Sylvia Canel gewinnt denkbar knapp - die Bundestagsabgeordnete möchte das Lagerdenken bei den Liberalen überwinden.

Hamburg. Die FDP-Bundestagsabgeordnete Sylvia Canel ist neue Landesvorsitzende ihrer Partei. Die 53 Jahre alte Lehrerin setzte sich äußerst knapp gegen Parteivize Gerhold Hinrichs-Henkensiefken (56) durch. Für Canel stimmten auf dem Parteitag im Bürgersaal Wandsbek am Sonnabend 60, für ihren Konkurrenten 55 Delegierte bei vier Enthaltungen. Das entspricht einer Zustimmung für Canel von nur 50,4 Prozent.

Canel kündigte nach ihrer Wahl an, die notorisch zerstrittene Partei zusammenführen zu wollen. "Das knappe Ergebnis ist geradezu der Auftrag, dass wir aufeinander zugehen und das Lagerdenken überwinden", sagte Canel. Sie wolle sich für mehr innerparteiliche Transparenz einsetzen. "Parteiinterne Wahlen dürfen nicht so ablaufen, dass Kungelei eine Chance hat."

Fast schien es, als sei der Parteitag selbst überrascht vom eigenen Wahlergebnis. Sofort setzte die Diskussion über die Konsequenzen ein. Die Neuwahl war nötig geworden, nachdem Rolf Salo vor sechs Wochen als Parteichef überraschend und aus persönlichen Gründen zurückgetreten war. Seitdem hatte Hinrichs-Henkensiefken den Landesverband kommissarisch geführt. Bis zur Bürgerschaftswahl hatte ein Streit zwischen dem Salo-Lager und dem Lager der beiden Bundestagsabgeordneten Canel und Burkhardt Müller-Sönksen gelähmt.

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Hinrichs-Henkensiefken trug seine Niederlage mit Fassung. "Ich werde mich nicht ändern und im Landesvorstand weiter mit allen vertrauensvoll zusammenarbeiten", sagte der Parteivize. "Ich bin gelassen. Partei und Fraktion sind stabil. Wir können gut zusammenarbeiten", sagte die liberale Hoffnungsträgerin, Bürgerschafts-Fraktionschefin Katja Suding, die Hinrichs-Henkensiefken unterstützt hatte.

Canel hatte in ihrer Bewerbungsrede betont, die FDP auch im Bereich Kultur- und Sozialpolitik profilieren zu wollen. "Wir haben mehr Kraft als die vor sich hin dümpelnde CDU", riefCanel den Delegierten zu. Die SPD in der Regierungsverantwortung verwalte vor allem. "Sparen heißt nicht, auf politische Gestaltung zu verzichten", sagte Canel, die sich als Bildungspolitikerin und Gegnerin des EU-Rettungsschirms einen Namen gemacht hat.

Hinrichs-Henkensiefken hatte dagegen seine Erfahrung aus 36 Jahren Mitgliedschaft in die Waagschale geworfen. "Dass wir in den vergangenen Monaten Kurs gehalten haben, liegt auch ein bisschen an mir", sagte der Mitarbeiter der Innenbehörde. Seit dem Wiedereinzug in die Bürgerschaft 2011 nach sieben Jahren parlamentarischer Abstinenz hat der interne Streit in der Tat deutlich abgenommen.

Hinrichs-Henkensiefkens Ankündigung, als Parteichef kein eigenes Mandat anzustreben, überzeugte nicht genug Delegierte. Canel wies Kritik an ihrer Doppelbelastung als Bundestagsabgeordnete und Parteichefin zurück. "Ich kann beides gut vereinbaren", sagte sie. Viele andere FDP-Landesverbände würden von Bundestagsabgeordneten geführt.

Mit Canel rückt erstmals seit 32 Jahren wieder eine Frau an die Spitze. Helga Schuchardt, die die Partei 1982 verließ, hatte den Landesverband als erste Frau von 1975 bis 1980 geleitet. Zusammen mit Fraktionschefin Suding bildet Canel nun eine weibliche Doppelspitze. Seit 1993 hat die FDP zwölfLandeschefs "verschlissen".

Zu Beginn des Parteitags hatte der schleswig-holsteinische FDP-Spitzenkandidat Wolfgang Kubicki seiner Partei Defizite bei der Diskussion über Wege aus der Finanzkrise vorgeworfen. "Vielleicht hat die Tatsache, dass wir bei Meinungsumfragen gesunken sind, auch etwas damit zu tun, dass wir den Menschen keine Antworten auf dieFinanzkrise gegeben haben", sagte er. Neben einer Finanztransaktionssteuer forderte Kubicki, "Banken zu zerlegen". Das Prinzip "Zu groß zum Scheitern" dürfe nicht gelten.

Landesschatzmeister Ralf Lindenberg betonte in seinem Finanzbericht zwar, dass die Partei liquide sei. Eswerde aber immer schwieriger, Spenden zu akquirieren. "Wir müssen uns auf Sicht strukturell über Mitgliedsbeiträge finanzieren." Die Partei hat 1197 Mitglieder - rund 130 weniger als 2010. Lindenberg lobte Ex-Parteichef Salo: "Er sprang ein, wenn unser Etat für eine Veranstaltung nicht ausreichte."