Hamburgs Schulsenator reagiert skeptisch auf Niedersachsens Vorstoß. Kiel und Schwerin für gemeinsame Prüfungen von 2014 an.

Hamburg. Ties Rabe wirkte etwas genervt. Seit Wochen hatte Hamburgs SPD-Schulsenator hinter den Kulissen das Treffen der Kultusministerkonferenz am 8. März vorbereitet, deren Vorsitzender er derzeit ist. Wichtigstes Ziel: eine Einigung aller Bundesländer. Zumindest auf ein Verfahren, wie man zu einem bundesweit vergleichbaren Abitur kommen könnte. Und dann das: Elf Tage vor der Sitzung preschte sein niedersächsischer Amtskollege Bernd Althusmann (CDU) vor und verkündete, dass sechs Länder, inklusive Hamburg, von 2014 an ein länderübergreifendes Abitur einführen werden.

Und so saß Ties Rabe gestern nun im 15. Stock seiner Bildungsbehörde an der Hamburger Straße und präsentierte früher als geplant seine eigenen Pläne zur Reform des Abiturs in Hamburg. Eine Vergleichbarkeit der Prüfung zwischen Oberstdorf und Flensburg sei ja wünschenswert, sagte Rabe, auf Althusmann angesprochen. Aber zunächst müsse doch die Vergleichbarkeit innerhalb Hamburgs hergestellt werden. Von einem "bundesweiten Zentralabitur" sei man noch weit entfernt, denn das sei an einen gemeinsamen Prüfungstermin geknüpft. Darauf hätten sich aber nicht einmal die sieben Länder um Niedersachsen einigen können.

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Aus Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern kam hingegen Zustimmung zum Vorstoß aus Hannover. Sein Bundesland habe großes Interesse an einer raschen Umsetzung, sagte der Sprecher des Kultusministeriums in Kiel, Thomas Schunck. Im Fach Deutsch werde Schleswig-Holstein vom Jahr 2014 an dabei sein, bei Mathematik und Englisch vom Jahr 2015 an. Mecklenburg-Vorpommern werde von 2014 an in allen drei Fächern zunächst jeweils eine Aufgabe aus dem Prüfungspool verwenden, sagte Steffen Freiberg, Leiter des Ministerbüros im Schweriner Kultusministerium.

Niedersachsen hatte am Wochenende erklärt, dass bereits im Jahr 2014 die Abiturienten im Land dieselben Aufgaben in Deutsch, Englisch und Mathematik bearbeiten werden wie Prüflinge in Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Bayern. Damit will man Voraussetzungen für eine höhere Mobilität, mehr Chancengerechtigkeit und bessere Vergleichbarkeit der Abschlüsse schaffen.

Die Kultusministerien in Kiel und Hannover verwiesen gestern darauf, dass Experten derzeit gemeinsame Aufgaben für die schriftlichen Prüfungsfächer, für die Leistungskurse entwickelten. Auch die Terminierung der Abiturprüfungen sei noch in der Diskussion. Es wäre ideal, wenn die Abiturprüfungen an einem Tag stattfänden, sagte Corinna Fischer, Sprecherin des niedersächsischen Kultusministeriums. Sollte das nicht möglich sein, helfe ein Aufgabenpool weiter, aus dem die Länder sich bedienen könnten.

Opposition, Landeselternrat und Bildungsgewerkschaft in Niedersachsen kritisierten den Vorstoß des Bundeslandes. Bildungspolitisch werde der letzte Schritt vor dem ersten Schritt gemacht, erklärte Pascal Zimmer, Chef des Landeselternrats. Bevor Niedersachsen sich als Vorreiter positioniere, sollten im Land "die Missstände nach der Umstellung auf G8 an den Gymnasien bereinigt werden". Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sprach von einem falschen Weg. Stärkere Zentralisierung bedeutet oft, dass "das einfache Reproduzieren in der Prüfung und damit auch im Unterricht eine größere Bedeutung erhält", sagte Schulexperte Henner Sauerland.

Für SPD-Schulsprecherin Frauke Heiligenstadt macht Minister Althusmann die Abiturienten "erneut zu Versuchskaninchen". Linken-Bildungsexpertin Christa Reichwaldt sorgte sich derweil um den Tourismus. "Wenn sechs Bundesländer zeitgleich Ferien haben, werden die Hotels und Pensionen einen sechswöchigen Ansturm erleben und den Rest des Sommers ihre Zimmer schlechter vermieten können."

Unterstützung erhielt Althusmann vom Koalitionspartner FDP. "Eltern und Abiturienten wollen eine bundesweite Vergleichbarkeit", sagte Bildungsexperte Björn Försterling.