Nach der Einigung zwischen der Stadt und den Obstbauern kann nun gebaut werden. Doch einige Anwohner bleiben noch skeptisch.

Hamburg. Der Protest auf Finkenwerder ist schwarz-gelb. An vielen Hauswänden hängen die Schilder der Anwohner, die vor Erschütterung und Verkehrslärm warnen. Täglich fahren rund 24 000 Autos und Lkw durch den engen Ortskern. Insgesamt 36 Jahre haben die Finkenwerder gekämpft für eine Ortsumgehung. Jetzt soll sie tatsächlich Wirklichkeit werden. Seit gestern rollen Bagger und Tieflader im Bereich der Deponie Francop und dem Hakengraben. Zunächst wird die Böschung abgetragen, so die Sprecherin der städtischen Realisierungsgesellschaft (Rege), Nina Siepmann. Anschließend soll der gesamte Bereich verstärkt und für die Straße vorbereitet werden. In den vergangenen Wochen wurden bereits Kampfmittel aus dem Krieg geräumt und der Boden untersucht. Jetzt werden die Baustraßen eingerichtet, gleichzeitig beginnen die ersten Brückenarbeiten. Rund drei Jahre Bauzeit hat die Rege für die Straße eingeplant. 57 Millionen Euro wird die sechs Kilometer lange Strecke zwischen Francop und Finkenwerder kosten.

Die Menschen vor Ort bleiben trotzdem skeptisch. Zu oft schon haben sie Baustarts erlebt. Trotzdem warten sie schon seit fast 40 Jahren auf die Ortsumgehung. "Es wurde uns schon viel versprochen", sagt Linda Dulz. Sie ist auf Finkenwerder geboren. Seit 25 Jahren lebt sie mit dem Dröhnen der Motoren, mit der Gefahr vor der Haustür. "Wenn mein Sohn im Garten spielt, erschreckt er sich jedes Mal, sobald ein Laster um die Ecke kommt."

Zuletzt klagten die ansässigen Obstbauern 2005 gegen die Straße. Hintergrund: Für den Verlauf der Trasse mussten sie Obstanbaugebiet an die Stadt verkaufen. Die Verhandlungen über Ersatzflächen und Entschädigungszahlungen zogen sich über zwei Jahre hin, kosteten die Stadt am Ende 19,5 Millionen Euro. Erst am 27. März wurde der letzte Verkauf besiegelt. Der CDU-Wahlkreis-Abgeordnete Heiko Hecht ist sich sicher: "Für die Menschen auf Finkenwerder geht eine lange Episode des Wartens auf die Verkehrsentlastung endlich zu Ende."

Und auch Vera Bliemeister ist optimistisch: "Ich bin überzeugt, diesmal ist das Bauprojekt keine Luftblase", so die Anwohnerin. Den ersten Spatenstich habe sie von einigen Jahren schon einmal erlebt. Dann aber sei nichts mehr passiert. Seit Anfang der 1980er-Jahre lebt sie an der Straße, an der jeden Morgen die Autos Stoßstange an Stoßstange stehen. "Am schlimmsten sind die großen Lastzüge mit Überlänge", sagt sie. "Wenn die hier nachts langrollen, höre ich den Krach in meinem Schlafzimmer."

Voraussetzung dafür, dass jetzt tatsächlich mit dem Bau der Straße begonnen werden konnte, war, dass sich Stadt und Obstbauern über den Verkauf der benötigten Anbauflächen einigen. Gleichzeitig mussten die Bauern ihre Klage zurückziehen und auf weitere gerichtliche Schritte gegen den Bau der Ortsumgehung und die ebenfalls in der Region geplante Autobahn 26 verzichten. Für diese Einigung ist der Treuhandfonds Süderelbe mit 42 Millionen Euro eingerichtet worden, dem die Bürgerschaft 2007 zugestimmt hatte. Mit dem Geld sollen vor allem die Landwirte entschädigt werden, aber auch Ausgleichsmaßnahmen für die Umwelt bezahlt werden. Die Einigung zwischen Stadt und Obstbauern ist notariell beglaubigt. Eine weitere Klage der Bauern gegen die Straße ist also nicht mehr möglich. Läuft alles nach Plan, wird die Ortsumgehung zum 31. Juli 2012 für den Verkehr freigegeben.

Rege-Chef Heribert Leutner sagte zum Baustart: "Wir freuen uns, gemeinsam mit den unterschiedlichen Betroffenengruppen eine Lösung gefunden zu haben, mit der alle zufrieden sind." Voraussetzung dafür sei die Bereitschaft aller Beteiligten gewesen, sich an einen Tisch zu setzen. "Nur so war es möglich, sich gemeinsam auf die Einrichtung des Treuhandfonds zu verständigen, der den Weg für die Realisierung der Umgehung Finkenwerder geebnet hat", so Leutner.