Der Elfjährige galt vier Wochen als vermisst. Nun wird er untersucht. Wie der Junge aus dem Zirkus floh wird nun ermittelt.

Billstedt. Der vor mehr als vier Wochen aus einem Wanderzirkus geflüchtete Jeremie ist zurück in der Obhut des Jugendamtes. Am Mittwoch brachten Familienangehörige den Elfjährigen auf die kinder- und jugendpsychiatrische Station eines Hamburger Krankenhauses. Ärzte und Behördenmitarbeiter haben erste Gespräche mit dem Jungen geführt. In der Klinik soll er zunächst eingehend untersucht werden, bevor entschieden wird, wie seine Zukunft aussieht. Das Sorgerecht für den Billstedter Jungen, der seit zwei Jahren in einer Zirkusfamilie lebte, liegt beim Jugendamt Mitte. Angehörige der leiblichen Eltern stehen im Verdacht, Jeremie aus dem Zirkus abgeholt, nach Hamburg gebracht und versteckt zu haben.

Bezirksamtsleiter Andy Grote zeigte sich am Mittwoch "froh und erleichtert, dass Jeremie wieder in behördlicher Obhut ist". Der Erleichterung war allerdings ein wochenlanges Tauziehen vorausgegangen: Zunächst schien es, als habe Jeremie den Mercedes-Transporter seiner Betreuungsfamilie im Zirkus-Winterlager auf eigene Faust gekapert, um 100 Kilometer nach Hamburg zu fahren. In der Straße, in der er aufwuchs und in der seine Großeltern leben, war der Wagen wiedergefunden worden. Nach und nach erhärtete sich der Verdacht, der Junge könnte bei seiner Flucht Helfer gehabt haben. Nachdem Bilder auftauchten, die Jeremie im Zirkus beim Feuerschlucken zeigen, erhoben Erziehungsexperten Vorwürfe gegen die Betreiber. Die Familie hat selbst sieben Kinder und wurde vom Träger ausgewählt, damit Jeremie dort ein verantwortungsbewusstes Leben lerne.

Jeremie wurde bereits im Alter von neun Jahren als unbeschulbar eingestuft. Weil sich in Hamburg kein Jugendhilfe-Anbieter fand, der ihn aufnehmen wollte, beauftragte das Jugendamt Mitte einen Träger in Nordrhein-Westfalen. Nach der Flucht des Jungen hatte die Polizei in Ludwigslust nach ihm gesucht, später bearbeitete die Polizei Rostock den Fall als Kindesentziehung. Am Mittwoch wurde der Fall nach Hamburg abgegeben. Ob sich der Verdacht gegen Großeltern und Familie erhärtet, ist aber noch nicht abzusehen. Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers: "Wir müssen nun abklären, wo sich der Junge zu welchem Zeitpunkt mit wem an welchem Ort aufgehalten hat."

Die kinder- und jugendpolitische Sprecherin der Grünen, Christiane Blömeke sagt: "Es ist eine gute Nachricht, dass Jeremie wieder da ist. Wichtig ist nun, dass Jeremie, seine Familie und die Behörden die weitere Zukunft in Hamburg in Ruhe und ohne das Licht der Öffentlichkeit planen können." Ihr CDU-Kollege Christoph de Vries ergänzt: "Die ganze Stadt ist erleichtert, dass Jeremie wieder aufgetaucht ist." Der Fall müsse aber intensiv aufgearbeitet, die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.