Die Handelskammer in Hamburg läuft Sturm gegen die Pläne, die SPD spricht von “Schmierentheater“ und der Campus reagiert skeptisch.

Hamburg. Jedenfalls ein Widerspruch wird sich nun auflösen müssen. Seit bald zwei Jahren ist die Uni Hamburg gleichzeitig Hauptthema und schweigendes Objekt einer Debatte, in der sonst alle mitreden. Seit Dienstag scheint klar zu sein, dass der Senat an einem Teilumzug des Campus auf den Kleinen Grasbrook festhält. Und zwar nicht nur der naturwissenschaftlichen Fakultät (MIN), sondern auch der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (WiSo), die mit 10 000 Studierenden zweitgrößte Fakultät ist (wir berichteten). Nun muss die Hochschule eine gemeinsame Stimme finden. "Was das Beste für unsere Universität ist, möchte ich auf jeden Fall in unseren Gremien diskutieren", sagte Präsident Dieter Lenzen: "Ich erwarte, dass wir in den Entscheidungsprozess des Senates mit einbezogen werden, sobald konkrete Planungsoptionen auf dem Tisch liegen."

Wie verbindlich Wissenschaftssenatorin Herlind Gundelach (CDU) die Meinung der Uni aufnehmen wird, ist jedoch ungewiss. Schon im Ausschuss hatten sich Experten kritisch über den Kleinen Grasbrook geäußert, etwa der Stadtsoziologe Jürgen Friedrichs: Er glaubt, dass ein "künstliches Gebilde" von den Studierenden nicht angenommen werde. Senatorin Gundelach bewertete die Anhörungen dennoch positiv: Mehrere Standorte seien "leistbar", solange diese gut angebunden seien, so Gundelach. Es klang stoisch.

Von einem "Schmierentheater" sprach SPD-Hochschulexpertin Dorothee Stapelfeldt: "Es ist eine Brüskierung von Öffentlichkeit, Uni und Parlament, dass die Senatorin im Hinterzimmer mit Bürgermeister und Stadtentwicklungssenatorin eine politische Entscheidung trifft und anschließend den Wissenschaftsausschuss in die Irre führt." Linke-Fraktionschefin Dora Heyenn sagte, es bleibe nur "die Karikatur einer Anhörung".

Die offizielle Entscheidung soll bis Juni gefällt werden. Als Baufläche auf dem Grasbrook käme das Überseezentrum infrage, das 2012 frei wird, während die restlichen vom Hafen genutzten Flächen noch mehr als zehn Jahre lang verplant sind. Wenn nun auch die Wirtschafts- und Sozialwissenschaften verlagert werden, erscheint dieses Areal jedoch als zu klein. Industrieverband und Hafenwirtschaft reagierten bereits ablehnend. Handelskammer-Geschäftsführer Hans-Jörg Schmidt-Trenz sagte, weitere Platzansprüche würden "die Axt an den Wirtschaftsstandort anlegen". Außerdem: Laut Berechnungen der Handelskammer kosten in dem Hochwassergebiet allein die nötigen Tiefbauten eine Milliarde Euro. "Angesichts der Finanzlage scheint es bedenklich, dieses Geld zu versenken, während für dringend benötigte Uni-Hochbauten dann kein Geld mehr da ist", so Schmidt-Trenz.

Zumal Konzepte der Behörde auch Wohnquartiere im Umfeld vorsehen. Stichwort: "Sprung über die Elbe". Die Debatte drehe sich nicht um die Bedürfnisse der Uni, sagt AStA-Vorsitzender Séverin Pabsch. Und auch der Hochschulrats-Chef Albrecht Wagner sagte kürzlich: "Die aktuelle Diskussion ist zu sehr eine städtebauliche und bringt die Universität nicht weiter."

Pikant: Nach Ansicht von Präsident Lenzen bräuchten gerade die Sozialwissenschaften ein "urbanes Umfeld", wie es der gegenwärtige Campus biete. Aufgeschlossen zeigte sich Lenzen hingegen für einen naturwissenschaftlichen Forschungscampus: "Für Experimente, die im Stadtgebiet nicht möglich sind."

Vielleicht hat Senatorin Gundelach auch deshalb die Sozialwissenschaften für einen Teilumzug auserkoren. Allein mit der MIN-Fakultät wäre ein Fachbereich auf die Reise geschickt, von dem große Teile gar nicht umziehen können - das Desy-Zentrum in Bahrenfeld, die Zoologie in Klein Flottbek, die Sternwarte in Bergedorf. Hinzu kommen Großrechner und einbetonierte Messgeräte, deren Betrieb im Hafengebiet als fraglich gilt.