Bank erhebt erste Forderung gegen Nordländer. Kopper schließt Schritte gegen Ex-Boss Nonnenmacher nicht mehr aus

Hamburg/Kiel. In Gesprächen über die HSH Nordbank durfte ein Wort gestern nie fehlen: virtuell. Virtuell seien zum Beispiel die Abschreibungen von fast einer Milliarde Euro, die die Anstalt der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein wegen einer Neubewertung der Aktien vornehmen muss. "Das ist ja bisher nur ein Buchverlust", erklärte der Haushaltsexperte der in Hamburg regierenden SPD, Jan Quast. Zahlen müsse dafür noch niemand. Die Finanzexpertin der oppositionellen Grünen in Schleswig-Holstein, Monika Heinold, stieß ins gleiche Horn: Der Wert der HSH spiele erst eine Rolle, wenn das Land seine Anteile verkaufe. Das stehe zurzeit aber nicht an.

"Es gibt keine Dramatik." Auch Roland Heintze, Haushaltssprecher der Hamburger CDU, äußerte sich vorsichtig: "Sollte der Länderanteil wirklich ein Drittel weniger wert sein, so ist das natürlich nicht erfreulich." Welche Auswirkungen das habe, sei abzuwarten.

Die Rettung der Bank sei richtig gewesen, weil die Insolvenz noch teurer geworden wäre. Zum 31. Dezember hatten Hamburg und Schleswig-Holstein mit rund 38 Milliarden Euro für HSH-Geschäfte gehaftet, erfuhr Heintze durch eine Anfrage an den Senat.

Einzig aus Sicht der Linkspartei sind die Probleme der einstigen Landesbank alles andere als virtuell. Er befürchte, dass der Wert der HSH - und damit der von den Ländern gehaltenen Anteile - weiter falle, sagte Finanzexperte Norbert Hackbusch. Die Bank halte sich nur mit Verkauf von Beteiligungen, Neubewertungen von Wertpapierbeständen sowie "Hin- und Herbuchungen" von Risikopositionen über Wasser", kritisierte Hackbusch.

Dafür spricht zumindest, dass die HSH erstmals die Garantie der Länder in Anspruch nimmt, die ebenfalls die Zweckgesellschaft "HSH Finanzfonds AöR" stellt. Gegenüber dieser habe sie eine "saldierte Forderung" in Höhe von 308 Millionen Euro, schreibt die Bank in einem Bericht, der den Parlamenten in Hamburg und Kiel zugeleitet wurde.

Abgeordneten ist es strengstens verboten, über die persönlich gekennzeichneten Unterlagen zu sprechen. Wie das Abendblatt erfuhr, sieht die Lage so aus: Verluste hat die Bank zunächst aus den drei Milliarden Euro zu decken, die die Länder ihr 2009 als frisches Kapital zur Verfügung gestellt hatten. Diese "Erstverlusttranche" war per 20. September 2011 jedoch mit 4,010 Milliarden Euro "virtuell ausgelastet", schreibt die Bank.

Ein Teil davon konnte durch Wertberichtigungen bereinigt werden, aber 341 Millionen Euro blieben übrig. Daher habe man "erstmalig ertragswirksam" eine Ausgleichsforderung gegen den Fonds "aktiviert" - die Summe wurde also schon als Eingang verbucht. Das werde aber mit einer Prämie in Höhe von 33 Millionen Euro für die Inanspruchnahme der Garantie verrechnet, sodass effektiv eine Forderung von 308 Millionen blieb.

HSH-Sprecher Rune Hoffmann sprach auf Abendblatt-Anfrage von einer "virtuellen Buchung" aufgrund erhöhter Risikovorsorge. Auf die Erstverlusttranche seien erst gut 200 Millionen Euro an "echten" Verlusten angerechnet worden. "Der Puffer ist unverändert groß." Sehr real waren dagegen zwei Mitteilungen, die die HSH gestern Abend herausgab. Zunächst hieß es, dass Vorstandsmitglied Martin van Gemmeren und der Generalbevollmächtigte Ulrich Voß "auf eigenen Wunsch" die HSH Nordbank verlassen. Zuvor hatten Vorstand Bernhard Visker und etliche weitere Führungskräfte dem Institut den Rücken gekehrt.

Und kurz darauf leitete Aufsichtsratschef Hilmar Kopper eine mögliche Kehrtwende hinsichtlich der Anklage gegen sechs frühere Vorstände ein. Die Staatsanwaltschaft Hamburg wirft ihnen schwere Untreue und Bilanzfälschung in Zusammenhang mit der undurchsichtigen Transaktion "Omega 55" vor. Der Aufsichtsrat prüfe nun, "ob die neue Sachlage es gebietet, die bisherige Bewertung der Verantwortlichkeiten der früheren Vorstände zu ändern", sagt Kopper. "Sollte dies der Fall sein, wird der Aufsichtsrat gebotene rechtliche Schritte gegen frühere Vorstandsmitglieder einleiten."

Bislang hatte sich Kopper demonstrativ vor den früheren Vorstandsvorsitzenden Dirk Jens Nonnenmacher gestellt, der aus seiner Sicht durch sämtliche internen Untersuchungsberichte entlastet wurde. Die Ex-Vorstände Peter Rieck und Jochen Friedrich waren hingegen entlassen und damit der Öffentlichkeit quasi als Schuldige präsentiert worden. Sie bestreiten die Vorwürfe aber energisch. Möglich, dass die HSH ihre Haltung nun ändert. Ihren Antrag auf Akteneinsicht hat das Gericht allerdings zurückgewiesen.