Gute Verbindungen sind eine Grundvoraussetzung, wenn man es in der Politik zu etwas bringen will. Christoph Ahlhaus hat das verinnerlicht.

Gute Verbindungen sind eine Grundvoraussetzung, wenn man es in der Politik zu etwas bringen will. Christoph Ahlhaus hat das verinnerlicht. Dass er von der CDU als Nachfolger von Ole von Beust nominiert wurde - und nicht zum Beispiel die Senatoren Dietrich Wersich oder Axel Gedaschko -, liegt auch daran, dass der gebürtige Heidelberger beizeiten den Kreisvorsitz der einflussreichen CDU Hamburg-Nord übernommen hat. Gegen den Innensenator mit der stabilen Machtbasis geht seitdem nichts mehr bei den Hamburger Christdemokraten.

Dass gute Verbindungen aber auch zum Bumerang werden können, hat Ahlhaus vergangene Woche erfahren. Nur Stunden, nachdem im Internet erste Berichte über seinen Kontakt zu einer schlagenden Studentenverbindung in Heidelberg kursierten, musste er der Spitze des Koalitionspartners GAL erklären, was es damit auf sich hatte. Nein, er sei gar kein Mitglied, habe die "Ghibellinia" nur als Kommunalpolitiker unterstützt und danach "zwei-, dreimal" besucht, versuchte der Innensenator die Grünen zu beruhigen.

Das gelang nur zum Teil. Einen Bürgermeister, der Mitglied in einem martialischen Männerbund sei, der Frauen ausschließe, könnten sie sich nicht vorstellen, zürnten prominente GALier wie die Landesvorsitzende Katharina Fegebank und Fraktionsvize Antje Möller. Die Zitate waren noch gar nicht im Umlauf, da ergänzte Ahlhaus' Sprecher die Erläuterungen, wie der Senator zu der "akademischen Turnerschaft" gekommen sei, um den Satz: "Herr Ahlhaus hat den Vorsitzenden der Ghibellinia in einem Schreiben gebeten, ihn nicht mehr in den Listen zu führen."

Auch wenn der designierte Bürgermeister seitdem mehrfach betonte, das sei keine Distanzierung, er müsse sich für nichts entschuldigen und habe nur den ohnehin nicht mehr bestehenden Kontakt jetzt auch offiziell beendet, wurde es doch genau so aufgenommen - als Distanzierung. Allerdings mit höchst unterschiedlichen Reaktionen.

Zunächst zu den Grünen. Um zu begreifen, warum Ahlhaus so ruck, zuck die Leine nach Heidelberg kappte, genügt ein Blick auf die Regeln der GAL. Im Gegensatz zu allen anderen Parteien haben die Hamburger Grünen kein Delegiertensystem, ihre Parteitage heißen nicht umsonst "Mitgliederversammlungen": Jeder, der einen Mitgliedsausweis hat, darf kommen und abstimmen. Selbst erfahrene GALier tun sich daher schwer mit einer Einschätzung, wie viele der aktuell 1427 Hamburger Parteimitglieder zur Versammlung am 22. August kommen und wer dort die Oberhand gewinnt. Die Parteiführung, die sich mit Ahlhaus gut versteht und Schwarz-Grün gern fortsetzen möchte? Oder doch die Basis, an der viele mit dem eher konservativen Innensenator fremdeln? Sicher ist nur: Wenn die GAL-Mitglieder an diesem Abend im Bürgerhaus Wandsbek den Daumen über Schwarz-Grün unter einem Bürgermeister Ahlhaus senken, war es das mit der Koalition. Obwohl es aus der Fraktionsspitze hieß, Ahlhaus' Rückzieher habe die Situation "entspannt", würden sich die Abgeordneten dem Votum der Basis kaum entziehen und ihm daher am 25. August im Parlament die Gefolgschaft verweigern. Der Bürgermeister Christoph Ahlhaus wäre schon Geschichte, bevor er gewählt wurde.

In der CDU herrschte hingegen eisiges Schweigen. Kein einziges Parteimitglied meldete sich öffentlich, um dem künftigen Bürgermeister beizustehen. Erst auf Abendblatt-Nachfrage erklärte Parteichef Frank Schira schließlich, Ahlhaus habe alles dazu gesagt, er sei "liberal und tolerant". Stattdessen rauften sich diejenigen in der CDU die Haare, die den Abschied des zuletzt eher linksliberalen Ole von Beust gar nicht so sehr bedauern. Ob das eine nennenswerte Zahl ist, darf bezweifelt werden. Aber immerhin meldeten sich einige von ihnen zu Wort. Es sei doch "im höchsten Maße unlauter und unehrenhaft", aus Gründen der Karriere den Kontakt zu einer Studentenverbindung zu verleugnen, sagte einer, der selbst einem Männerbund angehört, seinen Namen aber nicht in der Zeitung lesen möchte. Ein anderer betonte, Weltoffenheit und Toleranz sei in Korporationskreisen "sehr wohl anzutreffen". Dahinter steckte natürlich die Frage: Warum hat sich Ahlhaus, der ja selbst betont, die Ghibellinia sei kein rechter Haufen, nicht zu seinen Heidelberger Freunden bekannt?

Ging die Beschwichtigungstaktik des angehenden Bürgermeisters schon nicht auf, produzierte die Opposition vollends einen Rohrkrepierer. "Die Hamburger möchten mit Sicherheit keinen Bürgermeister, der mit einer schlagenden Verbindung im Zusammenhang steht", unterstellte SPD-Vize Andreas Dressel. Was nicht nur er dabei ignorierte: Innerhalb der SPD treffen sich seit Jahren Mitglieder von Studentenverbindungen - sowohl Aktive als auch "Alte Herren" - im Lassalle-Kreis. Das aus der SPD-Spitze nachgeschobene Argument, die korporierten Genossen wie der Hamburger Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs seien aber total liberal und schlügen sich nicht mit dem Säbel, verfing auch nicht: Er umfasse "die gesamte Bandbreite des deutschen Korporationswesens", schreibt der Lassalle-Kreis über sich selbst.

Dass die SPD versucht, der GAL den Bürgermeister madig zu machen, um über Neuwahlen Rot-Grün ans Ruder zu bekommen, führt im Übrigen zu einer pikanten Frage: Was könnten die Grünen mit der SPD denn besser machen als mit der CDU? Spricht man Sozialdemokraten darauf an, folgt meist langes Überlegen, äh, hm, na ja, vielleicht die traditionelle Harmonie zwischen Roten und Grünen? Und, ach ja, man würde mehr Wohnungen bauen. Das ist sicher ein ehrenwertes Ansinnen - aber würde die GAL, deren Umfragewerte stabil, im Bundesvergleich aber eher mau sind, dafür jetzt die Koalition platzen lassen? Unwahrscheinlich. Dann schon eher aus einem irrationalen Grund wie der Person Ahlhaus.

Allerdings ist der auch nicht untätig und feilt eifrig an seinem neuen Image als Liberaler. Bei der Dom-Eröffnung am Freitag ließ er sich sogar geduldig von einem St.-Pauli-Fan fotografieren, der ungelenk mit seiner Handykamera herumhantierte. Dass Ahlhaus das Volksfest nur aus PR-Gründen besuchte, wiesen die Schausteller übrigens zurück. Zum Innensenator habe man schon mehrfach Kontakt gehabt, hieß es. Der Mann hat halt Verbindungen.