Abgeordnete der Opposition fühlen sich getäuscht und wollen nicht nur Teile der Unterlagen zum Rückkauf der Strom-, Fernwärme und Gasnetze einsehen.

Hamburg. Es ist gerade einmal fünf Wochen her, als in der Bürgerschaft innige Eintracht herrschte: Mit den Stimmen der Abgeordneten aller fünf Fraktionen beschloss das Parlament das Transparenzgesetz. Hamburg schafft - bundesweit einmalig und in enger Abstimmung mit dem Senat - das Amtsgeheimnis ab: Senatsbeschlüsse, Stellenpläne der Behörden, Dienstanweisungen, Gutachten - alles wird von September an ins Internet gestellt.

Inzwischen ist politischer Alltag eingekehrt. In einem vierseitigen Schreiben an die fünf Fraktionsvorsitzenden von SPD, CDU, Grünen, FDP und Linken hat der Senat jetzt das Aktenvorlageersuchen der Bürgerschaft zum umstrittenen Teilrückkauf der Strom-, Fernwärme- und Gasnetze beantwortet. Die Opposition kritisiert massiv die strikten Geheimhaltungsregeln für die Einsichtnahme und die Tatsache, dass Unterlagen von öffentlichen Unternehmen und den Vertragspartnern Vattenfall und E.on vom Senat gar nicht vorgelegt werden.

"Es ist nicht das transparente Verfahren, das die SPD-Fraktion am Anfang der Netz-Debatte angekündigt hatte", sagte der CDU-Haushaltspolitiker Roland Heintze. "Ich fühle mich als Parlamentarier getäuscht." Auch Linken-Fraktionschefin Dora Heyenn ist empört: "Transparenz sieht anders aus, so können die Abgeordneten ihrer Kontrollpflicht kaum sinnvoll nachkommen." Grünen-Fraktionschef Jens Kerstan nannte die Senatsantwort "extrem ärgerlich". Die Aktenvorlage nehme "absurde Züge" an.

++++ Zwischenruf: Demokratie braucht Transparenz +++

+++ Opposition klagt: Senat hält Akten zurück +++

Zum einen hat der Senat den von der Bürgerschaft gesetzten Termin 31. Mai zur Vorlage der Akten um fast zwei Monate überschritten. Eine Sichtung des Materials während der Sommerpause ist nicht mehr möglich. Zweitens: Zwar hat der Senat Akten geliefert, jedoch nur die Schriftstücke "der unmittelbaren Landesverwaltung". Die Unterlagen der öffentlichen Unternehmen sind davon jedoch nicht erfasst.

"Die Vorlage von Akten der mittelbaren Staatsverwaltung kann ebenso wenig wie die Vorlage von Akten von Unternehmen in privater Rechtsform verlangt werden, auch wenn die Freie und Hansestadt an ihnen beteiligt ist", teilt der Senat den fünf Fraktionsvorsitzenden mit. Eine Vorlage der Akten der Stadtreinigung, der Hamburger Wasserwerke und von Hamburg Energie "durch den Senat scheidet daher aus".

+++ Der Netze-Rückkauf +++

Es bestehe nicht einmal "eine Rechtspflicht", so der Senat, sich bei den Unternehmen um Aktenvorlage zu bemühen. Dabei stützt sich die Landesregierung auf Artikel 30 der Verfassung.

Als Zeichen des guten Willens hat der Senat die Unternehmen "ohne Präjudiz für künftige Fälle" gleichwohl gebeten, eine Einsichtnahme unter strikten Geheimhaltungsvorkehrungen zu ermöglichen. Die Abgeordneten dürfen keine elektronischen Geräte benutzen und nichts kopieren. Die Inhalte der Unterlagen darf die Bürgerschaft nur in nicht öffentlicher Sitzung beraten. Auch die Energieversorger Vattenfall und E.on, von denen die Stadt 25 Prozent der Netze zurückkaufen will, seien grundsätzlich zur Aktenvorlage bereit.

"Die Abgeordneten müssen sich bei den einzelnen Unternehmen Termine geben lassen und durch ganz Hamburg gondeln, um sich Unterlagen unter scharfen Geheimhaltungsvorkehrungen anzuschauen", kritisierte Linken-Fraktionschefin Heyenn. Es sei darüber hinaus nicht nachvollziehbar, warum der Senat meine, die Abgeordneten dürften die öffentlichen Unternehmen nicht verpflichtend kontrollieren. "Das ist keine Akteneinsicht, sondern aufgrund der zahlreichen Hürden eine Akteneinsichts-Verhinderungsaktion", so Heyenn. "Das ist nicht nur Geheimniskrämerei, sondern gezielte Desinformation", sagte CDU-Mann Heintze.

"Zwar hat die SPD vollmundig Transparenz versprochen, mauert aber jetzt genauso wie im ersten Halbjahr", sagte der Grünen-Fraktionschef Kerstan. Die Verschwiegenheitsklauseln erschwerten die Transparenz zusätzlich. "Es ist mir völlig unverständlich, warum jetzt auch noch die Fraktionsspitzen die Spielregeln für die Akteneinsicht aushandeln sollen." Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) will voraussichtlich am Montag mit den fünf Fraktionschefs die Konsequenzen aus dem Senatsschreiben beraten. Kritik kommt auch von den Liberalen. "Offenbar entwickelt der Senat wenig Elan, den Initiativen der Bürgerschaft rascher nachzukommen", sagte FDP-Fraktionschefin Katja Suding. "Wir fürchten, dass hier weiter gemauert statt schneller gearbeitet wird."

SPD-Fraktionschef Andreas Dressel fand dagegen lobende Worte für den Senat: "Es ist das Bemühen erkennbar, bis an die Grenzen des Möglichen zu gehen." Es handele sich nun einmal um Akten aus unterschiedlichen Bereichen - Verwaltung, öffentliche und private Unternehmen - mit unterschiedlichen Formen der Geheimhaltung. "Bei Vattenfall und E.on muss ein höherer Schutz zur Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen gelten", sagte Dressel. Der SPD-Senat folge insgesamt der Praxis früherer Landesregierungen.