Experte zweifelt an der guten Akustik in der Elbphilharmonie. Der Saal sei viel zu hoch. Das Risiko trägt die Stadt Hamburg.

Hamburg. Es ist nur ein einziger Satz, man überliest ihn schnell. Doch er berührt den wohl wichtigsten Punkt der Elbphilharmonie. Der Satz findet sich auf Seite zwei des Angebots von Hochtief an die Stadt vom 12. Dezember. Unter der Zwischenüberschrift "Haftungsübernahme" heißt es dort, der Baukonzern übernehme künftig die gesamte Haftung für das Gebäude, mit einer Ausnahme: "Von der Haftungsübernahme ausgeschlossen ist lediglich die Akustikplanung des Planers Nagata."

Nun ist dieser Punkt zwar noch "Gegenstand von Verhandlungen", so die Kulturbehörde. Aber nach derzeitigem Stand werden die Stadt und Hochtief bis Ende kommender Woche neue Verträge abschließen, wonach der Baukonzern garantiert, die Elbphilharmonie für 575 Millionen Euro - 200 Millionen mehr als bisher - bis Anfang 2017 fertigzustellen und auch alle Risiken beim Bau zu übernehmen. Aber ob der Große Saal dann auch "einer der zehn besten Konzertsäle der Welt" sein wird, wie es der ausdrückliche Wunsch der Stadt ist, mögen andere beurteilen.

Das Problem, das anlässlich der Neuordnung des Projekts jetzt erst richtig offensichtlich wird: Diese Haftung übernimmt auch sonst niemand, das Akustikrisiko liegt bei der Stadt. Um das zu verstehen, muss man sich die Grundkonstruktion anschauen: Die Stadt hat bislang einen Vertrag mit den Architekten Herzog & de Meuron - den Generalplanern - und einen Vertrag mit Hochtief - dem Generalunternehmer, der zu bauen hat, was die Planer planen. Die Architekten wiederum haben das japanische Büro Nagata Acoustics mit der Akustikplanung beauftragt. Dessen Star Yasuhisa Toyota hat bis 2008 seine Planung abgeschlossen und darüber einen Bericht vorgelegt. Für diese Leistung haftet er, antwortete der Senat auf eine Kleine Anfrage der Grünen.

Aber welche Leistung genau gefordert war, sagt der Senat nicht - sowohl der Vertrag mit den Architekten als auch deren Vertrag mit dem Subunternehmer Nagata als auch Toyotas Bericht sind noch geheim. Der Senat verweist auf "Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des planenden Akustikers". Dem sind offensichtlich aber keine konkreten Vorgaben gemacht worden, außer, dass er einen der weltbesten Konzertsäle zu planen habe. "Unverantwortlich und unglaublich unprofessionell" sei das, sagte Uwe M. Stephenson, Professor für Raumakustik an der HafenCity Universität, dem Abendblatt. "Die Stadt hat es versäumt, konkrete, zahlenmäßige Zielwerte zu definieren." (siehe Seite 1) Folglich könne sie später auch niemanden haftbar machen, wenn es dann doch nicht so klasse klinge.

An Toyotas Ruf als einem der weltbesten Akustiker zweifelt Stephenson nicht - wohl aber daran, ob so ein Experte aus der Elbphilharmonie einen wirklich guten Konzertsaal machen kann. Denn ob Wien, Boston oder Amsterdam - die weltbesten Säle seien alle "Schuhkartons". Nur in diesen viereckigen Räumen seien die Nachhallzeit, der Seitenschall und das Gefühl, von der Musik eingehüllt zu werden, optimal. Die Elbphilharmonie sei hingegen aus architektonisch-ästhetischen Gründen als "Weingarten" konzipiert worden - also mit einem zentralen Orchester.

"Ob ein solcher Saal prinzipiell zu den akustisch zehn weltbesten gehören kann - das bezweifeln ich und manche Kollegen von vornherein", hatte Stephenson 2010 an die Mitglieder des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses geschrieben. Dem Kulturausschuss der Bürgerschaft und dem NDR-Chefdirigenten Christoph von Dohnányi hatte er seine Bedenken auch schon mitgeteilt - ohne dass das Thema je ernsthaft debattiert worden wäre. Anlässlich der anstehenden Neuordnung fordert Stephenson nun erneut "im Interesse der Steuerzahler", dass die Stadt endlich einen Nachweis erbringen soll, wie die Weltklasse-Akustik erreicht werden soll und wer dafür haftet. Auch die Grünen haben das Thema nun aufgegriffen.

Letztlich geht es dabei um auch eine Menge Geld. So will Toyota den Großen Saal aus akustischen Gründen mit einer "Weißen Haut" aus Tausenden einzeln angefertigten Gipskartonplatten auskleiden - zum Preis von 15 Millionen Euro oder etwa 5000 Euro pro Quadratmeter. Solche Materialien seien auch für 100 Euro pro Quadratmeter zu bekommen, wundert sich Stephenson. Die Kulturbehörde hat dafür eine erstaunliche Erklärung: "Die Elbphilharmonie gilt baurechtlich als Hochhaus", heißt es. Und in dieser Höhe - die Spitze des Konzertsaals liegt rund 100 Meter hoch - sei eine einfache Holzverkleidung verboten. Aus Brandschutzgründen.