Umweltverbände sehen ihre Position gestärkt. Hafenwirtschaft warnt: “Steigbügelhalter für Konkurrenz“. Gutachter von der Delft University of Technology sehe die Elbe schon jetzt in einem kritischen Zustand.

Hamburg. Im Rechtsstreit um die geplante Elbvertiefung sehen sich deutsche Umweltverbände durch eine neue Studie unterstützt, die von belgischen und niederländischen Behörden in Auftrag gegeben wurde. Der Gutachter, Professor Johan C. Winterwerp von der Delft University of Technology, sehe demnach die Elbe schon jetzt in einem kritischen Zustand, zitieren die Verbände aus dem Gutachten. Jede weitere Vertiefung oder Verengung berge die Gefahr, dass der Strom ökologisch umkippen könnte und in den Sommermonaten trübe, ohne Sauerstoff und quasi biologisch tot sein werde. "Dieses Risiko ist zu hoch", sagte am Montag Beatrice Claus vom WWF, der den Report gemeinsam mit Nabu und BUND in Hamburg vorstellte. Die Umweltverbände klagen zurzeit gegen den bereits erlassenen Planfeststellungsbeschluss zur Elbvertiefung, die besonders großen Schiffen den Zugang auf den Fluss erleichtern soll. Die Solltiefe der Fahrrinne wird den Plänen zufolge um etwa einen Meter tiefer gegraben. Die Verbände verweisen auf ökologische Folgen, die Hafenwirtschaft spricht von Jobsicherung. Das Bundesverwaltungsgericht Leipzig hatte vor einigen Monaten überraschend einen Baustopp verfügt und wird voraussichtlich Endes dieses Jahres eine Entscheidung verkünden. "Wir sehen uns jetzt durch die Studie bestätigt", sagte Hamburgs Nabu-Chef Alexander Porschke.

Die jetzt zitierte Studie sollte vor allem untersuchen, ob die Schelde in Belgien eine weitere Vertiefung ertragen könnte. Aus der von den Umweltverbänden übersetzten Kurzfassung lässt sich lesen, dass der Gutachter dort keine Gefahr sieht, sehr wohl aber für die Elbe. Dieses Ergebnis sei aber kein Gefälligkeitsgutachten, um Konkurrenzhäfen von Hamburg zu stärken, wies WWF-Mitarbeiterin Claus entsprechende Fragen ab. Zwischen Belgien und den Niederland gebe es da auch eine Konkurrenz, "und wir sind auch nur durch Zufall darauf gestoßen", versicherte sie.

Im Kern geht es bei der Studie um einen Vergleich der großen Tidengewässer Schelde, Elbe, Ems und Loire und die Folgen von Baumaßnahmen wie Vertiefungen oder Eindeichungen. Die Gutachter beschreiben, wie sich das Tidensystem dabei umdrehen kann, indem der Flutstrom stärker als der Ebbstrom wird. Die Spülwirkung verschlechtere sich, die Gewässer verschlickten und würden immer trüber. "Ein sich selbst verstärkender Effekt wie bei einem Schneeballsystem", so Claus. Bei der Ems sei das schon geschehen: Während an der Elbe der Schwebstoffanteil bei 50 Milligramm pro Liter liege, betrage der Wert in der Ems bereits 1000 Milligramm.

Claus: "Wir beklagen das Abholzen von Regenwäldern, aber haben selbst innerhalb von zehn Jahren einen großen Fluss kaputt gemacht." Im Sommer sei die Ems praktisch tot - eine Entwicklung, die laut Studie auch der Elbe nach einer weiteren Vertiefung drohe. Zumal schon jetzt der Flutstrom nach der letzten Vertiefung von 1999 stärker geworden sei und immer mehr Schlick aus der Elbe gebaggert werden müsse.

Tatsächlich haben sich die Baggermengen seit dem Jahr 2000 deutlich erhöht, weil durch den starken Flutstrom mehr Schwebteile zurück in den Hafen strömen als die Ebbe hinaus. "Tidal Pumping, heißt dieser Effekt. Warum das so ist - darüber geben die Behörden in Hamburg widersprüchliche Aussagen, wie die Umweltverbände am Montag belegen konnten. Einmal heißt es in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage: "Belege oder auch nur Hinweise" auf eine signifikante Zunahme des Tidal Pumping infolge der Vertiefung von 1999 gebe es nicht. In einem Fachpapier der Hamburger Port Authority heißt es dann aber, dass "neben Maßnahmen im Zusammenhang mit der Fahrrinnenanpassung" auch Veränderungen im Hafen von Bedeutung für den Anstieg der Baggermengen seien.

Die Hamburger Hafenwirtschaft zog die Qualität der niederländischen Studie unterdessen in Zweifel. Man warne davor, "sich völlig unreflektiert auf eine Studie zu berufen, die von unseren Wettbewerbsländern in Auftrag gegeben wurde", sagte Gunther Bonz, Präsident des Unternehmensverband Hafen Hamburg.

Die Umweltverbände liefen Gefahr, sich "zum Steigbügelhalter für die Interessen unserer Wettbewerbhäfen zu machen", so Bonz: "Es ist schon verwunderlich, dass diese Studie gerade jetzt - ein Jahr vor Inbetriebnahme der größten Terminalerweiterung des Rotterdamer Hafens - veröffentlicht wird."