Hamburg ist bundesweit Vorreiter im Kita-Ausbau. Rechtsanspruch für Zweijährige von August an. Die Linke kritisiert Leiharbeit in der Erziehung

Eimsbüttel. "Freie Kita-Plätze!!!" steht auf dem Zettel. Der Kinderladen an der Hallerstraße hat noch Kapazitäten im Elementar- und im Krippenbereich. An anderer Stelle, an einem Laternenmast am Doormannsweg in Eimsbüttel, klebt ein Zettel der Kita Der kleine Prinz. Auch sie bietet freie Plätze an. Auf einem Spielplatz in Hoheluft-West werben Tagesmütter um Krippenkinder. Kein Zweifel: Hamburgs Ausbau von Kita-Plätzen geht voran. Gab es vor zehn Jahren noch 737 Kindertageseinrichtungen im Kita-Gutscheinsystem, sind es derzeit 1043. Tendenz steigend.

Mit dem vorzeitigen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz für Zweijährige von August an werden in Hamburg 1600 Kinder zusätzlich in die Krippe kommen. "Die, die einen Krippenplatz wollen, bekommen auch einen", verspricht Oliver Kleßmann, Sprecher der Sozialbehörde. Hamburg ist bundesweit Vorreiter beim Kita-Ausbau. Allein im vergangenen Jahr wurden 42 Kitas neu gegründet. Im Schnitt kommen jedes Jahr 30 neue Einrichtungen hinzu. Und es passiert noch mehr: Von August 2013 an haben Einjährige einen Anspruch auf Krippenbetreuung, und in den benachteiligten Quartieren werden dann zusätzliche Erzieher eingestellt. Ein Jahr später wird die fünfstündige Betreuung am Tag einschließlich Mittagessen kostenlos sein. Das entlastet Hamburgs Familien um rund 70 Millionen Euro. Wenn es allerdings unbedingt die eine spezielle Kita sein soll, führt der Weg für viele Väter und Mütter zurzeit immer noch über Wartelisten. So wie bei Sarah Schneider. Die 29-Jährige war mit ihrem Sieben-Monats-Babybauch in der Kita Bindfeldweg in Niendorf unterwegs, um ihren noch ungeborenen Sohn schon einmal anzumelden. Es sollte unbedingt diese Kita sein, weil sie nur fünf Minuten Fußweg entfernt ist und weil Sarah Schneider dort selbst als Kind war. Ende 2011 hat sie dann die Zusicherung für einen Krippenplatz bekommen. "Die Kita hat einen hohen Zulauf, ich musste auch gleich zusagen", sagt sie. Jetzt ist Matti 13 Monate alt und wird zum 4. August sechs Stunden täglich in die Krippe gebracht, damit seine Mutter Sarah an drei Tagen in der Woche wieder als Groß- und Außenhandelskauffrau arbeiten kann. Vater Patrick macht mit dem Kleinen gerade die vierwöchige Eingewöhnung.

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Sollten die Schneiders noch ein Kind bekommen, wird es wohl leichter mit dem Krippenplatz. Denn der Träger der Kita Bindfeldweg, die Vereinigung Hamburger Kindertagesstätten mit ihren 178 Einrichtungen, baut ihr Angebot aus. 2012 entstehen 318 zusätzliche Krippenplätze. "Wir sind fleißig dabei, die Räume in vielen Einrichtungen umzubauen", sagt die kaufmännische Geschäftsführerin Katja Nienaber. Viele Träger haben mehr Platz, weil bis 2014 Hamburgs Grundschulen auf Ganztagsbetreuung umstellen. Tausende Kinder, die in den Kita-Horten am Nachmittag waren, benötigen keinen Platz mehr. Statt in den Kitas werden die Kinder an den Schulen betreut. Viele Einrichtungen haben freie Räume, die sie für Krippen- und Elementarkinder (drei bis sechs Jahre) nutzen können.

Genau wie die Vereinigung erweitert auch die Arbeiterwohlfahrt ihr Angebot in den 23 Einrichtungen: "Wir stellen uns schon seit Langem auf einen Ausbau der Kita-Plätze für unter Dreijährige ein: Seit 2004 haben wir 300 zusätzliche Plätze geschaffen", sagt Awo-Sprecher Richard Lemloh. Im August und im Herbst kommen weitere 80 Plätze in Wilhelmsburg und Lemsahl-Mellingstedt hinzu.

Doch in den zentralen Stadtteilen wie Eppendorf und Eimsbüttel, so befürchtet Christian Böhme vom Paritätischen Wohlfahrtsverband, wird es eng bleiben, ließen sich Wartelisten auch in Zukunft nicht vermeiden. Zudem sei es schwierig für Träger, überhaupt eine Einrichtung öffnen zu können. "Es ist manchmal fast unmöglich, noch geeignete Räume zu finden. Und wenn Räume gefunden werden, nutzen Nachbarn immer wieder juristische Kniffe, um den Ausbau zu verhindern."

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Eine weitere Frage: Wo sollen die Erzieher für den Ausbau herkommen? Die Zahl der pädagogischen Fachkräfte bei Leiharbeitsunternehmen ist in Hamburg von 607 (2009) auf 708 (2011) angestiegen. Das ergab eine Anfrage der Bundestagsfraktion Die Linke. Tim Golke, arbeitsmarktpolitischer Sprecher der Linksfraktion in der Bürgerschaft: "Kinder brauchen feste Bezugspersonen. Besonders in der frühkindlichen Bildung ist es notwendig, ihnen langfristig qualifizierte Bezugspersonen zur Seite zu stellen. Leiharbeit vermindert die Qualität." Die Bundesregierung plant, in Hamburg 100 Arbeitslose zu Erziehern umschulen zu lassen.

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