Sanierungsstau bei öffentlichen Bildungseinrichtungen. Zentralstelle weit hinter ihren Zielen zurückgeblieben.

Wenn Schulsenator Ties Rabe (SPD) über den öffentlichen Schulbau und den Sanierungsstau in den maroden Unterrichtsgebäuden spricht, dann rutscht ihm in der Regel die Formel von der "großen Herausforderung" heraus, die er wahlweise auch manchmal "gewaltig" nennt. So war es auch am Dienstag dieser Woche, als Rabe ansonsten im Grunde erfreuliche Zahlen zum Anfang des Schuljahres im Rathaus präsentierte: mehr Schüler, mehr Lehrer, kleinere Klassen und mehr Ganztagsschulen.

Doch die Freude war getrübt, weil gleichzeitig bekannt geworden war, dass die Zentralstelle zur Ankurbelung des Schulbaus - Schulbau Hamburg (SBH) - weit hinter ihren Zielen zurückgeblieben war. Im vergangenen Jahr sind nur 61,9 Millionen Euro zur Sanierung von Schulgebäuden "verbaut" worden, obwohl die Bürgerschaft 96,7 Millionen Euro bewilligt hatte. Rund 35 Millionen Euro einfach liegen zu lassen angesichts eines grob taxierten Sanierungsstaus in Höhe von drei Milliarden Euro, ist kein Ausweis guten Regierens, um das es Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) bekanntlich geht.

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Aber es liegt wohl weniger am politischen Willen als an dessen ineffizienter Umsetzung. Fairerweise muss hinzugefügt werden, dass es sich beim Schulbau um ein mit dem Regierungswechsel ererbtes Problem handelt. Der damalige schwarz-grüne Senat hatte 2010 alle mit dem Neubau und der Sanierung von Schulen beschäftigten Dienststellen der Schulbehörde und der Bezirke unter dem Dach von Schulbau Hamburg zusammengefasst. Die Hoffnung: Der Schulbau sollte endlich schneller, effizienter und möglichst auch kostengünstiger werden.

Wer heute einen Blick hinter die Kulissen dieses städtischen Unternehmens wirft, der kann leicht den Eindruck gewinnen, dass Ausbau, Instandhaltung und Modernisierung der Schulen nicht nur eine gewaltige Herausforderung sind, wie Rabe gern betont, sondern dass diese Anstrengung auch gewaltig scheitern kann.

Knapp 300 Frauen und Männer arbeiten in der Dienststelle an der Stadthausbrücke. Wahrlich kein leichter Job: Die Bauplaner müssen mit den Wechselfällen der Schulpolitik klarkommen - und die gibt es reichlich. Eben noch sollten sie die vierzügigen Grundschulen in sechszügige Primarschulen umbauen, bis der Volksentscheid alle Pläne zu Makulatur werden ließ. Jetzt gibt es einen neuen Schulentwicklungsplan, und der SPD-geführte Senat treibt den Ausbau von Ganztagsschulen massiv voran. Plötzlich müssen erheblich mehr Kantinen und Essensräume gebaut werden. Von den 45 Ganztagsgrundschulen, die in diesem Jahr an den Start gehen, haben nur 25 eine fertige Kücheneinheit. Insider bezweifeln, dass es Schulbau Hamburg gelingen wird, bis zum Beginn des Schuljahrs 2013/14, wie eigentlich vorgesehen, insgesamt 70 Kantinen fertigzustellen.

Unter den Mitarbeitern von Schulbau Hamburg rumort es - aber nicht wegen der Zumutungen der Politik. Die Beschäftigten der Abteilung Baumanagement, die für Projektsteuerung und Bauleitung zuständig sind, haben an ihre Chefs einen dreiseitigen "Hilferuf" geschickt, der dem Abendblatt vorliegt. Die Ingenieure und Techniker beklagen unter anderem den ausufernden Bürokratismus, die mangelnde interne Abstimmung und fehlende Standardisierung. "Beobachtet haben wir, dass die Abwicklung und Durchführung von Baumaßnahmen im Arbeitsalltag auf Hindernisse und Hürden stößt, die nicht projektbedingt sind", heißt es in dem Papier. "Ständig müssen wir neue und alte Listen ausfüllen bzw. diese kontrollieren", heißt es. Besonderen Ärger ruft die Software CAFM hervor, die bei Schulbau Hamburg eingesetzt wird. "CAFM läuft noch immer fehlerhaft. Die Vergabevorlagen sind noch immer unvollständig", schreiben die Mitarbeiter. Der sogenannte Rechnungslauf - also die Zeit zwischen Eingang und Bezahlung einer Handwerkerrechnung - dauere "durchschnittlich 27 Tage". Ein so langer Zeitraum gilt als inakzeptabel. "Wegen ausstehender Rechnungen stellen die Firmen bereits Lieferungen und Leistungen ein." Und: "Gewerke beteiligen sich nicht mehr an Vergabeverfahren aufgrund der chaotischen Abläufe bei Schulbau Hamburg." Die Außenwirkung der "mangelnden inneren Struktur ist verheerend".

Immerhin: Der SPD-geführte Senat hat den bisherigen SBH-Geschäftsführer geschasst, eine neue Organisationsstruktur geschaffen und zwei Manager des städtischen Bauunternehmens GWG Gewerbe als Geschäftsführer geholt. Aus dem noch vertraulichen SBH-Wirtschaftsplan ergibt sich aber auch, dass das Unternehmen weiterhin mit einem politisch vorgegebenen Defizit arbeiten muss: Für 2013 ist ein Minus von 55,3 Millionen, für 2014 von 54,4 Millionen Euro vorgesehen.

Der wesentliche Grund: Der Senat überweist SBH rund 86 Millionen Euro Miete weniger für die Schulgebäude als noch von Schwarz-Grün zugesagt. Statt 281 Millionen sind es zum Beispiel für 2013 nur 237 Millionen Euro. "Die Grundmiete wurde für die Jahre 2013/14 reduziert und somit an die von der Schulbehörde veranschlagten Miete angepasst", heißt es in den Erläuterungen zum Wirtschaftsplan lapidar. Bei Gründung von SBH wurden dem Unternehmen die Schulen als Eigentum übertragen. Die Behörde zahlt eine Miete zur Refinanzierung der Bau- und Sanierungsleistungen. Bemerkenswert ist, dass hier der Mieter die Miethöhe bestimmt. Für den Schulsenator hat das den angenehmen Effekt, dass er seinen angespannten Haushalt so entlastet.

Kaum begreiflich ist auch, dass Schulbau Hamburg selbst zwei Jahre nach der Gründung noch kein exaktes Kataster aller Schulgebäudeflächen einschließlich des Sanierungsbedarfs hat. Nach Informationen des Abendblatts hatte der frühere Geschäftsführer vorgeschlagen, diese Zustandserhebung extern zu vergeben, war jedoch am Widerstand von Senatskanzlei-Staatsrat Christoph Krupp gescheitert. Jetzt soll Schulbau Hamburg mit Bordmitteln das Kataster erstellen, was nach Einschätzung von Experten dort nicht ansatzweise geleistet werden kann.

Olaf Scholz hatte in seiner ersten Regierungserklärung mutig angekündigt, "ein professionelles Bau- und Gebäudemanagement zu etablieren" - gerade für Schulen und Hochschulen. Scholz wollte ausdrücklich "keinen Bürokratiemoloch". Mit Blick auf SBH scheint festzustehen, dass das mindestens noch ein längerer Weg sein wird.