Der Politiker Frank Schira will die CDU zur Partei der kleinen Leute machen und sieht sich nicht als Kronprinzen des Bürgermeisters.

Hamburg. Hamburger Abendblatt: Herr Schira, wann werden Sie Bürgermeister?

Frank Schira: Darüber mache ich mir keine Gedanken. Ich bin gerne Fraktionsvorsitzender. Wir wünschen uns allen in der Partei, dass Ole von Beust 2012 wieder kandidiert und noch lange Bürgermeister bleibt.

Abendblatt: Der Bürgermeister hat aber angekündigt, nicht ewig im Amt bleiben zu wollen. Seit Michael Freytag als Finanzsenator mit der HSH Nordbank und dem Hauhaltsloch kämpft, gelten nur noch Sie als Kronprinz.

Schira: Ewig ist nichts auf dieser Welt, insbesondere in der Politik. Kronprinzen-Geschichten halte ich aber für Relikte aus vordemokratischen Zeiten.

Abendblatt: Wann müsste feststehen, ob von Beust 2012 noch einmal antritt?

Schira: Der Bürgermeister würde mit uns zuerst vertraulich sprechen, wenn er meint, der Zeitpunkt sei gekommen.

Abendblatt: Sie selbst äußern sich höchst selten zu Sachthemen und greifen nur ein, wenn es brennt. Talent für den präsidialen Stil eines Bürgermeisters besitzen Sie offensichtlich.

Schira: Ich halte viel von einem kollegialen Führungsstil. Auf den Tisch zu hauen, ist meine Sache nicht - es sei denn, es ist absolut erforderlich für die Koalitionsdisziplin.

Abendblatt: Als die Wissenschaftssenatorin mit ihren Umzugsplänen vorpreschte, war das so ein Fall, in dem Sie einschreiten mussten?

Schira: Ich wollte lediglich deutlich machen, dass es einen Zeitplan für die Entscheidung gibt, an den wir uns halten sollten.

Abendblatt: Wie sehen Sie die Zukunft der Universität?

Schira: Die Standortfrage ist sehr wichtig für die kommenden Jahrzehnte. Für jeden Ort gibt es in der Stadt ein Für und Wider, zwischen diesen Positionen müssen wir Brücken bauen. Ich könnte mir vorstellen, dass es zu Kompromissen kommt.

Abendblatt: Also ein teilweiser Umzug an die Elbe?

Schira: Das würde in die Bandbreite eines Kompromisses fallen. Entschieden wird im März.

Abendblatt: Die CDU hat laut Abendblatt-Umfrage deutlich Wählerstimmen verloren, auch wegen der Schulreform.

Schira: Es schmerzt mich immer, wenn die CDU in Umfragen verliert. Es ist aber eine Momentaufnahme, die Legislaturperiode ist nicht mal zur Hälfte vorbei. Wir werden weiterhin die Chance haben, unsere Politik deutlich zu machen - was sich dann auch in Umfragen niederschlagen wird.

Abendblatt: Wie stehen Sie persönlich zur Schulreform?

Schira: Ich glaube schon, dass Reformen nötig sind. Im Hintergrund ist aber immer die Akzeptanz in der Stadt zu beachten.

Abendblatt: Vor allem die Abschaffung des Elternwahlrechts hat keine Akzeptanz. Bleibt es?

Schira: Ich persönlich halte das Elternwahlrecht für ein hohes Gut, das den Eltern die Möglichkeit gibt, maßgeblich über die Entwicklung ihres Kindes mit zu entscheiden. Das wird einer der Punkte sein, über die wir sprechen werden. Dabei müssen beide Seiten kompromissbereit sein.

Abendblatt: Sechs Jahre gemeinsames Lernen ist ja schon ein Kompromiss zwischen CDU und GAL. Wie soll es noch einen mit der Volksinitiative geben, die die Primarschule ganz ablehnt?

Schira: Wir diskutieren das intern. Und es wäre fahrlässig, unserem Moderator Michael Otto jetzt inhaltlich vorzugreifen.

Abendblatt: Sie selbst haben auf dem zweiten Bildungsweg Abitur gemacht. Beeinflusst das Ihre Einstellung zur Schulpolitik?

Schira: Ja, sehr. Ich stamme aus bescheidenen Verhältnissen. Und als nach vier Jahren katholischer Grundschule die Frage anstand, ob ich aufs Ansgar-Gymnasium oder auf die katholische Realschule komme, haben meine Eltern zu meinem Leidwesen gesagt: Gymnasium wäre wohl noch nicht das Richtige, der Junge ist noch zu verspielt, um mit Latein vollgestopft zu werden. Bevor er Sechsen bekommt, geht er lieber auf die Realschule.

Abendblatt: Und das ist Ihnen gut bekommen?

Schira: Ja, ich hatte dadurch keine negativen Schulerlebnisse. Nach zwei Jahren habe ich etliche Freunde wieder begrüßen können, die zunächst aufs Gymnasium kamen, dann aber zurück auf die Realschule mussten. Das blieb mir erspart. Stattdessen konnte ich mich weiterentwickeln, hatte ganz gute Noten und habe später am Wirtschaftsgymnasium Abitur gemacht.

Abendblatt: Hat Ihre Biografie Sie vom längeren gemeinsamen Lernen überzeugt?

Schira: Ja, unterm Strich bin ich für das längere gemeinsame Lernen. Viele junge Schüler sind noch nicht so weit, die brauchen erst ein Aha-Erlebnis, um zu erkennen, wie sie mit den Anforderungen zurechtkommen können.

Abendblatt: Was war Ihr Aha-Erlebnis?

