruktur und innere Sicherheit. Kerstan: „Die Gefahrengebiete in Hamburg waren gar nichts gegen das, was das IOC an Einschränkungen der Bürgerrechte verlangt.“ Diese und weitere Punkte sollen in der Studie untersucht werden.

Die Linkspartei überzeugte das dennoch nicht. „Die Studie ist unsinnig“, sagte Sportexperte Mehmet Yildiz. „In kürzester Zeit soll eine SPD-geführte Behörde einen riesigen Fragenkatalog übers Knie brechen. Mit Unabhängigkeit und Ergebnisoffenheit hat das nichts zu tun.“ Yildiz warnte zudem vor den enormen Kosten Olympischer Spiele: „London rechnete mit elf Milliarden Euro, am Ende betrugen die Gesamtkosten 36,6 Milliarden Euro. Ähnliches wird Hamburg erwarten.“

Einig waren sich die Abgeordneten, dass so ein Großprojekt nur nach Zustimmung der Bürger durchführbar ist. Die rechtlichen Möglichkeiten für so eine Volksbefragung müssen allerdings erst geschaffen werden, noch ist sie in der Verfassung nicht vorgesehen. Differenzen gibt es allerdings darüber, wann und unter welchen Vorzeichen das Volk befragt werden sollte. Während die CDU die Befragung noch 2014 durchführen will, halten SPD und vor allem Grüne selbst den Termin der Bürgerschaftswahl im Februar 2015 noch für zu früh. Sie wollen den Bürgern vor der Abstimmung zumindest Eckpunkte zu Konzept und Finanzierung präsentieren. Einen CDU-Vorschlag für eine Befragung lehnten sie aber auch ab, weil er nicht vorsah, dass Senat und Bürgerschaft an das Votum gebunden sind.

Der DOSB wolle Olympische Spiele in Deutschland nur „in einer Stadt, in der sie auch gewollt werden“, sagt Sportsenator Michael Neumann (SPD). Er sehe „ungeheure Chancen“, zuvor müssten aber „kritische Fragen“ beantwortet werden. Ähnlich wie der nicht anwesende Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) legte sich auch Neumann nicht fest, ob Hamburg sich bewerben sollte. Erfreut zeigte er sich aber, dass Hamburg und die Hauptstadt Berlin als „geborener Austragungsort“ jetzt überhaupt in einem Atemzug genant werden. Das sei auch ein Erfolg der eher leisen, aber beharrlichen Sportpolitik der vergangenen zehn Jahre. Daran halte er fest, sagte Neumann. „Ich verstehe unter hanseatisch mehr Sein als Schein, nicht auf dicke Hose machen.“

Ende 2014 will sich der DOSB festlegen, ob, mit welcher Stadt und für welche Spiele – 2024 oder 2028 – er sich bewirbt. Das IOC entscheidet 2017 über den Ausrichter der Spiele 2024.