Eine reine Wohngegend. Ruhig ist es hier aber nicht immer - der Flughafen liegt nebenan. Thomas Andre und Stephan Wallocha haben sich umgehört.

Hamburg. Wenn man ein böser Spötter wäre, würde man behaupten: Das, was da in ein paar Hundert Metern Entfernung passiert, ist das einzig Aufregende am König-Heinrich-Weg. Über dem Swebenweg steigen die großen Vögel in die Luft, in dieser Minute sind es gleich vier Stück. Die Niendorfer haben gelernt, mit dem Fluglärm des Airports Fuhlsbüttel zu leben. Helmuth Peymann sagt, das fällt einem irgendwann gar nicht mehr auf, wenn die Flugzeuge starten oder landen.

Helmuth Peymann lebt eigentlich sein Leben lang schon am König-Heinrich-Weg. Ein bisschen hat er auch in Stellingen gewohnt und auch mal ein paar Jahre in Rellingen. Aber richtig wohl fühlt er sich nur am König-Heinrich-Weg. Weil dort, in einer lang gestreckten Straße, die von der Lohe bis fast zum Swebenweg führt, zwar nicht so schrecklich viel los ist, man aber so ziemlich das harmonischste Leben führen kann, das in einer reinen Weltstadt wie Hamburg möglich ist - wenn man denn die Ohren auf Durchzug stellt, sollten mal wieder Flugzeuge über Niendorf fliegen. "Aber so laut sind die sowieso nicht", sagt Peymann, der 1951 am König-Heinrich-Weg 252 geboren wurde. In einem Behelfsheim im hinteren Bereich des Grundstücks, die Nachbarin war damals Hebamme. Später bauten die Eltern ein neues Haus, es rückte weiter vor in Richtung Straße, 1961 war das. Zweimal wurde der Gelbklinkerbau ausgebaut. Peymann, Werbegestalter von Beruf, lebt hier mit seinem Sohn Oliver (27). Und Spider-Man. Der sitzt auf dem Dach des schlichten Hauses, sprungbereit. Eine stattliche Plastikfigur, die Peymann vor zwei Jahren angebracht hat. An einem Fahnenmast wehen die Stars 'n' Stripes - seine Tochter lebt seit vielen Jahren in den USA, und Peymann ist oft drüben. In seiner Garage steht ein Hummer, das sind diese klobigen Geländewagen aus Amerika. Nicht zuletzt deswegen ist das Anwesen Peymanns eines der auffälligsten am König-Heinrich-Weg. Früher, als der kleine Helmuth auf den Torfbergen spielte, war die Besiedelung noch dünner hier. Jedes Jahr sind neue Häuser dazugekommen. Jetzt stehen nebeneinander Villen, Flachdachhäuser und Mietbauten.

"Es sind viele neue Nachbarn zugezogen", stellt Peymann fest, "hier findet ein Generationswechsel statt".

Die Jahns leben schon seit 1966 am König-Heinrich-Weg. Damals war Oliver Jahn drei Jahre alt. Seine Eltern bauten das Haus, in dem Jahn heute mit seiner Frau Minou Tikrani lebt. Es sieht etwas anders aus als früher. Die Eltern zweier Töchter haben angebaut, außerdem über der verputzten Steinwand eine neue Außenhaut angebracht - das Haus ist ein Holzhaus geworden, umgeben von einem blühenden Garten. In dem hat die Familie ihren eigenen Beach-Club, wie Jahn scherzhaft sagt - "wir haben Sand aufschütten lassen."

Eine kleine Extravaganz, die trotzdem ganz gut zu den Bewohnern des König-Heinrich-Wegs passt: Sie lassen es sich in ihrer Heckenidylle gut gehen. "Am Anfang konnte ich mir nicht vorstellen, hier hinzuziehen", sagt Minou Tikrani, "aber dann kamen die Kinder." Vorher lebte das Ehepaar in Winterhude, dann kam der Umzug ins Elternhaus Oliver Jahns. Er sagt: "Wer ein Eigenheim haben will, für den ist das hier attraktiv und erschwinglich."

Mit dem Auto in die Stadt, das dauert eine Viertelstunde - und in Niendorf hat man, wie der Name schon sagt, den dörflichen Charme der Hamburger Peripherie. "Hier nimmt der Nachbar deine Post entgegen, und jeder gibt auf den anderen acht", sagt Jahn, der zusammen mit seiner Frau eine PR-Agentur betreibt - das Büro befindet sich im Haus.

Jeden kennen in dieser nicht enden wollenden Straße kann man natürlich nicht. Es gibt hier nicht mehr viele Treffpunkte, seit das auch über die Stadtteilgrenzen hinaus bekannte Restaurant Lutz & König vor ein paar Jahren dichtgemacht hat. Ein Blumenladen noch, das war's. Der König-Heinrich-Weg ist eine reine Wohnstraße mittlerweile. "Früher gab es hier Handwerker und einen Krämerladen", erinnert sich Helmuth Peymann. Das war zu der Zeit, als noch keine Flugzeuge über den König-Heinrich-Weg flogen.

Jetzt sorgt Peymann selbst dafür, dass sich die Nachbarschaft regelmäßig trifft. Zu Heiligabend hat der 58-Jährige Geburtstag, seit vielen Jahren lädt er da zum Brunch, dann ist sein Haus voll. "Wenn ich mal Weihnachten in Amerika bin und das Brunchen ausfällt, fehlt den Leuten richtig was."