Der Sprengmeister entschärft seit 25 Jahren explosive Gegenstände: “Es ist das, was ich ziemlich gut kann.“ Angst kann er sich nicht erlauben.

Hamburg. Wenn es ernst wird, steht Peter Bodes allein in der ersten Reihe. Höchst konzentriert. Angst kann sich der 56-Jährige in seinem Job nicht erlauben. Seit 2007 ist er Leiter des Kampfmittelräumdienstes in Hamburg. Tausende Bomben, Granaten und andere explosive Gegenstände hat der erfahrene Sprengmeister in den vergangenen 25 Jahren entschärft.

Über genaue Zahlen kann und will er nicht sprechen. Überhaupt will er aus seiner Arbeit keine große Sache machen. Ja, der Job sei deutlich gefährlicher als andere. "Aber ich bin kein Künstler, sondern Techniker", sagt Bodes. Er will keinen Applaus, er will seine Arbeit gut erledigen.

149-mal sind Bodes und seine zehn Mitarbeiter allein in den ersten fünf Monaten dieses Jahres ausgerückt und hatten somit fast täglich einen Einsatz. Ihr wichtigstes Werkzeug bei den Bombenentschärfungen: ein Hochdruckwasserschneidegerät, mit dem die Profis den Zünder heraustrennen können. "Jeder Einsatz bedeutet auch, das eigene Leben zu riskieren - oder zumindest einen Finger, eine Hand oder einen Fuß." Das gehört zum Job. Sachlich-professionell gehe er mit der täglichen Gefahr um. "Ein Unglück - das passiert anderen, aber nicht mir: Dieser Gedanke hält einen über Wasser", sagt der Mann, der Schnauzbart trägt und mit hessischem Akzent spricht. Ende der 80er-Jahre warb ihn die Stadt Hamburg "mehr oder weniger" von der Bundeswehr ab.

Angst sei kein guter Begleiter in diesem Beruf. Er geht die Sache - oder besser die Entschärfung - stets rational und nicht emotionsgeladen an. "Der tägliche Behördenwahnsinn, die Bürokratie macht mich mehr fertig als eine Entschärfung."

Die Bürger bekommen vergleichsweise selten mit, wenn der Bombenexperte und sein Team im Einsatz sind. "Nur wenn es sich um größere Sprengkörper handelt und zum Beispiel Gebäude evakuiert werden müssen." Wie etwa im Oktober 2010, als auf dem Gelände des Getränkeherstellers Punica in Wilhelmsburg eine 500-lbs-Fliegerbombe entdeckt worden war. Für Bodes war es einer der spektakulärsten Einsätze in seiner Laufbahn. "Der 250 Kilogramm schwere Blindgänger lag in sieben Meter Tiefe im Wasser und besaß einen hoch empfindlichen Langzeitzünder mit Ausbausperre - er hätte jederzeit detonieren können."

Bodes tauchte damals hinab und entschied im trüben Wasser, dass die Bombe vor Ort gesprengt werden muss. Er verlagerte den gefährlichen Bombenblindgänger unter Wasser ein Stückchen, um überhaupt eine Vernichtungsladung anbringen zu können. "Man hat nur eine Chance, diese Sprengung durchzuführen." In diesem brenzligen Moment werde die Gefahr erst richtig real, gesteht der 56-Jährige. "Man denkt in dem Augenblick ja auch an das Team, das oben steht und auf einen vertraut."

Ungefährlich war auch die Sprenggranate nicht, die im März dieses Jahres in der Außenalster vorm Café Cliff gefunden wurde. "Damit hätte man zwei Familienhäuser in die Luft sprengen können", sagt Bodes. Um keinen Schaden anzurichten, sei die Sprenggranate in die Mitte der Außenalster geschleppt und dort mit einer Sprengstoffladung zerstört worden. Zwei schwierige Taucheinsätze seien nötig gewesen, um die Gefahr zu beseitigen. "Wir hatten dabei viele Zuschauer, was sonst eher selten vorkommt."

Ehefrau Brigitte hat sich daran gewöhnt, dass es zum Alltag ihres Mannes gehört, mehr als 60 Jahre der Witterung ausgelieferte Bomben unschädlich zu machen, die schon bei kleinsten Erschütterungen explodieren könnten. "Das ist eben unser Leben", sagt er und zuckt mit den Schultern. Außerdem habe sie ihn zu einer Zeit kennengelernt, als er noch Minentaucher bei der Marine war. Bodes grinst. "Auch kein ungefährlicher Job." Seine Eltern hatten schon damals Angst um ihren Sohn. "Sie waren gegen alle meine beruflichen Entscheidungen", erinnert er sich.

Wenn der Vater einer 18 Jahre alten Tochter gefragt wird, wie es dazu kam, dass er ausgerechnet Bombenentschärfer wurde, dauert es einige Sekunden, bis er eine Antwort findet. "Reiner Zufall" sei das gewesen, sagt er dann. "Ich bin da so reingeschlittert." Nein, ein Traumjob sei es natürlich nicht, ständig sein Leben zu riskieren. "Aber es ist das, was ich ziemlich gut kann, und ich bekomme letztlich Geld dafür." Dass er trotz dieser hohen physischen und psychischen Belastung bis 65 arbeiten muss, während Beschäftigte der Feuerwehr und Polizei schon mit 60 Jahren in Rente gehen, versteht er jedoch nicht. "Das ist schlecht geregelt", kritisiert der Leiter des Kampfmittelräumdienstes. Immerhin muss der Sprengmeister nach ganz vorne, während die anderen in sicherer Deckung sind.

Um sich vom Stress im Job zu erholen, schippert Peter Bodes am liebsten auf der Elbe mit seinem kleinen Boot. Dort steht er ausnahmsweise nicht allein in der ersten Reihe. Das Steuern übernehmen seine Frau Brigitte und seine Tochter Jasmin.