Dem Himmel ist Hamburgs Regierung in diesen Tagen nicht nah, zu präsent ist die politische Schwerkraft, die das Bündnis nach unten zieht.

Als es auf dem Radar auftauchte, da wusste der Außenposten noch nicht, dass dieses Projekt zur Image-Rettung der schwarz-grünen Koalition auserkoren würde. Aber ein bisschen aufgeregt waren die Mitarbeiter schon, als sie sich im Konferenzraum versammelten, direkt unter dem blauen Himmel, der in Öl auf die stuckverzierte Decke gemalt ist. Hier in der Brüsseler Stadtvilla, der Hamburger Vertretung für Europa, fiel damals, im Jahr 2008, das Wort Green Capital erstmals. Die EU hatte diesen Titel ausgeschrieben, und nach einigen Telefonaten mit dem Rathaus war das Ziel klar: Die Hansestadt werde ihn holen.

Dem Himmel ist Hamburgs Regierung in diesen Tagen alles andere als nah, zu präsent ist die politische Schwerkraft, die das Bündnis nach unten zieht. Hier angekommen rückt das Projekt "Umwelthauptstadt 2011" nun auf Platz eins der Agenda der verbleibenden Legislatur. Auch wenn sich die Motive der GAL und CDU unterscheiden, so scheint es für beide Parteien die einzig verbleibende Chance, im anstehenden Sparmarathon positive Signale für die Bürger zu setzen. Doch gerade für die GAL birgt dies Gefahren: Ihre politische Agenda, die für grundsätzliche gesellschaftliche Reformen steht, könnte am Ende lediglich Symbolpolitik und ausgebesserte Radwege hervorbringen.

Nach der gescheiterten Schulreform herrscht Ernüchterung bei den Grünen: "Grundlegende Reformen sind in Zeiten direkter Demokratie offenbar kaum mehrheitsfähig", sagt GAL-Fraktionschef Jens Kerstan. Doch was bleibt den Grünen, die sich als politische Avantgarde begreifen? Erfolgskonzepte wie das Stadtrad-Leihsystem, direkte Service-Angebote für die Bürger? Beobachter sprechen schon von "Coca-Cola-Politik": Gut gekühlt und mit einem Scheibchen Zitrone serviert, sind solche Angebote kostengünstig, schmackhaft, und - im Fall Stadtrad - sogar sinnvoll. Aus der grünen Perspektive betrachtet ändern sie jedoch nur wenig: Progressive Politik will soziale Spaltung in den Griff bekommen. Das war Ziel des längeren gemeinsamen Lernens in der Primarschule.

Für den Bürgermeisterkandidaten Christoph Ahlhaus (CDU) ist die Ausgangslage dagegen viel bequemer. Die CDU geht höchstens von "Ungleichheiten" aus, nicht aber von sozialer Spaltung. Die Union ist mit weniger gesellschaftspolitischen Ambitionen zur Regierung angetreten als die Grünen. Dennoch bekennt sich Ahlhaus auffällig deutlich zur "Umwelthauptstadt": Hamburg könne "langfristig und nachhaltig den Nutzen der Verbindung von Ökonomie und Ökologie unter Beweis stellen und damit sowohl die Hamburger Wirtschaft als auch die Lebensqualität für die Bewohner stärken", sagte Ahlhaus dem Abendblatt, der darin ein "langfristiges Markenzeichen für Hamburg" erkennt.

Die CDU, deren Finanzsenator Carsten Frigge in den kommenden Monaten vor allem mit schmerzhaften Sparmaßnahmen von sich reden machen wird, hat also die Umwelthauptstadt als Trostpflaster entdeckt. Denn "Ökologie und Ökonomie zu verbinden", das ist längst Mainstream geworden. Es täuscht darüber hinweg, dass GAL und CDU inhaltlich weiter voneinander entfernt sind, als es in den vergangenen zwei Jahren den Anschein hatte. Altgediente Grüne beklagen zunehmend, dass diese Konflikte nicht offener ausgetragen werden.

Im Kleinen zeigt sich das so: In CDU-Kreisen wird dafür geworben, auch den Stromkonzern Vattenfall als Sponsor für publikumswirksame Aktionen im Umweltjahr 2011 zu gewinnen. Von "ideologischen Schranken", die abgebaut werden müssten, ist da die Rede. Weil die Wirtschaft vom Umweltjahr profitieren müsse - schließlich sei es löblich, wenn die Industrie sich zum Umweltschutz bekenne. Ein langjähriger grüner Bürgerschaftsabgeordneter kommentiert spöttisch: "Der CDU reicht es, wenn jemand Kohle auf den Tisch legt." Daher kämpft die GAL hinter den Kulissen gegen dieses Szenario - vor allem, weil Vattenfall sein Geld mit Kohle- und Atomstrom verdient. Die Grünen wissen, dass solche Kooperationen von Umweltschützern als Green Washing bezeichnet werden: als Etikettenschwindel. Das Hoffnungsprojekt "Umwelthauptstadt 2011" soll nicht von den eigenen Wählern "mit guten Argumenten" torpediert werden.

Doch bisher sieht es so aus, als könne der Sammelbegriff "Umwelthauptstadt" die grüne Basis besänftigen, die Ahlhaus immerhin noch als Regierungschef bestätigen muss. Ein Antrag für einen "Neustart nach der Halbzeit", auch von Mitgliedern der Bürgerschaftsfraktion gestellt, wirbt mit einem "unumkehrbaren Baubeginn der Stadtbahn", City-Maut und dem Ausbau von Fahrradstreifen. Doch selbst wenn die Stadtbahn in Regierungskreisen als "unstrittig" gilt, sieht es nicht danach aus, als könnte die City-Maut nachverhandelt werden - ebenso wenig wie mehr Radfahrstreifen, die immerhin ein Bekenntnis dafür sind, Autos etwas aus dem öffentlichen Raum zu verdrängen: Übersehen einige GALier doch, dass die politische Niederlage beim Volksentscheid aus Sicht der CDU vor allem eine grüne Niederlage war, die sie treu mitgetragen hätten. Das müsse reichen.

Das Thema Umwelthauptstadt zeigt aber auch, wie weit SPD und Grüne derzeit voneinander entfernt sind. Die Sozialdemokraten kritisierten kürzlich den Werbeetat in Höhe von acht Millionen Euro: Für "so etwas" sei in der Krise kein Geld da. Selbst Freunde eines rot-grünen Bündnisses sind bis heute empört. Also könnte alles in einem weiteren schwarz-grünen Kompromiss enden: Wenn die SPD überhaupt kein Geld für die Umwelthauptstadt bereitstellen will, gibt man der CDU vielleicht nach: Und dann ist es am Ende auch nicht mehr so schlimm, wenn Vattenfall für den Umweltschutz wirbt.