Ein bundesweites Zentralabitur bleibt unrealistisch. Aber Hamburg wagt ersten Schritt.

Es gehört aus Sicht vieler Bürger zu den großen Mysterien dieser Republik: Warum lernt ein Schüler in Baden-Württemberg eigentlich andere Dinge als einer in Brandenburg? Warum ist eine Abiturprüfung in Berlin nicht vergleichbar mit einer in Leipzig? Warum lächeln Bayern nur milde, wenn sie ein Hamburger Abiturzeugnis sehen? Und wie kommt es, dass eine Note Zwei an einer Schule im Stadtteil Harburg eine andere Aussagekraft hat als eine Zwei an einer Schule zehn Kilometer südlich im Landkreis Harburg?

Nun könnte man es sich einfach machen und sagen, das ist der Bildungsföderalismus, den die Gründungsväter dieser Republik halt so gewollt haben. Es ließe sich ergänzend anführen, dass ja auch ein Politikstudium in Bremen nicht mit einem solchen in Köln vergleichbar ist, ebenso wie eine kaufmännische Ausbildung bei Airbus nicht identisch ist mit einer bei der Allianz. Irgendwann endet man dann bei der Feststellung, dass wir in einer freien, pluralistischen Gesellschaft leben, in der ein jeder Bürger, aber auch jedes Unternehmen, jede Gemeinde, jede Stadt und jedes Bundesland innerhalb eines gewissen gesetzlichen Rahmens seinen oder ihren eigenen Weg gehen kann, auch und gerade in der (Aus-)Bildung. Und sind wir mit diesem Bildungswettbewerb nicht ganz gut gefahren, in den letzten 60 Jahren? Okay, nach jedem PISA-Test blickt das Land kurz in Schockstarre auf den Maya-Kalender: Wann soll noch der Weltuntergang sein? Aber auch außerhalb von Griechenlandkrisen kommen die allermeisten Bundesbürger wohl letztlich zu dem Urteil, dass ruhig alles so bleiben kann, wie es ist.

Allerdings lassen sich die urdeutsche Eigenart, alles einigermaßen Bewährte lieber nicht zu ändern, und das Unverständnis über die Unterschiede in unserem Bildungssystem nicht recht vereinbaren. Wer sich mehr Einheitlichkeit und Vergleichbarkeit wünscht, muss etwas ändern. In diesem Sinn hat Bildungssenator Ties Rabe einen begrüßenswerten Schritt getan. Er will die Abiturprüfungen in Hamburg um einige Monate nach hinten verlegen und bis auf wenige Ausnahmen vergleichbar machen, indem alle Abiturienten die gleichen Aufgaben erhalten.

Die Frage des Termins ist unstrittig: Die allermeisten Absolventen eines Gymnasiums erinnern sich mit Freude an die Party-Monate zwischen schriftlicher und mündlicher Prüfung. Unterricht findet in der Zeit kaum statt, was vor allem für jene Schüler widersinnig ist, die zuvor dem enormen Zeitdruck ausgesetzt waren, den das Abitur nach zwölf Jahren mit sich bringt. Diese Änderung ist überfällig - zumal Hamburg sich damit anderen Bundesländern angleicht.

Komplizierter ist das Ziel der vergleichbaren Schulabschlüsse. Das bundesweite Zentralabitur ist leicht gefordert, aber schon die erste und schlichteste Hürde scheint unüberwindbar: Wer allen Schülern die gleichen Aufgaben geben will, muss sie am gleichen Tag prüfen - sonst sickert das Abgefragte vorher durch. Das würde aber zur Folge haben, dass alle Bundesländer zeitgleich Sommerferien haben. Schließlich müssten die Schuljahre schon aus Gründen der Chancengleichheit parallel beginnen und dementsprechend auch enden. In einem zentralistischen Land wie Frankreich mag das funktionieren, im deutschen Föderalismus ist es kaum unvorstellbar.

Insofern tut Rabe gut daran, zunächst den näherliegenden Schritt zu gehen und eine Vergleichbarkeit innerhalb Hamburgs herzustellen. In einer an Schulreformdebatten reichen Stadt ist das schon ein großer Schritt. Der nächste müsste dann sein, sich mit den anderen Bundesländern zumindest auf gemeinsame Standards zu einigen. Viel mehr dürfte nicht drin sein. Aber dieses Land wird daran nicht zugrunde gehen.