6000 Wohnungen will der der SPD-Senat jährlich bauen. Axel Gedaschko findet diesen Plan richtig, übt aber Kritik an den Bürgerprotesten.

Hamburg. Gelöst und gut gelaunt besuchte Ex-Senator Axel Gedaschko in seiner neuen Funktion als Präsident des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) gestern das städtische Wohnungsunternehmen Saga-GWG. Am Rande des Besuchs in Barmbek-Nord traf das Abendblatt den ehemaligen CDU-Politiker zum Interview.

Hamburger Abendblatt: Die magische Zahl in der Stadtentwicklung lautet 6000. So viele Wohnungen will der SPD-Senat jährlich bauen. Ist das realistisch?
Axel Gedaschko: Ich halte die Zielzahl 6000 für richtig, um einen relativ entspannten Mietwohnungsmarkt zu haben. Jetzt ist der Markt angespannt angesichts einer Leerstandsquote von nur rund einem Prozent. Wenn man dranbleibt, kann man diese Zahl für eine Zeit lang schaffen. Mit Sicherheit wird es aber einige Jahre dauern, bis 6000 neue Wohnungen erreicht werden.

Wie schnell ist denn diese Zielzahl 6000 zu erreichen?
Gedaschko : Das kann ich nicht beantworten. Der Schlüssel liegt in den Bezirken, die Flächen bereitstellen müssen.

Sind neue Großsiedlungen wie Steilshoop unumgänglich?
Gedaschko : Die Zeit der Großsiedlungen ist vorbei. Im Übrigen gibt es dafür in Hamburg auch kaum noch geeignete Flächen.

Gibt es in Hamburg heute Wohnungsnot?
Gedaschko : Wohnungsnot gab es nach dem Zweiten Weltkrieg mit Zwangseinweisungen. Gleichwohl gilt heute für bevorzugte Wohnlagen, dass die Nachfrage dort nicht befriedigt werden kann. Es können aber nicht alle in Eppendorf oder Ottensen wohnen. Im Übrigen gibt es dieses Phänomen in fast allen deutschen Großstädten.

Was ist zu tun?
Gedaschko : Es gibt hervorragende Wohnlagen, die es schwer haben. Nehmen wir zum Beispiel die Stadtteile südlich der Elbe. Bei vielen Hamburgern gibt es eine mentale Sperre, dort hinzuziehen.

Wie kann man diese Sperre abbauen?
Gedaschko : Von der Bauausstellung und Gartenschau 2013 wird Wilhelmsburg profitieren. Da bin ich ganz sicher. Der Sprung über die Elbe wird erlebbar. Es werden so viel Geld, gute Ideen und Projekte dahin gelenkt wie selten zuvor. Aber das ist keine Sache von zwei, drei Jahren, sondern eher von zehn oder 15.

Warum sind zu CDU-Zeiten so wenige Wohnungen gebaut worden?
Gedaschko : Der Ansatz war da. Aber nur wenn man an vielen, vielen Rädern gleichzeitig dreht, erreicht man hohe Fertigstellungszahlen. In der Vergangenheit hatte zu häufig der Finanzsenator die Oberhand, was den Verkauf von Flächen angeht.

Zu CDU-Zeiten galt ja das Höchstpreisgebot.
Gedaschko : Es galt sehr häufig, aber nicht immer. Dieses Verfahren ist aber nicht geeignet, wenn es um das untere und mittlere Mietpreissegment geht.

Heißt das, dass die CDU-Senate der Wohnungsbaupolitik nicht den erforderlichen Stellenwert eingeräumt haben?
Gedaschko : Das ist zu einfach. Aber es wäre besser gewesen, wenn wir mehr geeignete Grundstücke günstiger abgegeben hätten. Und eines gilt auch: Es handelt sich nicht um eine Hamburgensie, sondern um einen bundesweiten Trend: In Deutschland wurden 2010 knapp 160 000 Wohnungen gebaut, wir brauchen mindestens 260 000. Am Beispiel der steigenden Anforderungen an die Energieeffizienz zeigt sich, dass das Bauen immer teurer und damit in vielen Fällen unwirtschaftlich wird.

Ist es schlau, dass der Senat die Bezirke per Vertrag in die Verantwortung nimmt, für neue Wohnungen zu sorgen?
Gedaschko : Ja. Ohne die Bezirke wird es nicht gehen. Sie sind in der Beziehung sehr autonom.

Warum hat die CDU sie nicht so eingebunden?
Gedaschko : Das hängt auch davon ab, wer wo regiert ...

Die Alleinregierung der SPD in Kombination mit den SPD-Mehrheiten in den Bezirksversammlungen erleichtert das?
Gedaschko : Ja. Das erleichtert das. So eine Situation zu nutzen ist klug.

Auch unter dem Gesichtspunkt, die Einwohner mit einzubeziehen?
Gedaschko : Wenn man das nicht tut, erntet man Unverständnis, Argwohn und Protest. Daher ist es klug, die Menschen so schnell, wie möglich einzubinden.

Sind die Hamburger besonders streitlustig, wenn es um neue Projekte geht?
Gedaschko : Das ist in der Tat ein Phänomen, das ich aus Hamburg mitgenommen habe und nach dem ich in anderen Städten immer frage. Mein Eindruck: Es ist eine Frage der Dimension der Projekte und eine Frage, wie gut es den Menschen geht. In Städten, in denen es etwas existenzieller zugeht, ist dieser Zug weniger stark ausgeprägt.

Protest ist ein Wohlstandsphänomen?
Gedaschko : So würde ich es nicht ausdrücken. Es gibt ja auch berechtigten Protest. Aber es fällt auf, dass Widerstand vor allem aus den gebildeten Schichten kommt, die wissen, wie man sich Gehör verschaffen kann und wie man Meinung macht.

Das Abendblatt berichtete über den Sanierungsstau an öffentlichen Gebäuden. Haben die Senate zu lange weggeschaut?
Gedaschko : Ja. Der Zwiespalt zwischen Sparen und Erhalt der Infrastruktur ist oft zulasten der öffentlichen Substanz gegangen. Für Schleusen, Brücken und Straßen wurde jahrzehntelang zu wenig Geld ausgegeben. Die Hafenbahn mussten wir mit einem Kraftakt wieder instand setzen, nachdem das jahrelang versäumt, die Höchstgeschwindigkeit auf 15 km/h herabgesetzt und Brücken gesperrt worden waren, weil sie keine Loks mehr tragen konnten. Das sind klare Indizien, dass da über Jahre hinweg geschlampt und viel zu wenig investiert wurde. Da gegenzusteuern ist eine Daueraufgabe.

Warum sind Sie damals so Knall auf Fall zurückgetreten?
Gedaschko : In meiner Lebensplanung war nie vorgesehen, Berufspolitiker zu werden. Ich wollte nie abhängig sein von Politik und bin es glücklicherweise nie gewesen. Aber die Gefahr habe ich gesehen und daher beschlossen, dass die damalige Legislaturperiode meine letzte sein sollte. Dann kam die Offerte des GdW. Mitten in meine Überlegungen kam ein Gespräch mit Ole von Beust, in dem er seine Rücktrittsgedanken erläuterte, ohne den genauen Zeitpunkt zu nennen. Und da hatte ich mich entschieden: Wenn mein Bürgermeister geht, gehe ich auch.

Vermissen Sie es, Politiker zu sein?
Gedaschko : Nein.