In puncto Luftqualität liegt in Hamburg einiges im Argen, insbesondere der Grenzwert für Stickstoffdioxid wird seit Jahren überschritten.

Hamburg. Einen neuen Plan hat Umweltsenatorin Anja Hajduk (GAL) zwar noch nicht. Aber eine Vision. Von sauberer Hamburger Luft, die auch den strengen Richtlinien der Europäischen Union (EU) entspricht. Der Traum von Elektroautos und einer stadtweiten Infrastruktur mit Ladesäulen, von der Stadtbahn, von einer Verdopplung des Radverkehrs und von einer stärkeren Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene. Der neue Plan dazu, eine Fortschreibung des "Luftreinhalteplans" von 2004, ist noch in Arbeit. Die Umweltbehörde will versuchen, ihn noch in diesem Jahr auf den politischen Weg zu bringen.

Für das Jahr als Umwelthauptstadt kommt dieser Plan jedoch zu spät. Vergleicht man die bundesdeutschen Großstädte in puncto Luftqualität, schneidet Hamburg nach Ansicht von Umweltverbänden zwar "ganz gut" ab. Ein Blick auf die absoluten Werte zeigt jedoch, dass auch in der Hansestadt einiges im Argen liegt. Insbesondere der von der Europäischen Union festgelegte Grenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) wird seit Jahren überschritten.

Die Qualität der Luft wird in Hamburg seit 1984 vom Hamburger Luftmessnetz ermittelt. Dazu gehören 17 Stationen - dunkelgrüne Container mit Antennen auf dem Dach. Zudem fährt ein Messwagen durch die Stadt. Die höchsten Werte werden naturgemäß an den drei Stationen gemessen, die unmittelbar an Straßenrändern stehen. Dazu gehört die Verkehrsmessstation Habichtstraße in Barmbek-Nord. In diesem Jahr wurde der NO2-Grenzwert dort bereits an 21 Stunden überschritten. 18 Stunden sind laut EU-Richt-linie erlaubt.

Eine Grenzüberschreitung, die ab jetzt Folgen haben wird. Denn seit Juni 2010 gelten verschärfte Grenzwerte für die Luftreinheit von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft im Jahresdurchschnitt. Bei der Messstation an der Max-Brauer-Allee lag der Wert 2009 bei über 70 Mikrogramm - und damit fast doppelt so hoch wie erlaubt.

Weil Hamburg die Vorgaben der EU auch bis zum Jahresende nicht wird erfüllen können, muss die Hansestadt eine Fristverlängerung bis 2015 beantragen. Das bestätigte die Umweltbehörde (BSU) dem Abendblatt. Schafft Hamburg es bis dahin nicht, die Schadstoffbelastung deutlich zu senken, drohen Sanktionen der EU. "Wie diese aussehen könnten, ist aber noch ungewiss", sagt Arno Graff, Leiter Beurteilung der Luftqualität beim Umweltbundesamt.

Hamburg ist zwar nicht das einzige Bundesland, das eine solche Fristverlängerung beantragen muss - außer dem Saarland werden voraussichtlich alle Länder diesen Schritt gehen. Dennoch, für die europäische Umwelthauptstadt ist das kein guter Start.

Will man die Luftqualität einer Stadt bewerten, muss man generell drei Schadstoffwerte im Auge haben: "Neben dem Stickstoffdioxid sind das Feinstaub und Ozon", sagt Michael Schatzmann, Professor für Meteorologie an der Universität Hamburg.

Stickstoffdioxid entsteht hauptsächlich bei Verbrennungsprozessen in Motoren von Kraftfahrzeugen, in Industrie- und Heizungsanlagen. Das Gas greift die Atemwege an und kann im schlimmsten Fall zu Lungenschäden führen.

Auch Ozon (O{-3}) kann zu Reizungen der Atemwege führen. Andererseits schützt das Gas in der Ozonschicht vor ultravioletter Strahlung der Sonne. Spuren von Ozon-Gas in der Luft zerfallen unter Normalbedingungen innerhalb weniger Tage zu Sauerstoff. Seit 25 Jahren steigen die Ozonwerte in Hamburg kontinuierlich an. Grenzwerte werden aber nur in besonders heißen Sommern überschritten - in diesem Jahr war das nicht der Fall.

