Der Blick auf den Turm soll von einem achteinhalbstöckigen Baukomplex verdeckt werden. Pröpstin Ulrike Murmann übt heftige Kritik.

Hamburg. Kommt es in Hamburg zu einem neuen Bürgerbegehren - diesmal um die geplante Bebauung vor der St.-Katharinen-Kirche an der Willy-Brandt-Straße? Es sieht so aus. Der Kirchenvorstand und die Interessengemeinschaft (IG) Katharinenquartier lehnen den gestern im Stadtplanungsausschuss vorgestellten Kompromissvorschlag ab und fordern einen Neubeginn der Diskussion.

Ihre Kritik richtet sich gegen einen Bauplan von Hochtief, nachdem der Kirchturm ihrer Meinung nach von einer hohen Bebauung verdeckt wird. Wenn der jetzige Plan ohne weiteren Diskurs vom Bezirk durchgesetzt wird, dann schaltet die IG Katharinenquartier ein Bürgerbegehren, das schon in der Schublade liegt, "scharf". "Das ist jetzt wie bei David gegen Goliath, und wir wissen ja, wie das endete", sagte Andreas Ackermann, Anwohner und Sprecher der IG.

Drangvolle Enge im Raum der Bezirksversammlung Mitte während der öffentlichen Diskussion. Und betretene Gesichter auf dem Podium, nachdem ein Kompromissvorschlag vorgestellt wurde. Die fundamentale Kritik der Pröpstin haben viele nicht erwartet. Die Baupläne würden einen "zu geringen Respekt" vor der Kirche zeigen. Ulrike Murmann: "Der Mensch kann nicht das Maß aller Dinge sein. Kirche steht auch für Werte. Eine Kirche muss eigentlich frei stehen; sie darf nicht zugebaut werden."

"Warum?", fragte Hubert Piske (SPD) die Pröpstin und Hauptpastorin, "haben Sie diese Kritik nicht früher geäußert?" "Das haben wir mehrfach", erklärte Ulrike Murmann ruhig und wiederholte die Forderungen nach einer "maßvollen, angemessenen und maßstäblichen" Bebauung. Seit zwei Jahren versucht der Bezirk, ein 8500 Quadratmeter großes Grundstück vor St. Katharinen bebauen zu lassen. Das Areal hat der Baukonzern Hochtief anhand bekommen (wir berichteten). Mehrfach wurde der Plan überarbeitet. Der jetzige Plan sieht in der Nähe der Kirche mehrere Wohnhäuser und einen 25 Meter hohen Büroriegel unmittelbar an der Willy-Brandt-Straße vor, der nötig sei, um die Bewohner vom Lärm der Hauptstraße abzuschirmen.

Würde der Block an der Straße stehen, wäre die Kirche nur noch von der Zollenbrücke aus zu sehen. Weiterhin könnte man den Kirchturm von der davor liegenden Fußgängerampel entdecken, wenn man durch einen Glasschlitz des Gebäudes schaut. Eine Vorstellung, die für mehrere Bürger "einen Horror" darstellt. Entsetzt fragte eine Frau aus dem Publikum: "Ich verstehe nicht, dass man sich so etwas noch traut. So etwas wie am Michel darf sich nicht wiederholen." Ulrike Murmann meinte, den vorliegenden Entwurf würde man im säkularen Hamburg nicht verstehen: "Die Hamburger lieben ihre Hauptkirchen." Zuvor hatten die Planer mit wohlklingenden Worten ("Klinkerlaibungen veredeln Häuser und geben ihnen ein Gesicht") für ihr Projekt geworben. 120 Wohnungen entstünden und ein Büroriegel mit einer Bruttogeschossfläche von 8070 Quadratmetern. Hochtief möchte den Bau in diesem Jahr beginnen. Bezirksamtsleiter Markus Schreiber meinte nach der Veranstaltung: "Der Diskurs geht weiter, das Bebauungsplanverfahren wird fortgesetzt." Wie? Das sei Sache des Ausschusses. "Oder der Politik".