Mit der Bank leidet auch der Ruf des ehemaligen CDU-Finanzsenators. Ob bei der Nordbank oder bei Hapag-Lloyd - bis vor Kurzem war Wolfgang Peiner der geachtete Stratege der Stadt.

Aufhören sollte man, wenn es am schönsten ist - diese Weisheit ist so schlicht wie richtig. Am 31. Oktober 2006 gab Senator Wolfgang Peiner (CDU) für das politische Hamburg völlig überraschend seinen Rückzug aus der Finanzbehörde bekannt - auf den Tag genau fünf Jahre nach seinem Amtsantritt. Das Echo war selten einhellig, politische Gegner wie Parteifreunde bedauerten den Rückzug des damals 63-Jährigen, die Medien überschlugen sich mit freundlichen Zeilen. "Bild" lobte den Senator als "Glücksfall für Hamburg", die "Morgenpost" verabschiedete ihn als "Lotsen", die "Welt" bedauerte den "Verlust eines Visionärs", und das Abendblatt konstatierte: "Der Stratege wird Beust fehlen."

Heute dürfte sich der Verlustschmerz eher in Grenzen halten: Denn Wolfgang Peiner, den viele einst als Sanierer der Stadtfinanzen feierten, wird heute als "Pleite-Peiner" beschimpft. Längst arbeitet sich die Opposition nicht nur an Bürgermeister Ole von Beust und Finanzsenator Michael Freytag ab, sondern auch am Ex-Senator und Ex-Aufsichtsratschef der HSH Nordbank, Wolfgang Peiner. Man schlägt auf den Ex-Politiker und meint die Union.

Es passt ja auch so schön ins Bild: In der HSH Nordbank, die mit immer neuen Millionenlöchern aufwartet und mit Milliardenbürgschaften der Steuerzahler gerettet werden musste, leitete er von Anfang 2007 bis vor Kurzem den Aufsichtsrat. Den amoralischen Gehaltzuschlag für Vorstand Dirk Jens Nonnenmacher fädelte Peiner mit ein.

Beim Kauf der Reederei Hapag-Lloyd durch das Konsortium "Albert Ballin" mit Beteiligung der Stadt war der heute 65-Jährige der Spiritus Rector. Doch das Geschäft entwickelt sich ganz anders als erhofft. Nun bittet die Reederei um Bundesbürgschaften in Höhe von 700 Millionen Euro, die Stadt muss rund 170 Millionen Euro nachschießen.

Und als kürzlich bekannt wurde, dass nach dem von Peiner betriebenen Verkauf der städtischen Immobilien plötzlich Mieterhöhungen von 4,7 Prozent ins Jahr flatterten, war für seine Kritiker die Sache klar: "Finanzsenator Peiner hat Hamburg erneut Millionenverluste eingebrockt", kritisiert SPD-Fraktionschef Michael Neumann.

So berechtigt die Kritik scheint, so sehr ignoriert sie die Realitäten und Zeitläufe. Peiner nennt das "Heldentum nach Ladenschluss".

Rückblende 1: Im Sommer 2006 galt die HSH Nordbank noch nicht als Pleitebank, sondern als begehrtes Finanzinstitut. Gleich vier Finanzinvestoren buhlten um den Einstieg. Der US-Finanzinvestor Christopher Flowers hatte Pech - er gewann den Bieterwettstreit und zahlte 1,25 Milliarden Euro für den 27-prozentigen HSH-Anteil. Damals schien der Börsengang für 2008 oder 2009 eine ausgemachte Sache zu sein, die Peiner zum Erfolg führen sollte. Die HSH Nordbank sollte als Musterbeispiel für den Wandel einer Landesbank in die Geschichte eingehen. Historisch wurde die Sache zwar, aber anders als gedacht: Nun gilt die HSH Nordbank als abschreckendes Beispiel für ein aus dem Ruder gelaufenes Risikomanagement. Zerknirscht bekennt Peiner, dessen Promotion sich ausgerechnet mit dem Thema "Bilanzierung der US-Geschäftsbanken" befasste, dass das Kreditersatzgeschäft für die Bank zu groß war: "Ich frage mich mit der Kenntnis von heute, wo der Punkt war, an dem ich früher hätte eingreifen müssen." Andere Aufsichtsratsmitglieder ducken sich vornehm weg oder erklären sich gar zu Rettern wie Michael Freytag.

Rückblende 2: Noch im Oktober feierten alle Parteien die Rettung der Traditionsreederei Hapag-Lloyd. Durch die Finanzkrise sieht die Welt auch auf den Meeren anders aus. Zweifellos hat die Stadt viel, zu viel bezahlt. Ob es dem Schifffahrtsstandort aber besser ginge, hätte nicht das Hamburger Konsortium Albert Ballin, sondern der Konkurrent NOL den Zuschlag bekommen oder TUI das Sagen behalten, steht dahin.

