Neben dem Fahrzeugverkehr gelten Schiffe als Hauptverursacher überhöhter Belastung durch Stickstoffdioxid

Hamburg. Seit Jahren hat Hamburg zwei Probleme - und die können die Bürger krank machen: Die Schadstoffe in der Luft liegen weit über dem Erlaubten (220 000 Einwohner sind betroffen), zudem leben mindestens 130 000 Menschen in der Stadt an Straßen mit gesundheitsschädlichem Verkehrslärm. Die europäische Kommission hat diese Probleme erkannt und will durch verschärfte Grenzwerte für die Luftschadstoffe und einen Lärmaktionsplan dagegen vorgehen.

Tatsachen, die dem Hamburger Senat seit Jahren bekannt sind - bisher sind aber keine wirksamen Mittel gefunden worden. Jetzt nimmt Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) einen neuen Anlauf. Mit einer Luftgütepartnerschaft zwischen der Wirtschaftsbehörde (BWVI), der Handels- und der Handwerkskammer sowie der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) will Horch Maßnahmen auf den Weg bringen, die die Schadstoffbelastung - vor allem durch Stickstoffdioxid - langfristig senken. Nach dem Schiffsverkehr gelten Autos als Hauptverursacher für Stickstoffdioxid (eine Liste der am stärksten betroffenen Straßen finden Sie auf der Titelseite)

Am meisten bedroht seien Kinder, weil der Stickstoffdioxid (NO2) bei ihnen durch kürzere Wege schneller in die feinsten Lungengefäße gelange, sagt Prof. Jörg Braun, Chefarzt der Abteilung für innere Medizin an der Asklepios-Klinik Wandsbek. Besonders litten bei einer ansteigenden NO2-Belastung in der Luft jene Menschen, deren Atemwege bereits vorgeschädigt seien. Wie stark das Risiko bei einer zunehmenden Feinstaubbelastung wachse, sei noch unklar, sagt Braun. "Wenn der Grenzwert nur leicht überschritten wird, erhöht sich das Risiko wahrscheinlich nur minimal. Wegen der Unsicherheit sollten aber alle Bemühungen dahin gehen, die Feinstaubbelastung so gering wie möglich zu halten."

Der Senat setzt dabei auf mehrere Maßnahmen. Wie Frank Horch dem Abendblatt sagte, sehe er im Bereich Mobilität große Möglichkeiten durch die Elektromobilität sowie Hybrid- und Wasserstofffahrzeuge. "Wir müssen die Entwicklungen dieser Techniken konsequent weiterführen, müssen sie für entsprechende Fahrzeuge für jedermann bezahlbar machen sowie die Infrastruktur über Hamburg hinaus verbessern", sagte Horch. Dann werde man messbare Ergebnisse bekommen. Innerstädtisch will er künftig alle Dienstleister und Handwerksfahrer dazu auffordern, auf Fahrzeuge mit den umweltschonenden Antriebssystem umzusatteln. "Das ist erklärtes Ziel, für das es auch eine öffentliche Förderung geben wird", so Horch.

Zudem ist der Wirtschaftssenator gerade in "intensiven Gesprächen" mit dem Kreuzfahrtunternehmen Aida Cruises. Geplant ist ein Programm zur Schadstoffreduzierung. Die Kreuzfahrtreederei will Hamburg bei der Entwicklung eines Landstromsystems für Schiffe unterstützen. Außerdem verpflichtet sich die Reederei, die Schiffe für eine solche Anlage umzurüsten, wenn die Basisstation an Land installiert ist. Außerdem sollen die kommenden Schiffsgenerationen nicht mehr mit Diesel-, sondern mit Erdgasmotoren angetrieben werden. Daneben will Horch auf eine Effizienzsteigerung sowohl in der Industrie als auch beim einzelnen Verbraucher kommen. Themen seien hier zum Beispiel Isolierung und die Brauchwassernutzung. Horch sieht dadurch ein Effizienzsteigerungspotenzial von "wenigstens 20 Prozent".

Dass Hamburg etwas tun muss, ist dem Senat klar - und zwar nicht erst seit gestern. Bereits seit Juni 2010 gilt für NO2 der verschärfte EU-Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Jahre im Voraus hat die EU dies angekündigt und den Mitgliedstaaten so die Gelegenheit gegeben, sich auf die Grenzwerte vorzubereiten. Erarbeitet Hamburg keinen Maßnahmenkatalog, den die EU anerkennt, drohen Strafzahlungen in Millionenhöhe.

Ähnliche Vorgaben hat die EU in Sachen Lärmbelastung gemacht. Wie andere Großstädte in Deutschland und der EU setzt auch Hamburg derzeit eine groß angelegte Lärmaktionsplanung um. 2008 wurde für die ganze Stadt ein Plan mit Lärmkarten aufgestellt. Er zeigt die Belastung an Straßen, am Flughafen sowie an Bahnstrecken und empfiehlt Maßnahmen. Damit liegt ein gesamtstädtisches Konzept vor.

In der zweiten Stufe ging es in den vergangenen beiden Jahren um die Bezirke. Sie sollten die aus ihrer Sicht besonders belasteten Bereiche vor Ort identifizieren. Dazu war die Öffentlichkeit eingeladen, sich zu beteiligen. Seit März 2010 wurden alle Anregungen und Hinweise durch einen beauftragten Fachgutachter für Lärmfragen geprüft. Bis zum Jahresende sollen die Planungen dem Senat und der Bürgerschaft vorgelegt werden. Die entscheiden dann darüber, wie viel Geld für die Maßnahmen zur Verfügung gestellt wird.