Schira: Das war in der 7./8. Klasse, als ich mich angestrengt habe und merkte, dass meine Zensuren eindeutig besser wurden. Das lag auch an einer Englischlehrerin, die sich sehr für mich engagiert hat. Bei allen Reform- und Strukturdebatten kommt es doch am meisten darauf an, wie intensiv Lehrer ihre Schüler betreuen. Wenn man sich um sie kümmert und die Kinder positive Erlebnisse haben, dann prägt das.

Abendblatt: Wie intensiv müssen Sie Ihre Fraktion betreuen, damit sie die Reform mitträgt?

Schira: Ich führe sehr viele Gespräche. Ich bin seit 1980 in der CDU, und seitdem haben wir kein Thema so intensiv diskutiert wie diese Reform. Generellen Widerstand sehe ich nicht mehr, weder in Fraktion noch Partei.

Abendblatt: Als Sie 1980 in die CDU eintraten, wurde kurz darauf die Hafenstraße besetzt. Mehrere SPD-Senate arbeiteten sich daran ab. Hätten Sie damals gedacht, dass ein CDU-geführter Senat mal mit Protestlern wie im Gängeviertel verhandeln würde?

Schira: Da gibt es Unterschiede in der Ausgangssituation. Wo Recht gebrochen oder Gewalt ausgeübt wird, darf der Staat keinen Spaß verstehen. Beim Gängeviertel gibt es bei uns auch Stimmen, die die Rückabwicklung des Vertrags mit dem Investor kritisieren. Aber ich verstehe den Ansatz der Künstler, die das Gängeviertel erhalten wollen. Ich glaube, dass wir in einigen Jahren froh sein werden, dass wir mit diesem Ensemble noch ein bisschen Bezug zur Geschichte erhalten haben.

Abendblatt: Haben Sie sich daher auch das Hamburgmuseum als Interview-Ort ausgesucht, weil es hier um Bewahrung geht?

Schira: Der Bezug zu diesem Haus kommt aus meiner Schulzeit. Wir hatten nicht viel Geld, sind in den Ferien meistens zu Hause geblieben. Und ich habe dann mit dem Ferienpass die Museen abgeklappert. Hier bin ich oft hängen geblieben, bei der Hammaburg, bei den Schiffsmodellen. Aus der Geschichte kann und sollte man lernen. Das wäre dann nicht konservativ, sondern hätte sogar etwas Progressives.

Abendblatt: Freier Eintritt in Museen, wie ihn die Linkspartei fordert, wäre progressiv ...

Schira: Das, was die Menschen hier an Arbeit, Geld und Leidenschaft reinstecken, muss auch einen gewissen Preis haben. Der darf nicht ausgrenzen, aber wenn man ein schönes Erlebnis geboten bekommt - und das ist im Hamburgmuseum der Fall -, stößt das Eintrittsgeld bei den Besuchern auch auf Akzeptanz.

Abendblatt: Was steht Ihnen näher: die großen Schiffe der Pfeffersäcke oder der Schädel von Störtebeker?

Schira : Mich beeindruckt, wie viele Hamburger, arm oder reich, sich fürs Gemeinwohl einsetzen. Das kann man hier verfolgen.

Abendblatt: Stichwort Gemeinwohl: Die Diakonie-Vorsitzende, Landespastorin Annegrethe Stoltenberg, hat kürzlich im Abendblatt gesagt, dass die Bindung zur CDU als christliche Partei nicht mehr vorhanden sei.

Schira: Unser Menschenbild fußt auf christlichen Werten, das sollte jedes Parteimitglied verpflichten. Die CDU Hamburg sollte das Ziel haben, die Partei der sogenannten kleinen Leute zu sein. Das war hier lange die SPD, ist sie aber definitiv nicht mehr. Arbeitnehmerinteressen noch stärker wahrzunehmen, das könnte eine Riesenchance für die CDU sein. Das heißt nicht, die Gutverdiener zu vernachlässigen, zu denen gehöre ich ja auch.

Abendblatt: Auch Sie verdienen nur einen Bruchteil dessen, was HSH-Nordbank-Manager bekommen. Obwohl Sie sich persönlich für 500 000 Euro als Obergrenze eingesetzt haben, darf künftig wieder mehr gezahlt werden.

Schira: Mich ärgert das sehr. GAL-Fraktionschef Jens Kerstan und ich hatten die feste Absicht, die von der Bürgerschaft beschlossene Grenze von 500 000 Euro pro Jahr einzuhalten, obwohl das intern bei uns nicht einfach durchzusetzen war. Aber der Aufsichtsrat hat für dieses Gehalt keine Vorstandsmitglieder gefunden. Ich finde, dass 500 000 Euro reichen sollten, aber leider ist die Realität eine andere.

Abendblatt: War das für Sie die politische Pleite des Jahres 2009?

Schira: Das kann man so sagen.

Abendblatt: Das Highlight?

Schira: Drei von sechs Hamburger Direktmandaten für die CDU bei den Bundestagswahlen.

Abendblatt: Und was sind Ihre Wünsche für 2010?

Schira: Dass die Koalition so gut weiterarbeitet wie bis jetzt. Privat ist Gesundheit das Wichtigste, besonders für meine Eltern.

Abendblatt: Wie sind Sie denn ins neue Jahr hineingekommen?

Schira: Meine Lebensgefährtin und ich feierten mit Freunden.

Abendblatt: Kochen Sie selbst?

Schira : Leider nein. Aber meine Freundin ist eine exzellente Köchin, und ich bin sehr gut im Abwaschbereich, auch wenn ich oft versuche, mich wegzumogeln.