Der einzigartige Lebensraum soll eine hohe Auszeichnung bekommen. Doch die Elbvertiefung ist der Stadt wichtiger.

Hamburg. Der Nationalpark Hamburgisches Wattenmeer könnte schon bald zum sprichwörtlichen "gallischen Dorf" im norddeutschen Wattenmeer werden - zum weißen Fleck inmitten eines ansonsten zum Unesco-Weltnaturerbe erklärten Wattenmeeres.

Von heute an bis zum 30. Juni tagt das Welterbekomitee der Unesco - der Uno-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur - in Sevilla und wird unter anderem über den Titel für das Wattenmeer entscheiden. Niedersachsen, Schleswig-Holstein haben sich Anfang 2008 beworben. Hamburg nicht. Weil das Planfeststellungsverfahren zur Elbvertiefung noch läuft und die CDU-geführte Wirtschaftsbehörde sowie der Bürgermeister diesbezüglich Bedenken hatten.

Für die GAL war und ist der Weltnaturerbestatus auch für das Hamburger Wattenmeer erklärtes Ziel. Eine entsprechende Vereinbarung wurde mit in den schwarz-grünen Koalitionsvertrag aufgenommen. Darin heißt es: "Das Wattenmeer wird zum nächstmöglichen Zeitpunkt (Februar 2009 zur Entscheidung im Juli 2009) bei der Unesco zur Anerkennung als Weltnaturerbe angemeldet." Dann kommt allerdings eine Einschränkung, die der CDU in die Hände spielt. Weiter heißt es: "Wenn das Planfeststellungsverfahren zu diesem Zeitpunkt noch dauert, wird das Gespräch wieder aufgenommen." Konkret bedeutet das: Solange das Planfeststellungsverfahren nicht abgeschlossen ist, müssen sich die Koalitionäre jedes Jahr neu entscheiden, ob sie das Hamburger Wattenmeer nominieren wollen oder nicht.

Tatsächlich ist es aber ziemlich unwahrscheinlich, dass Hamburg sich bewerben wird, bevor die nächste Elbvertiefung nicht in trockenen Tüchern ist. Zu groß sind die Bedenken der CDU, dass ein Welterbe im Watt die Genehmigung der Elbvertiefung und damit die Hafenwirtschaft gefährden wird. Aus diesem Grund hatte Hamburg bei der letzten Bewerbungsphase drei Tage vor Anmeldeschluss seine Nominierung zurückgezogen. Das hatte in Schleswig-Holstein und Niedersachsen für Unmut gesorgt.

Offiziell heißt es jetzt aus den beteiligten Behörden, man werde die Entscheidung der Unesco abwarten. Entscheidet die Unesco für den Weltnaturerbe-Status - und darauf deutet derzeit vieles hin -, dann wollen Vertreter der Umwelt- und der Wirtschaftsbehörde "zügig das Gespräch suchen", sagte Umweltstaatsrat Christian Maaß (GAL).

Dem Hamburger Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) dauert das alles viel zu lange. Die Umweltschützer forderten die schwarz-grüne Regierung auf, umgehend zu erklären, wann auch der Hamburger Teil des Wattenmeeres nominiert werden soll. "Es kann nicht sein, dass Hamburg weiterhin eine auch weltweit wahrgenommene Blockadehaltung an den Tag legt und die Bemühungen um den Schutz eines einzigartigen Lebensraumes ignoriert", sagte BUND-Landesgeschäftsführer Manfred Braasch.

Gibt es in dieser Woche ein Ja der Unesco, wäre das Watt die erste deutsche Naturlandschaft mit Welterbe-Status und stünde auf einer Stufe mit so bekannten Naturwundern wie dem Great Barrier Reef, dem Grand Canyon, den Galapagos-Inseln oder dem Serengeti-Nationalpark. Um diesen Ritterschlag zu begründen, wird die Einzigartigkeit des Watts von A wie Austernfischer bis Z wie Zwergseegras in dem mehrere Hundert Seiten starken Bewerbungsdossier beschrieben. "Es ist eine Landschaft von außergewöhnlicher Schönheit", heißt es in dem Papier über jene Gegend, die weit mehr zu bieten hat als kulleräugige Seehundbabys und Krabbenkutter-Romantik. So ist sie etwa die zentrale Drehscheibe des internationalen Vogelzuges von der Arktis über Sibirien bis nach Südafrika.