Das zweitgrößte Hamburger Neubauprojekt, die Hoffnung vieler Baugemeinschaften, verzögert sich noch weiter. Zweite Abschnitt ist bedroht.

Hamburg. Besser als mit einem Blick von oben lässt sich wohl kaum demonstrieren, warum das zweitgrößte Hamburger Neubauprojekt nach der HafenCity derzeit so viel Interesse und Hoffnungen weckt. Eine große, grüngraue Linse aus stillgelegten und noch genutzten Bahnanlagen ist dort zu sehen. Mitten im weiten Häusermeer ein riesiger Fleck, der sich Neue Mitte Altona nennt.

Am 20. Februar soll für den ersten Bauabschnitt nun das offizielle Genehmigungsverfahren starten, das Gewerbefläche in Bauland umwandeln wird - auf das viele setzen: Etliche private Baugemeinschaften beispielsweise hoffen dort auf bezahlbare Grundstücke, allein 13 sind in einem Verbund zusammengeschlossen, die in der Neuen Mitte einen autofreien Stadtteil verwirklichen möchten.

Mal sind die etwa 30 bis 40 Mitglieder starken Gruppen als Genossenschaften organisiert, mal als Eigentümergemeinschaften. Rund 80 solcher Baugemeinschaften sind derzeit in Hamburg auf Suche nach innerstädtischen Grundstücken wie in der Neuen Mitte, sagt Willi van Buggenum von der Lawaetz-Stiftung, die solche Gemeinschaften unterstützt.

Die von der evangelischen Stiftung Alsterdorf ins Leben gerufene Initiative "Eine Mitte für Alle" propagiert ebenfalls unermüdlich ihr Ziel für eine Neue Mitte, in der alle öffentlichen Zuwege, Plätze und Wege barrierefrei gebaut werden. Kleinteilige Grundstücke, Orientierung an den Bedürfnissen von Familien, behinderten und alten Menschen - das hat sie auf die große Wunschliste an diesen neu geplanten Stadtteil gesetzt, der eigentlich umgeben von begehrten Lagen mit explodierenden Mieten und Grundstückspreisen ist. Entsprechend groß sind die Erwartungen: "Hier hoffen wir, dass junge Familien nicht raus aus der Stadt ziehen müssen, weil die Preise zu hoch werden", sagt etwa Jan Münch, der Mitglied der Baugemeinschaft Blaue Blume ist, die sich nach einer Altonaer Kneipe benannt hat. Doch noch ist derzeit vieles offen. So ziehen sich die Verhandlungen zwischen Stadt und Investoren offensichtlich in die Länge. Dabei geht es um Kostenbeteiligung für die Erschließung, Flächen für eine Schule und den Park. Erst am Ende dürfte sich herausstellen, wie hoch der Grundstückspreis sein wird, den Baugemeinschaften oder Genossenschaften zahlen müssen. Maßgebliche Eigentümer und Projektentwickler sind das Hamburger Einkaufscenter- und Immobilienunternehmen ECE sowie die frühere Immobilientochter der Bahn, die Aurelis, die seit einigen Jahren dem Baukonzern Hochtief und einem Finanzunternehmen gehört. Ursprünglich sollten die Verhandlungen mit einem Vertrag aber Ende 2012 fertig sein, wie in einer schriftlichen Übereinkunft vom August 2012 zwischen Senat und ECE noch steht, die dem Abendblatt vorliegt.

"Wir sind noch mitten in finanziellen Detailverhandlungen, beispielsweise zur Erschließung", heißt es derzeit bei der ECE. Erst in etwa drei bis vier Monaten rechnet der stadtentwicklungspolitische Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion, Dirk Kienscherf, nun mit einem Abschluss dieser Verhandlungen.

Unabhängig davon bleibt aber die zentrale Frage zur Zukunft des Fernbahnhofs Altona: Die Bahn hatte 2008 die Idee öffentlich gemacht, ihn nach Diebsteich zu verlagern. Ein Vorhaben, das die Planungen für die Neue Mitte erst in Gang setzte. Bis 2010, so hatte man ursprünglich bei der Stadt gerechnet, gibt es dazu einen Beschluss des Bahn-Vorstands. Doch der ließ auf sich warten, zuletzt überraschte die Bahn damit, dass Gutachter jetzt erst prüfen müssen, wie teuer eine Verlegung sein könnte und ob man nicht besser die maroden Fernbahnanlagen sanieren solle. Erst Ende dieses Jahres soll ein Ergebnis vorliegen, heißt es nun.

In der Altonaer Bezirkspolitik macht sich daher Ernüchterung breit. Politiker reden in der Bezirksversammlung bereits über Alternativen, über Trichterlösungen und Ähnliches, um den dann verbleibenden Rest der Mitte vor Bahnlärm zu schützen. Sollte nämlich der Bahnhof nicht verlagert werden, wird die Neue Mitte zur kleinen Mitte, wo nur der erste Abschnitt mit 1600 Wohnungen gebaut werden kann, statt der insgesamt 3500 geplanten. "Wenn der Bahnhof nicht verlegt wird, sind die jetzigen Planungen suboptimal", warnt der FDP-Bürgerschaftsabgeordnete und Bauexperte Kurt Duwe.

Und auch der parteilose Bezirksamtsleiter von Altona, Jürgen Warmke-Rose, warnt vor einer Verzögerung durch die Bahn. Ohne rasche Verlegung des maroden Gleis-Viadukts, das mitten durch diese Neue Mitte verläuft, müssten die Gebäude im ersten Bauabschnitt mit massivem Lärmschutz geplant werden. Und das macht das Bauen deutlich teurer. Fraglich, ob sich dann noch die Hoffnungen von Baugemeinschaften realisieren lassen.

Bei den etablierten Baugenossenschaften ist man offensichtlich ebenfalls skeptisch geworden. Längst schon gibt es Verhandlungen mit den Investoren. Doch Details tröpfeln nur spärlich, weil sich Bauwillige schriftlich zur Verschwiegenheit über Verhandlungsdetails verpflichten müssen.

"Das sind schon juristisch sehr ausgefeilte Formulierungen", so ein Genossenschaftsvorstand, der sich aber wieder davon verabschiedet hat, dort zu bauen. Wegen des "Lärmthemas" sei das derzeit nicht mehr so interessant.