Die Volksdorfer sind wehrhaft. Mutig verteidigen sie die historische Bausubstanz des Museumsdorfes und alte Villen vor dem Verkauf.

Hamburg. Sie gehört zum Zentrum Volksdorfs, hier schlägt der Puls des Stadtteils. Die Straße Im Alten Dorfe ist zwar nur gut 500 Meter lang, führt aber vorbei an reetgedeckten Fachwerkhäusern, Restaurants, netten Geschäften, vielen Bäckereien und Cafés - und bietet so eine Menge "Lieblingsecken". Daran ändern auch die vielen Banken und Sparkassen nichts, die es erstaunlicherweise hier gibt.

Jürgen Fischer (66), früherer Direktor des Walddörfer Gymnasiums, hat gleich mehrere Lieblingsplätze: das Museumsdorf Volksdorf etwa, ein Ensemble aus Reetdachhäusern, wo er Vorsitzender des Trägervereins De Spieker ist. Und die unter mächtigen Bäumen liegende Ohlendorffsche Villa. Der Kulturkreis Volksdorf, dem er angehört, nutzt den denkmalgeschützten Prachtbau oft als Veranstaltungsort.

Ohne das Engagement der Volksdorfer würde es diese historischen Gebäude nicht mehr geben. "Anfang der 60er-Jahre wollte man den Harderhof, das Spiekerhaus und den Wagnerhof abreißen und stattdessen achtgeschossige Hochhäuser bauen", sagt Fischer. Um das zu verhindern, gründete sich De Spieker, der das Museumsdorf seit 1962 betreibt und vergrößerte: Die Wohldorfer Schmiede wurde hier wieder aufgebaut, auch die Grützmühle aus Hummelsbüttel - so ist mittlerweile tatsächlich ein kleines Dorf entstanden, wo wie anno dazumal Landwirtschaft betrieben wird.

Ähnlich erging es der Ohlendorffschen Villa. Bis vor einem Jahr war in den historischen Räumen das Ortsamt untergebracht. Nachdem es umgezogen war, wollte die Stadt die 1928 im Freimaurerstil erbaute Villa an einen Investor verkaufen - was die Volksdorfer mit einem Volksbegehren verhinderten. "Wir möchten hier keine kommerzielle Nutzung wie ein Hotel", sagt Fischer. "Das Gebäude soll kulturellen und sozialen Projekten im Stadtteil offenstehen." Ein weiterer Ort, den Fischer in der Straße Im Alten Dorfe schätzt, ist die Buchhandlung I v. Behr. Sie wurde 2002 von Angelika Schwabach übernommen. Die Buchhändlerin wurde vor 40 Jahren von der ehemaligen Inhaberin Ida von Behr ausgebildet, seitdem arbeitet sie in dem Laden. Ebenso wie sich die einst dörfliche Straße im Laufe der Zeit durch Neubauten verändert habe, seien auch die Bücher anders als früher, sagt Angelika Schwabach. "Sie sind schneller zu lesen und leichter verdaulich." Um dem Zeitgeist entgegenzuwirken, organisiert die zierliche Buchhändlerin mit dem Kulturkreis Volksdorf häufig Lesungen in der Ohlendorffschen Villa.

Das Stück Gehweg vor der Buchhandlung ist einer der Lieblingsplätze von Leonie (4). Hier sitzt nämlich seit fünf Jahren - fast jeden Tag - der Akkordeonspieler Nicolai und erfreut die Volksdorfer mit seiner Musik. "Früher hat Leonie zu Nicolais Musik getanzt, jetzt traut sie sich nicht mehr und gibt ihm lieber ein Geldstück", sagt ihre Mutter Ina Grüttner (40). Mehrmals in der Woche kommen die beiden zum Einkaufen her. Für Ina Grüttner ist die Straße die ideale Familienstraße - bestens geeignet, um mit Kindern einkaufen zu gehen.

Für Leonie sind die Touren, zu denen sie meist ihr kleines Fahrrad mitnimmt, ein lieb gewordenes Ritual mit willkommenen kleinen Abwechslungen: Mal gibt es ein Pixi-Buch bei Angelika Schwabach oder einen kleinen Edelstein aus dem Spielzeugladen "Spielschiff", mal ein Vollkorn-Croissant beim Lieblingsbäcker oder ein Eis mit Schokostreuseln im Eiscafé. Die Besuche der Straße Im Alten Dorfe enden für Leonie und ihre Mutter meistens auf dem kleinen Spielplatz vor dem Hansebäcker. "Es war eine gute Idee, hier Spielgeräte aufzustellen", sagt Ina Grüttner. Während die Kinder auf Wipptieren reiten, können die Eltern in Ruhe einen Kaffee trinken und klönen. Bäcker und Spielplatz befinden sich bereits auf dem Platz Weiße Rose, der sozusagen die Verlängerung der Straße Im Alten Dorfe ist.

Hier gibt es in typischen 70er-Jahre-Bauten alle möglichen Geschäfte. Zentrales Gebäude ist die alte Post. Für den Namen des Platzes hat ein einst hier ansässiger Arzt gekämpft, der Mitglied der Widerstandsbewegung gewesen war. An sie erinnert ein steinernes Denkmal in Form einer stilisierten weißen Rose. Für dessen Modernisierung haben sich 1993 die Volksdorfer und Jürgen Fischer mit seinen Schülern eingesetzt.

"Wir Volksdorfer sitzen gerne draußen", sagt Jürgen Fischer. Und tatsächlich haben an diesem herbstlich-frischen Tag einige Menschen vor den Cafés Platz genommen und genießen bei einem Cappuccino die Sonne. So wie Jutta und Dieter Suckert (beide 71), die sich mit ihrem Pudel Max vor das Eiscafé gesetzt haben. Sie kommen oft hierher. Die Straße Im Alten Dorfe verwirkliche ein einmaliges städtebauliches Konzept, finden sie. "Der moderne Einkaufsplatz und das alte, bäuerliche Dorfzentrum sind zwar Kontrapunkte", sagt Dieter Suckert. "Doch die enge Verbindung zwischen Alt und Neu prägt die Straße und macht ihren Charme aus."

All zu viel Neues sollte aber nicht hinzukommen, finden viele Volksdorfer. Schräg gegenüber dem Museumsdorf, neben der historischen Liebermann-Villa, wird momentan ein Neubaukomplex errichtet, der das Straßenbild verändern wird. Das reicht, finden auch die Bezirkspolitiker. Nachdem im Sommer auf dem Grundstück daneben die denkmalgeschützte Räucherkate abgebrannt war, wurde überlegt, hier ebenfalls neu zu bauen. Bürger und Politiker hoffen auf einen politischen Beschluss zugunsten eines Wiederaufbaus der Kate. Damit Im Alten Dorfe auch dieses Kleinod erhalten bleibt.