Gastronomen und Initiatoren in der Schanze bedauern, dass ein zunächst friedliches Fest noch gewaltsam endete.

Hamburg. Im Café Katze werden gerade die Getränke angeliefert. Der Chef vom Il Cammino lehnt mit einem Kaffee in der Hand in der Eingangstür. Ein Restaurantbesitzer schiebt einen Einkaufswagen voll Mehl über die Piazza. Der Nieselregen hat eben ausgesetzt, und die durch die Wolkendecke dringenden Sonnenstrahlen locken die Ersten zur Mittagspause aus ihren umliegenden Büros. Es ist Montagmittag auf dem Schulterblatt. Vor dem Transmontana sitzt Studentin Marthe (24) mit einem Galão (portugiesischer Milchkaffee) und erzählt ihrer Freundin vom Wochenende.

Vor genau 36 Stunden saß Marthe auch hier, nur ein paar Läden weiter vor dem "BP 1", als plötzlich die Krawalle begannen und die Polizei mit Wasserwerfern auf das Schulterblatt stürmte. "Wir haben uns total erschrocken", sagt Marthe. "Bis dahin war alles so friedlich." Sie hatten sich so gefreut über die herumliegenden Federn von der Kissenschlacht vor der Roten Flora - die war als Zeichen des gewaltlosen Protests gedacht. Genau dort, wo dreieinhalb Stunden später Steine und Flaschen flogen und Autos angezündet wurden. "Schade, dass es so zu Ende gegangen ist." Schade. Das sagen viele an diesem Montag auf der Schanze. Auch Maria Sitokoustantinou. "Das waren Krawalltouristen. Junge Leute, die mit dem Viertel gar nichts zu tun haben", sagt die Kellnerin von der Taverna Olympisches Feuer. Ihr Mann ist Geschäftsführer im "O-Feuer", wie sie alle hier sagen.

Schon am frühen Abend hatte sie Jugendliche beobachtet, die rastlos über das Schulterblatt liefen und immer wieder zu ihren Handys griffen. "Ich habe gespürt, dass die auf irgendetwas warten", sagt sie.

Die, das waren meist 15- und 16-Jährige. "Kinder waren das. Die gehören um diese Uhrzeit eigentlich ins Bett", sagt Maria Sitokoustantinou. Da ist sie resolut. Irgendwann an dem Abend hat dann jemand ein Moped angezündet, nebenan im Innenhof. "Die waren ganz wild drauf, das mit den Handys zu fotografieren." Sitokoustantinou ist mit ein paar Kollegen hingegangen und hat das Feuer gelöscht. "Plötzlich waren die überall um uns herum." Später allerdings, als die Polizei mit den Wasserwerfern anrückte, hätten die Jugendlichen dann Angst bekommen - und versucht, sich zum Schutz in ihr Restaurant zu drängen. "Ich habe sie rausgeschmissen." Nur mit zwei Mädchen hatte sie Mitleid. Die hat sie hereingelassen.

Auf der Piazza füllen sich jetzt - mehr als einen Tag später - die Bierbänke. Vor der Roten Flora fotografieren sich die Passanten gegenseitig. Das Viertel ist längst fester Bestandteil im Standardprogramm für Hamburg-Touristen. Mittendrin lenkt Holger Halfmann sein Liegefahrrad über den Gehweg bis zu seiner Haustür. Der 43-Jährige wohnt direkt auf dem Schulterblatt. Er hatte einen Flohmarktstand auf dem Schanzenfest. "Lief gut", sagt er und lächelt kurz. Wie das ganze Fest, eigentlich. "Wir wollten beweisen, dass wir es auch friedlich können. Das war Konsens - auch mit den Flora-Leuten", sagt er. "Bis 1 Uhr ist das auch aufgegangen." Doch dann kamen die "Spaß-Randalierer", wie er sie verächtlich nennt. Und die Polizei? Er verzieht das Gesicht. "Die sind völlig unnötig so massiv vorgegangen", sagt er wütend. Dafür hätte es keinen Grund gegeben - im Gegenteil. "Hätten sich die Beamten weiterhin zurückgehalten, wäre es friedlich geblieben." Da ist Halfmann sich sicher.

Bei allem Ärger über die Krawalltouristen - die Polizei bleibt immer noch das größte Feindbild. "Ich habe auf der Straße Flaschen aufgesammelt, damit die nicht geworfen werden können", sagt Halfmann. "Die Polizisten sind einfach gekommen und haben mich dabei zu Boden geworfen. Die waren sehr aggressiv." Wie die Randalierer, die mit Steinen die Polizeiwache an der Stresemannstraße angegriffen haben. Das, sagt Halfmann unter dem Eindruck der Ereignisse, sei seiner Meinung nach eigentlich aber "gar keine schlechte Aktion gewesen". "War aber der falsche Tag." Man wollte ja friedlich sein - bei diesem Fest.

150 Meter weiter ist die "Buchhandlung im Schanzenviertel". Eine Institution der linken Szene. Dort arbeitet Peter Haß, einer der Organisatoren des Schanzenfests. Dass es doch wieder zu Ausschreitungen gekommen ist, lastet er der Polizei an. Schließlich sei auf dem Fest selbst nichts passiert. "Die Polizei kam angeblich her, um die Straftäter zu verfolgen, die die Scheiben der Wache eingeschlagen haben", sagt Peter Haß. "Ich frage mich, wie man das mit einem Wasserwerfer und Schlagstöcken machen will."

Der Vertreter der Organisatoren, Andreas Blechschmidt, geht sogar noch einen Schritt weiter. Er habe das Gefühl, dass die Polizei eingesetzt wurde, um das große Aufgebot zu rechtfertigen. "Dass es friedlich bleibt, hätte Innensenator Ahlhaus doch nicht auf sich sitzen lassen können", meint er. Und überhaupt: Dass die Krawallmacher in die Schanze gekommen waren, das habe der Innensenator mit seinen Äußerungen im Vorfeld provoziert. Blechschmidt: "Ohne massive Polizeipräsenz bleibt das Fest friedlich."