Chefkontrolleur Hilmar Kopper soll die Verträge mit den Managern aufheben oder sofort kündigen. Der Grund sind Pflichtverletzungen.

Hamburg. Die Sanierung der mit Milliardenverlusten kämpfenden HSH Nordbank hat jetzt erstmals Konsequenzen für die Führungsebene: Mit Peter Rieck (56) und Jochen Friedrich (45) wurden zwei der sechs Vorstände mit sofortiger Wirkung entlassen. Das beschloss der Aufsichtsrat gestern in einer außerordentlichen Sitzung in Hamburg. Grundlage war ein Gutachten der Anwaltskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer zum Verhalten des Vorstands, das Rieck und Friedrich individuelle Pflichtverletzungen nachweist. Der Aufsichtsratsvorsitzende Hilmar Kopper sollte mit ihnen einen Aufhebungsvertrag abschließen oder ihre Verträge "aus wichtigem Grund" mit sofortiger Wirkung kündigen.

Worum es sich bei den Pflichtverletzungen handelt, teilte die Bank nicht mit. Nach Abendblatt-Informationen sollen Rieck und Friedrich hauptverantwortlich für die "Omega"-Geschäfte gewesen sein, die 2008 gut 517 Millionen Euro zum Verlust der HSH von 2,8 Milliarden Euro beigetragen hatten (siehe unten). Jochen Friedrich wies die Vorwürfe gestern zurück: Kopper habe ihn am 5. November telefonisch über die geplante Abberufung informiert, aber keine Gründe genannt. "Mir ist auch das Gutachten nicht bekannt. Weitere Informationen oder Unterrichtungen seitens des Aufsichtsrates erhielt ich nicht. Behauptungen, ich hätte die Bank nicht pflichtgemäß geführt, weise ich entschieden zurück", sagte er auf Abendblatt-Anfrage.

Auch der im September gefeuerte Ex-Leiter der New Yorker HSH-Filiale, Roland Kiser, sagt, er kenne die Gründe seiner Entlassung nicht, und wehrt sich gar mit einer Klage gegen die Bank. Darin behauptet er, sein Rauswurf sei ein Ablenkungsmanöver des Vorstandsvorsitzenden Dirk Jens Nonnenmacher, um eigene Fehler zu überdecken. Allerdings spricht das Freshfields-Gutachten, das das gesamte Vorstandshandeln seit der HSH-Gründung 2003 durchleuchtet, den erst 2007 in die Bank eingetretenen Nonnenmacher von jeder Schuld frei. Stattdessen wurden auch bei den ehemaligen Vorstandsmitgliedern Hartmut Strauß und Eckehard Dettinger-Klemm Pflichtverletzungen festgestellt.

Der Aufsichtsrat prüft nun, inwiefern Schadenersatzansprüche gegen die Ex-Vorstände geltend gemacht werden können. Politiker von SPD, FDP und Linkspartei hatten das bereits gefordert. Sollte es so weit kommen, dürfte es aber nicht um die Rückzahlung etwa jener 517 Millionen gehen, zumal es sich dabei "nur" um Wertberichtigungen handelte, die Verluste also nicht realisiert sind. Vermutlich würde es um symbolische Summen gehen.

Zum Vergleich: Ex-Siemenschef Heinrich von Pierer soll sechs Millionen Euro Schadenersatz zahlen, obwohl dem Konzern durch die Schmiergeldaffäre in seiner Zeit ein Milliardenschaden entstanden war.

Der HSH-Aufsichtsrat will das brisante Freshfields-Gutachten nun den Parlamentarischen Untersuchungsausschüssen (PUA) der Hamburger Bürgerschaft und des Schleswig-Holsteinischen Landtags sowie der Staatsanwaltschaft Hamburg zur Verfügung zu stellen. Sie ermittelt allgemein gegen "Verantwortliche" der Bank und seit einigen Wochen auch direkt gegen Nonnenmacher und andere Vorstände. Die HSH Nordbank gehört zu 85,5 Prozent den Ländern Hamburg und Schleswig-Holstein, aus deren Landesbanken sie 2003 hervorgegangen war. Die restlichen Anteile halten der schleswig-holsteinische Sparkassenverband sowie der US-Investor J.C. Flowers. Er hatte 2006 als erster privater Anteilseigner in eine deutsche Landesbank investiert.

Thilo Kleibauer, CDU-Obmann im Hamburger PUA, begrüßte den klaren Schnitt im HSH-Vorstand: "Es ist wichtig, dass jetzt Klarheit herrscht", sagte er dem Abendblatt. Die Spekulationen über das Freshfields-Gutachten, an dem seit April gearbeitet wurde, hätten der Bank geschadet. "Es ist gut, dass es jetzt dem PUA zur Verfügung steht."

Auch SPD-Finanzexperte Peter Tschentscher begrüßte "die ersten Schritte zur personellen Erneuerung an der Spitze der HSH Nordbank". Das dürfe aber nicht vor Nonnenmacher haltmachen, da er "von den skandalösen Vorgängen gewusst hat oder in seinen bisherigen Vorstandsfunktionen hätte wissen können", sagte Tschentscher. Die Entwicklung stehe im Übrigen "in deutlichem Kontrast" zu dem Bild, das Finanzsenator Michael Freytag (CDU) bisher von den Zuständen in der Bank gezeichnet habe.

Auch Joachim Bischoff, Finanzexperte der Linkspartei, sprach von einer "begrüßenswerten Aufräumaktion" und stellte die Frage nach der Verantwortung Nonnenmachers. Außerdem sei die Kontrolle durch den Aufsichtsrat unzureichend gewesen. Ob es die von der GAL-Mitgliederversammlung geforderte und von der SPD bereits beantragte Sonderprüfung der HSH Nordbank geben wird, ist noch offen. Die CDU ist skeptisch, da es bereits diverse Untersuchungen gebe. CDU und GAL erörterten das Thema gestern in der Senatsvorbesprechung, vertagten sich jedoch. Vor einer Entscheidung sollen zunächst die rechtlichen Voraussetzungen geklärt werden - zum Beispiel, inwieweit die Anteilseigner zustimmen müssen. "Wir wollen auch prüfen, was die Konsequenzen für die Bank aus einer möglichen Sonderprüfung wären", sagte Jens Kerstan, Vorsitzender der GAL-Fraktion. "Diese Punkte sollen bis zur kommenden Woche geklärt sein."