Der schwarz-grüne Senat will die Teilnahmequote von Kleinkindern an den Früherkennungs-untersuchungen U6 und U7 erhöhen.

Hamburg. Im Rahmen eines zweijährigen Modellversuchs sollen alle Eltern per Postkarte auf die Untersuchungen hingewiesen werden. Familien, die sich dem Check verweigern, erhalten Besuch vom Jugendamt.

"Wir wollen probieren, ob wir auf diesem Weg eventuelle Vernachlässigungsfälle entdecken, die bislang unentdeckt blieben", sagte Gesundheitssenator Dietrich Wersich (CDU). Alle Anstrengungen in diesem Bereich sind nicht zuletzt Folgen des Todes der sieben Jahre alten Jessica im März 2005. Die inzwischen zu lebenslanger Haft verurteilten Eltern hatten das Mädchen qualvoll in ihrer Jenfelder Wohnung verhungern lassen. Das Martyrium war möglich geworden, weil Jessica durch alle Roste behördlicher Kontrolle gefallen war.

Die Teilnahmequote an der U6-Untersuchung (10. bis 12. Monat) hat sich in den vergangenen Jahren leicht auf 94 Prozent (2008) gesteigert. Bei der U7 (21. bis 24. Monat) erreicht der Wert 90,8 Prozent. Aber: In 19 Stadtteilen wird rund jedes vierte Kind nicht untersucht. In weiteren 14 Stadtteilen ist es sogar jedes dritte Kind. Darunter sind St. Georg, St. Pauli, Altona, Billstedt, Dulsberg und Wilhelmsburg.

So funktioniert der Modellversuch: Jährlich sollen die Eltern von rund 33 000 Kindern angeschrieben werden, die für U6 und U7 in Betracht kommen. Die Daten liefert das Einwohnermelderegister. Familien, die daraufhin ihr Kind bei einem Arzt kostenlos untersuchen lassen, geben die Postkarte ab. Der Arzt schickt die abgezeichnete Karte an die Meldestelle zurück.

Das Jugendamt übernimmt die Fälle, in denen es keine Reaktion der Familien gibt. Sozialarbeiter suchen diejenigen auf, die Hilfen zur Erziehung erhalten, um sie von der Untersuchung zu überzeugen. In allen anderen Fällen übernimmt das Gesundheitsamt, notfalls wird das Familiengericht eingeschaltet. Für die zusätzlich anfallende Arbeit ist vorgesehen, die Gesundheitsämter mit sechs Asklepios-Rückkehrern zu verstärken.

Mit scharfer Kritik hat die SPD auf die Pläne des Senats reagiert. "Senator Wersich macht Hamburg zum Schlusslicht bei den U-Untersuchungen", sagte die SPD-Familienpolitikerin Carola Veit. Andere Länder machten alle neun U-Untersuchungen verpflichtend, während sich Hamburg nur auf zwei beschränke.

Wersich wies darauf hin, dass die ersten fünf Untersuchungen kurz nach der Geburt stattfinden. Nach der U6 gebe es in Hamburg die verpflichtende Vorstellung der Viereinhalbjährigen in der Schule im Rahmen der Sprachstandserhebung und später die Schuleingangsuntersuchung. Wenn die Bürgerschaft den Modellversuch beschließt, kann er im Frühjahr 2010 starten.