Feinstaub sind kleinste Teilchen in der Luft, die zum sogenannten Schwebstaub gehören. Sie sind nach heutigen Erkenntnissen für zahlreiche Erkrankungen verantwortlich. Dazu zählen unter anderem Allergien, asthmatische Anfälle, Atemwegsbeschwerden und Lungenkrebs sowie ein gesteigertes Risiko von Mittelohrentzündungen bei Kindern oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkte.

Im Gegensatz zum Stickstoffdioxid hat Hamburg mit dem Feinstaub aktuell wenig Probleme. In den vergangenen drei Jahren hat es keine Grenzwertüberschreitungen mehr gegeben. Allerdings ist die Feinstaubbelastung in diesem Jahr wieder angestiegen. Als Richtwert gelten 50 Mikrogramm pro Kubikmeter, dieser Wert darf maximal an 35 Tagen im Jahr überschritten werden. An der Verkehrsmessstation Habichtstraße wurde dieser Richtwert in diesem Jahr zum Beispiel schon 23-mal überschritten. "Das sind Schwankungen, die vom Wetter beeinflusst werden können", sagt Professor Schatzmann. Von einem kurzfristigen Anstieg könne man daher noch keinen Trend ablesen, so der Fachmann.

Eine Trendwende muss Hamburg aber zügig bei der Stickstoffbelastung einleiten. "Hamburg hat ein Straßenbelastungsproblem beim Stickstoffdioxid", sagt auch Dagmar Gömer vom Institut für Hygiene und Umwelt. Etwa 35 Prozent der Feinstaub-Emission in Hamburg und 60 bis 70 Prozent der Stickoxid-Emission werden durch den Straßenverkehr verursacht. Eine Reduzierung der Luftbelastung sollte deshalb insbesondere den Verkehrsbereich mit einschließen.

Um diesem Problem Herr zu werden, wird in Hamburg seit Jahren die Einführung einer Umweltzone diskutiert. CDU und GAL hatten sich im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, eine entsprechende Zone mit Blick auf den gewerblichen Verkehr noch in dieser Legislaturperiode einzuführen. Das dafür in Auftrag gegebene Gutachten liegt aber bereits seit etwa einem Jahr zur Auswertung in der BSU. Jetzt kündigte die Umweltsenatorin eine Entscheidung zum Ende des Jahres an. Die City-Maut hingegen - also eine Gebührenerhebung für die Nutzung innerstädtischer Straßen - wird es 2011 laut Hajduk nicht geben. Dabei präferieren Umweltverbände mittlerweile das Mautkonzept. "Die City-Maut bietet eine bessere Steuerungsmöglichkeit im Kampf gegen NO2", sagt Hamburgs BUND-Chef Manfred Braasch. So könne in der Hauptverkehrszeit ein teurerer Tarif gelten. "Außerdem könnten die Gebühren für den Lieferverkehr mit den Schadstoffklassen der Lastwagenverknüpft werden", so Braasch. Je umweltfreundlicher ein Wagen ist, desto günstiger die Fahrt in die Innenstadt.

Die Umweltzone sieht der BUND-Chef ohnehin nur als eine Übergangslösung. Mit ihr wird nämlich vor allem der Feinstaub bekämpft, nicht aber NO{-²}. "Mit der Entwicklung der Technik und mit modernen Motoren wird eine Umweltzone schon bald überflüssig sein", mutmaßt Braasch. Die wohl schwerste Aufgabe, die vor Hamburg liegt, ist aber die Reduzierung der CO2-Emission. So hat sich die Hansestadt vorgenommen, den Ausstoß von Treibhausgasen bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent (ausgehend vom Basisjahr 1990) zu senken. Mit rund 290 000 Tonnen pro Jahr ein durchaus ambitioniertes Vorhaben.

Jetzt aber wird es noch schwieriger für die Umwelthauptstadt Hamburg. Wegen jüngst korrigierter Zahlen - tatsächlich liegt der CO2-Ausstoß in Hamburg deutlich höher als bisher angenommen - müssen jetzt 400 000 Tonnen pro Jahr eingespart werden. Eine zusätzliche Reduzierung von fast 30 Prozent. Wie diese erreicht werden kann, ist unklar, solange der vom Senat angekündigte Masterplan Klimaschutz auf sich warten lässt.