Eine Bundesratsinitiative soll Bürgern Klagen gegen Filmaufnahmen von Street View ermöglichen. Daran könnte das Projekt sogar scheitern.

Hamburg. Man muss sich nur ein Hochhaus bei Nacht anschauen: In einigen Fenstern scheint helles Licht, andere sind mit Vorhängen verhüllt. Die Bedürfnisse der Menschen sind unterschiedlich, das gilt auch für ihren Umgang mit persönlichen Daten im Internet. Sollte aber der Gesetzentwurf des Hamburger Senats gegen die Kameras von Google in Kraft treten, würden künftig die Bedenken eines einzigen Mieters reichen, damit das ganze Hochhaus auf dem virtuellen Stadtplan von Street View ein dunkler Fleck bleibt. Der Internetkonzern müsste die Bilder unkenntlich machen, weil ihm sonst eine Geldbuße bis zu 50 000 Euro droht.

Till Steffen (GAL), Hamburgs Justizsenator, will allen Personen oder Mietern, die von Google oder anderen Unternehmen gefilmt wurden, ein Widerspruchsrecht garantieren. Die Rechte des Individuums seien maßgeblich, so der Senator. Sein Gesetzentwurf, über den der Bundesrat bereits am 7. Mai berät, sieht weitere Daumenschrauben für den Konzern vor, der sich bisher freiwillig zum Datenschutz verpflichtet hatte und bisher etwa Gesichter oder Kfz-Kennzeichen unkenntlich macht. Doch Senator Steffen misstraut dem Konzern - auch weil kürzlich bekannt wurde, dass Google die Daten privater W-LAN-Netzwerke sammelt, dies aber zunächst nicht mitteilte. Google, das seine deutsche Zentrale in der Hamburger City unterhält, soll laut Gesetzentwurf künftig einen Monat vor Filmaufnahmen die zuständigen Datenschützer informieren. Das Rohmaterial soll zudem nach einem Monat gelöscht werden.

Tritt das Gesetz in Kraft, könnte nach Ansicht des Hamburger IT-Fachanwalts Guido Flick das Projekt Street View in einer Klagewelle zugrunde gehen. "Es wäre nicht das erste Mal, das neue Technologien am Datenschutz scheitern", sage Anwalt Flick dem Abendblatt. Problematisch sei an dem Konzept von Street View, dass anonyme Daten mit geringem Aufwand kombiniert und damit personalisiert werden könnten. "Vergleicht man im Internet die Adresse mit einer Abbildung des Wohnhauses, könnte auf die soziale Situation der jeweiligen Person geschlossen werden", so Flick. So gebe es bereits Rating-Agenturen für Online-Versandhäuser, die empfehlen, an welche Adressen nur nach Vorkasse, keinesfalls auf Rechnung, geliefert werden solle.

Dennoch: Insgesamt scheint dem IT-Rechtsexperten das Gesetz des Senats zu eng gefasst. "Es zeugt auch von Ratlosigkeit der Politik bei dem Thema, wenn ein derart spezielles Gesetz entworfen wird", sagt Flick. "Wir brauchen klare Bestimmungen, die den Datenschutz im Internet viel grundsätzlicher regeln." Dafür müsse die Rechtsprechung bestehende Gesetze aber treffender auslegen.

Senator Steffen räumt ein, dass er unter Zeitdruck handelt. Eigentlich habe er auf den angekündigten Entwurf der Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) warten wollen. "Wir haben dann gesehen, der See ruht still. Da tut sich einfach gar nichts", sagte der GAL-Politiker. Schließlich solle das Projekt Google Street View bald ans Netz gehen.

Tatsächlich ist Steffens Gesetzentwurf detailverliebt: So soll das Filmen über Hecken und Zäune hinweg verboten werden, sofern diese nicht auch von einem Fußgänger problemlos überblickt werden können. Schließlich könne Street View auch Einbrechern nützen, sagte Steffen. "Es erleichtert die Planung derartiger Straftaten erheblich, wenn man sich im Detail das Gebäude ansehen und planen kann, wie man eine Fassade erklimmen kann."

Google selbst reagierte betont gelassen auf die Hamburger Initiative: "Street View ist ein rechtmäßiger Dienst", sagte Sprecherin Lena Wagner dem Abendblatt. "Nach erfolgreicher Einigung mit den deutschen Datenschutzbehörden bezüglich der Einführung von Street View in Deutschland haben wir darüber hinaus zum Schutz der Privatsphäre verschiedene Maßnahmen vereinbart." So würden Gesichter "automatisch" unkenntlich gemacht, wie auch Kfz-Kennzeichen. "Speziell für Deutschland" entwickele Google zudem eine "Technologie für diejenigen, die Bilder von ihren Häusern bereits vor dem Start des Dienstes entfernen lassen wollen". Zudem erfreue sich Street View bereits in 19 Ländern großer Beliebtheit.