Rückblende 3: Auch der Verkauf der Immobilien stand damals deutlich weniger in der Kritik, weil er Hamburgs finanziellen Spielraum vergrößerte. Für dasselbe Jahr (2006) konnte Finanzsenator Peiner erstmals einen ausgeglichenen Betriebshaushalt vorlegen. Den Immobiliendeal nennt er heute "einen Vertrag, um den uns die Welt beneidet".

Es war der Glaube an den Sinn von Privatisierungen, der Peiner stets trieb, umtrieb, ja, zu weit trieb: So boxte der CDU-Senat den Verkauf des Landesbetriebs Krankenhäuser an Asklepios allen Widerständen und einem klaren Votum des Volkes zum Trotz durch. Nun geben sich Peiner und Beust geläutert. In ihrer Rhetorik zeigen sich der einstige Vordenker und sein Umsetzer Liberalismus-kritisch. Und ihre Taten passen dazu: So wurde der Hafenbetreiber HHLA nur noch als Minderheitenbeteiligung an die Börse gebracht, die Wasserwerke oder die Saga/GWG blieben im städtischen Besitz.

Doch die Privatisierung und die Finanzkrisen haben das Denkmal Peiner beschädigt. Dass auch einige Vertreter aus Wirtschaft und Gesellschaft zuletzt auf Distanz zum stets hofierten Senator gegangen sind, schmerzt Peiner. Schließlich hatte ihn weniger Eitelkeit denn Pflichtgefühl in den Senat wechseln lassen.

Und die Bilanz dort hat auch eine eindrucksvolle Haben-Seite: Peiner rettete durch sein geschicktes Management Beiersdorf vor einer Zerschlagung durch Procter & Gamble und den Germanischen Lloyd vor einer Übernahme durch die französische Konkurrenz. Clever nutzte er seine exzellenten Kontakte in Hamburgs vermögende Gesellschaft, die er seit seiner Zeit als Geschäftsführer des "family office" der Unternehmerfamilie Otto in Hamburg pflegte. Peiners größter Erfolg bleibt die Idee der Wachsenden Stadt, die das selbstgefällige und selbstzufriedene Hamburg aus seinem Dornröschenschlaf rüttelte. Das Leitmotiv wurde zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung und zu einem Signal des Aufbruchs - Hamburg galt plötzlich national wie international als Aufsteiger.

Entsprechend fassungslos verfolgt Peiner, wie die schwarz-grüne Koalition das Label nach einem quälend langen Diskussionsprozess in "Wachsen mit Weitsicht" umetikettierte und es dem Vergessen anheimstellte. Zwar gilt Peiner auch wegen seiner persönlichen Freundschaft zu Ole von Beust noch immer als Berater des Bürgermeisters, in vielen inhaltlichen Fragen aber ist er auf Distanz gegangen. Für die CDU ist das keine gute Nachricht: Beust als begnadeter Bauchpolitiker und Peiner als strategisches Hirn waren lange ein ideales Gespann - das nun nicht mehr funktioniert. Immer öfter macht die Union den Eindruck, wie eine Flipperkugel durch das politische Koordinatensystem zu sausen, ziellos von links nach rechts, Hauptsache, es gibt Punkte.

Auch der strikte Sparkurs ist Geschichte, und selbst in der eigenen CDU-Fraktion ist man froh, dass Peiner nicht mehr, wie Otto von Bismarck es einmal als Losung ausgab, "den Daumen auf dem Beutel hat". Den preußisch geprägten Manager mit vielen Stationen in der Wirtschaft, die ihn bis in den Vorstand der Gothaer Versicherung führte, empfanden viele als arrogant. Der scharfsinnige wie scharfzüngige CDU-Vordenker ließ auch Parlamentarier spüren, dass sie unter ihm nicht einmal Abteilungsleiter geworden wären.

So war sein Abgang 2006 auch nicht ganz freiwillig - halb zog es ihn, halb sank er hin angesichts der wuchernden Ausgabenwünsche von Michael Freytag und Ole von Beust. "Es ist jedenfalls besser, freiwillig zu gehen und zu einem Zeitpunkt, an dem die Ergebnisse des eigenen Tuns Früchte zeigen, als wenn man gedrängt wird", sagte er damals. Vieles spricht indes dafür, dass die CDU ihn noch brauchen könnte - und wenn er nur der Blitzableiter für die wachsende Kritik an der Unionspolitik ist. Peiner selbst findet das unfair: "Etwas mehr Unterstützung gegen die teilweise persönliche Kritik hätte ich mir schon gewünscht."