Finanzexperte Professor Norbert Dieckmann sieht noch große Gefahren in der HSH Nordbank und wirbt für eine Zusammenarbeit mit der Nord LB.

Hamburg. Norbert Dieckmann, Professor an der privaten Wirtschaftshochschule EBC an der Esplanade, hat gerade sein Buch "Die Entwicklung der deutschen Landesbanken" veröffentlicht. Darin widmet er einen Schwerpunkt der kriselnden HSH Nordbank.

Hamburger Abendblatt: Der Aufsichtsrat der HSH Nordbank will am Mittwoch die Trennung von Vorstandschef Paul Lerbinger beschließen. Über die Gründe schweigt die Bank. Welche Hintergründe kennen oder vermuten Sie?
Norbert Dieckmann: Ich würde bei den sehr restriktiven EU-Auflagen für die HSH Nordbank ansetzen. Fakt ist, dass die EU-Kommission der HSH auferlegt hat, wichtige Geschäftsfelder wie die Schiffsfinanzierung zu reduzieren oder sich von ihnen ganz zu trennen wie von der Flugzeugfinanzierung. Daher befindet sich die Bank in einer schwierigen Umstrukturierungsphase, und zusammen mit dem schlechten Marktumfeld hat dies zu einer schwierigen Ergebnissituation geführt. Und offensichtlich sind die Vorstellungen über die weitere Vorgehensweise zwischen dem Vorstandschef Lerbinger und dem Aufsichtsratschef Hilmar Kopper nicht mehr deckungsgleich.

Die Bank wechselt zum dritten Mal innerhalb weniger Jahre in einer Krise den Chef. Auf Hans Berger folgte Ende 2008 Dirk Jens Nonnenmacher, dann kam Anfang 2011 Lerbinger, und nun folgt Constantin von Oesterreich. Was soll das bringen?
Dieckmann: Da gilt wohl das Motto ,Neue Besen kehren gut'. Möglicherweise steckt hinter dem Wechsel die Hoffnung, dass Fortschritte in der ohnehin schwierigen Neuausrichtung der HSH Nordbank schneller möglich sind.

Der Hamburger Senat und die Regierung in Schleswig-Holstein beteuern, über den Schritt von Aufsichtsratschef Kopper nur informiert, nicht aber beteiligt worden zu sein. Ist das aus Sicht der größten Anteilseigner hinnehmbar?
Dieckmann: Die HSH Nordbank ist eine Aktiengesellschaft. Und da obliegt es dem Aufsichtsrat, solche Personalentscheidungen zu treffen. Das Aktiengesetz beschränkt bewusst die Einflussnahme der einzelnen Eigentümer. Einerseits waren die Länder stolz, dass sie mit Hilmar Kopper einen bekannten Banker als Aufsichtsratschef haben und keinen Politiker mehr wie früher. Dann können sie sich natürlich nicht andererseits beschweren, wenn er von der Verantwortung Gebrauch macht, die ihm das Aktiengesetz zugesteht.

Ein Ex-Deutsche-Bank-Chef wie Kopper interpretiert diese Rolle natürlich sehr selbstbewusst. Ist er in dieser heiklen Situation der richtige Oberkontrolleur?
Dieckmann: Ich persönlich schätze Herrn Kopper als Mensch und Fachmann. Dass er bereit war, den Aufsichtsratsvorsitz zu übernehmen, ist für die HSH ein großer Gewinn gewesen.

Anlass für die aktuellen Probleme der Bank ist vor allem die Krise der Schifffahrt. Die HSH hat immer noch 30 Milliarden Euro an Schiffskrediten in den Büchern. Wie groß sind die Risiken für die Bank und ihre Eigentümer?Dieckmann: Ich sehe es etwas anders. Die EU hat mit ihrer Auflage, das Schifffahrtsgeschäft drastisch einzuschränken, der HSH Wettbewerbsfähigkeit genommen, weil man in dem Segment eine kritische Masse braucht, um profitabel arbeiten zu können.

Aber von den Krediten ist ein ganzer Teil unsicher, Zins und Tilgung können nicht mehr bedient werden.
Dieckmann: Das ist fraglos so. Aber die Frage ist doch, wie die Zukunft der Schifffahrt aussieht. Die HSH hat dort enormes Know-how, und dieses Know-how wird irgendwann, wenn sich die Märkte erholen, wieder gefragt sein. Daher hatten ja auch chinesische Banken Interesse an der HSH gezeigt - sie wollten an dieses Know-how kommen.

Grundsätzlich will die HSH die "Bank für Unternehmer" werden, vor allem in Norddeutschland. Halten Sie das für ein tragfähiges Geschäftsmodell?
Dieckmann: Man muss sich die Wettbewerbssituation anschauen. Wir haben in Hannover die Nord LB, die in diesem Bereich meines Erachtens schon viel länger gut positioniert ist. Daher dürfte es für die HSH Nordbank schwierig werden, in Norddeutschland viele Neukunden zu akquirieren.

Gibt es vielleicht einzelne Regionen im Norden, in die die HSH "stoßen" könnte?
Dieckmann: Ich sehe da keine weißen Flecken auf der Landkarte.

Wäre eine Zusammenarbeit oder gar Fusion der HSH mit der Nord LB sinnvoll?
Dieckmann: Auch wenn das noch Zukunftsmusik ist: Ich könnte mir eine Zusammenarbeit sehr gut vorstellen. Vor allem, weil die Nord LB als anerkannte Sparkassen-Zentralbank schon vergleichsweise viele Sparkassen als Kunden hat. Ich habe zwar Zweifel, dass die Träger der Nord LB, die nie öffentliche Hilfen brauchte, einer Fusion auf Augenhöhe zustimmen würden. Grundsätzlich glaube ich aber, dass wir in Deutschland nur zwei, maximal drei Landesbanken brauchen.

Für den Norden also nur eine?
Dieckmann: Genau! 1990 gab es schon mal einen Prüfauftrag für eine "Norddeutsche Küstenbank". Leider hat Niedersachsen das damals verworfen.

Hamburg und Schleswig-Holstein stellen noch sieben Milliarden Euro Garantien für die HSH. Offiziell liegt die Wahrscheinlichkeit einer Inanspruchnahme bei 41Prozent. Wie hoch sehen Sie sie?
Dieckmann: Und wenn die Wahrscheinlichkeit, vom Blitz getroffen zu werden, auch nur ein Prozent ist: Wenn er mich trifft, ist es eine Katastrophe. Bei der HSH haben wir es mit Altgeschäften aus einer Zeit zu tun, als man bereit war, große Risiken einzugehen. Ich habe daher meine Zweifel, dass es dabei bleibt, dass die Unterstützung der Bank seitens der Länder noch in keiner Weise die Haushalte belastet hat.

Falls es ans Geld der Länder geht: Mit welchen Summen rechnen Sie dann?
Dieckmann: Im Worst Case dürfte ein Milliardenbetrag schnell zusammenkommen.