3000 Pädagogen beteiligen sich am Warnstreik für mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen. Die Schulleiter sollen Namen nennen.

Hamburg. Gestärkt vom warmen Erbseneintopf sammeln sich die Streikenden im Innenhof des Curiohauses zum Protestmarsch. Sie tragen rote Gewerkschaftsmützen und halten rot-weiße GEW-Fahnen in die Luft. Die 60 Jahre alte Berufsschullehrerin Erika Ivo ist eine von ihnen: "Wir müssen immer länger arbeiten, und dafür gibt's immer weniger Geld", sagt die Beamtin. Auch Stadtteilschullehrer Mijo Rendel, 63, ist Beamter. Eigentlich dürfen die beiden gar nicht streiken. Wenn Riedel das hört, wird er zornig. "Streiken ist ein Recht für jeden. Konsequenzen nehme ich in Kauf."

Weit mehr als 1000 Lehrer und Erzieher haben gestern in Hamburg für gerechtere Gehälter und gegen Lohnkürzungen im öffentlichen Dienst protestiert. Die Polizei sprach von 1400, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaften (GEW) von 3000 Beschäftigten der Hamburger Schulen und anderen Bildungseinrichtungen der Behörde für Schule und Berufsbildung, die während ihrer Arbeitszeit zu Streikversammlungen und Kundgebungen im Curiohaus sowie in der Hamburger Innenstadt zusammenkamen.

Den größten Anteil der Streikenden bildeten laut GEW die beamteten Lehrer. Sie protestierten vor allem gegen die vom Senat beschlossene Streichung des Weihnachtsgeldes, für eine Entgelterhöhung von 50 Euro monatlich plus drei Prozent, für einen Eingruppierungs-Tarifvertrag für Angestellte und für die Übertragung des Tarifabschlusses für Angestellte auf die Beamten.

Die Teilnahme am Protest kann für die Beamten unangenehme Folgen haben: Laut Artikel 33 des Grundgesetzes haben sie während ihrer Arbeitszeit kein Recht, sich am Arbeitskampf zu beteiligen. Tun sie es trotzdem, müssen sie mit Strafen rechnen - wie es ihre Kollegen in Schleswig-Holstein derzeit wegen eines Streiks im vergangenen Juni erleben. "Wenn wir davon Kenntnis haben, dass ein Beamter nachweislich gestreikt hat, wenden wir das Gesetz an und leiten ein Disziplinarverfahren gegen die betreffende Person ein", sagte Jasmin Eisenhut, Sprecherin der Schulbehörde. Klaus Bullan, Vorsitzender der GEW Hamburg, warnte die Behörde indes vor rechtlichen Schritten. "Unsere Rechtsauffassung ist klar: Wir sind keine Bittsteller gegenüber der Obrigkeit, sondern wir sind Beschäftigte in einem modernen Gemeinwesen, wir haben Rechte wie alle abhängig Beschäftigten. Dazu gehört das Recht, über unsere Bezahlungs- und Arbeitsbedingungen zu verhandeln und gegebenenfalls auch Druck auszuüben, sonst kann man nicht auf Augenhöhe verhandeln."

Die Hamburger Schulbehörde hat gestern die Schulleiter aufgefordert, die Namen der beamteten Lehrer, die am Streik teilgenommen haben, zu melden.

Viele Eltern sahen den gestrigen Streik der Lehrer gelassen: "Aus unserer Sicht ist das Anliegen der Pädagogen nachvollziehbar, solange bei Streiks sichergestellt ist, dass der Unterricht nicht darunter leidet", sagte Peter Albrecht als Vorsitzender der Elternkammer. Empfindlich reagierten teils die Eltern von Förderschul-Kindern. "Gerade von der Gewerkschaft erwarte ich, dass sie einen Tarifstreit nicht auf dem Rücken der Schwächsten austrägt", sagte Andreas Wende, Vater eines schwer behinderten Kindes, das auf die Schule für Körperbehinderte am Tegelweg geht. Schulleiter Matthias Gerber: "30 der 80 Kollegen haben sich an der Arbeitskampfmaßnahme beteiligt. Die Kinder waren aber bestens versorgt."

Nicht nur Lehrer und Erzieher gingen gestern auf die Straße. Auch viele Beschäftigte im öffentlichen Dienst, die in der Gewerkschaft der Polizei (GdP), dem Deutschen Beamtenbund (dbb) oder der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di organisiert sind, legten die Arbeit nieder. Das bekamen auch diejenigen zu spüren, die am frühen Morgen zum Landesbetrieb Verkehr am Ausschläger Weg in Hammerbrook gekommen waren. "Ich habe mir heute frei genommen, um mein neues Auto anzumelden", sagt Ole Togert.

Vergeblich: Die Kfz-Stelle wurde bereits bestreikt. Schon um 7 Uhr waren rund 150 Mitglieder der GdP vom Landesbetrieb Verkehr zu den Kundgebungen losmarschiert. "Der Tag hat gezeigt, wie streikbereit die Hamburger Behörden sind. Olaf Scholz muss jetzt dafür sorgen, dass der Verhandlungsführer der Bundesländer, der niedersächsische Finanzminister Helmut Möllring, kein dummes Zeug macht", sagte der GdP-Landesvorsitzende Uwe Koßel.

Indes blieb es gestern bin den Bezirksämtern weitgehend ruhig. So auch im Bezirksamt Nord in Eppendorf. Von den rund 1000 Beschäftigten, darunter zwei Drittel Angestellte, folgten hier 41 dem Aufruf ihrer Gewerkschaften. Die Servicestellen blieben weiterhin besetzt. "Für die Bürger gab es am ohnehin schon ruhigen Mittwoch kaum merkliche Auswirkungen", sagte Nord-Sprecher Peter Hansen.

Sieglinde Friess von Ver.di war mit den Warnstreiks zufrieden: "Es war ein wahnsinnig guter Auftakt." Rund 2000 streikende Angestellte seien zur Kundgebung auf den Gänsemarkt gekommen. "Wenn die Arbeitgeber jetzt nicht spuren, wird es Ärger geben", sagte Friess. Vorerst seien keine weiteren Streiks geplant. "Wir warten die nächste Verhandlungsrunde am 11. März ab."