Die Bewerber um das Amt des niedersächsischen Ministerpräsidenten stellen sich heute Abend bei Regionalkonferenz in Lüneburg vor.

Winsen/Lüneburg/Stade. Rund 65.000 SPD-Mitglieder in Niedersachsen haben eine echte Wahl. Mit dem hannoverschen Oberbürgermeister Stephan Weil (52) und dem SPD-Landesvorsitzenden Olaf Lies (44) bewerben sich zwei sehr unterschiedliche Männer um die Spitzenkandidatur bei der Landtagswahl am 20. Januar 2013. Am 1. Adventssonntag, 27. November, findet die Urwahl statt in über 700 Ortsvereinen, noch am Abend soll das Ergebnis feststehen. Heute Abend in Lüneburg beginnt das Schaulaufen der Kandidaten mit der ersten von sieben Regionalkonferenzen, auf denen Weil und Lies sich der Basis stellen.

Die eine Frage; die sich die Genossen dabei eher leise stellen werden: Welcher der beiden Kandidaten hat die besseren Chancen, es mit dem Amtsinhaber Ministerpräsident David McAllister (CDU) aufzunehmen? Mindestens auf den ersten Blick spricht das für den gestandenen Kommunalpolitiker Weil. Der regiert immerhin schon seit 2006 die mit Abstand größte Stadt im Land, ist Bundesvorsitzender der Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik (SGK). Weil ist gelernter Jurist, verheiratet, Vater eines erwachsenen Sohnes. Er war ab 1997 Stadtkämmerer von Hannover. Er ist schlagfertig und selbst die politische Konkurrenz bestätigt ihm neben Sachkunde die Fähigkeit, mit Menschen ungezwungen umzugehen.

+++Weil oder Lies - Basis bestimmt SPD-Kandidaten+++

Und er hat in der Partei ganz offenkundig die stärkeren Bataillone. Hinter ihm steht nicht der nur mitgliederstärkste Bezirk Hannover, er wird ganz offen unterstützt auch vom Chef des Nachbarbezirks Braunschweig, Hubertus Heil. Der gehört einer jüngst gegründeten "Unterstützerinitiative" für Weil an. Dieser Schulterschluss ist ungewöhnlich, weil die Bezirke Hannover und Braunschweig sich sonst in allen Personalfragen spinnefeind sind.

Weil und Lies vermitteln beide, dass ihnen Politik Spaß macht. Und Lies hat im vergangenen Jahr gezeigt, dass er kämpfen und gewinnen kann. Da setzte er sich in einem ähnlichen Marathon von Regionalkonferenzen als neuer Landesvorsitzender durch gegen Stefan Schostok (Hannover). Lies ist erst seit 2008 im Landtag aber er hat sich dort schnell frei geschwommen, gilt als guter und zuspitzender Debattenredner. Er hat seit Amtsantritt unzählige Ortsvereine besucht. So was weiß die Basis durchaus zu schätzen. Lies ist Elektroingenieur, arbeitete bis zu seinem Wechsel in den Landtag an der Fachhochschule Wilhelmshaven als wissenschaftlicher Mitarbeiter. Er lebt in Friesland, ist verheiratet, hat zwei kleine Töchter sowie Esel, Katzen und Kaninchen. Und wenn dann noch Zeit bleibt, bastelt er gerne an seinem Trecker Jahrgang 1953. Von der Kandidatur haben ihm viele Parteifreunde abgeraten, auch der SPD-Bundesvorsitzende Sigmar Gabriel. Er steht deshalb unter dem Druck, bei den Regionalkonferenzen unbedingt punkten zu müssen. Und er geht aufs Ganze: Für den Fall der Niederlage gegen Weil hat er angekündigt, dass er auch den Landesvorsitz niederlegen wird. Im Umkehrschluss hat Weil sich darauf festgelegt, dass er eben diesen Landesvorsitz anstrebt und auch im Falle einer Wahlniederlage - dann vermutlich als Oppositionsführer - vom Rathaus in den Landtag wechseln will.

Mit Sympathie allein werden die Bewerber bei der Regionalkonferenz in Lüneburg beim Mitgliederentscheid über den SPD-Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten nicht punkten können. Die obersten Repräsentanten in Stadt und Landkreis Lüneburg, die Sozialdemokraten Landrat Manfred Nahrstedt und Oberbürgermeister Ulrich Mädge, haben genaue Vorstellungen, was ein SPD-Ministerpräsidenten für die Region leisten muss.

Landrat Manfred Nahrstedt hat einen Wunschkandidaten. "Ich möchte, dass Stephan Weil Ministerpräsident wird", sagt er. Dem Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Hannover attestiert der Lüneburger Landrat hohe kommunalpolitische Kompetenz. Doch der Landrat verteilt nicht nur Lob an seinen Wunschkandidaten. Er stellt auch klare Forderungen an ihn, für den Fall, dass er der nächste Ministerpräsident Niedersachsens wird. "Ich erwarte, dass die Region Lüneburg stärker in den Fokus der Landespolitik rückt. Zurzeit sind wir weit weg von Hannover", sagt er.

Das sieht auch Lüneburgs Oberbürgermeister Ulrich Mädge so. "Hannover liegt schließlich nur 130 Kilometer entfernt und nicht 1300 wie zurzeit manchmal gefühlt", sagt er. Die Region Lüneburg habe eine besondere Bedeutung als Scharnier zwischen der Metropolpolregion Hamburg und dem südlich-westlichen Niedersachsen. Nahrstedt sieht sich in der Position, Forderungen zu stellen. "Ein Blick auf die Landkarte zeigt, dass Stadt und Kreis Lüneburg die einzigen in SPD-Hand sind zwischen Cuxhaven und Celle." Somit werden ihm zufolge Stadt und Landkreis entscheidend dazu beitragen, dass die SPD das Ruder im Land übernehmen kann. "Wir bringen als starke SPD ein dickes Pfund ein."

Darum erwartet er, dass die Region sich im Kabinett eines sozialdemokratischen Ministerpräsidenten mit einem Minister und einem Staatssekretär wieder findet. Doch das ist nicht alles, was sich der Landrat nach einem möglichen Regierungswechsel von Hannover verspricht. Zudem fordert Nahrstedt von einem SPD-Ministerpräsidenten, dass er sich für die Ertüchtigung des Schiffshebewerks in Scharnebeck beim Bund stark macht und erhält dabei Unterstützung vom Oberbürgermeister.

Aber auch bei der Schulpolitik setzt der Landrat auf gravierende Veränderungen. "Die Hürden für die Gründung Integrierter Gesamtschulen müssen sinken. Zudem müssen Schulen selber entscheiden dürfen, ob sie das Abitur nach zwölf oder 13 Jahren anbieten." Bares will der Landrat auch sehen - und zwar für die Deiche an der Elbe. "Wir müssen sie erhöhen, um auf das gleiche Sicherheitsniveau mit denen in Brandenburg zu kommen, die inzwischen höher als unsere sind. Und ich würde mir wünschen, dass der künftige Ministerpräsident den Hafen-Hinterland-Verkehr im Sinne einer funktionierenden Wirtschaft und im Sinne der vielen Menschen, die pendeln müssen, organisiert." Das heißt für Mädge, dass die Y-Trasse möglichst bald für den Güterverkehr ausgebaut wird, und dass die vorhandenen Gleise an der Strecke Hamburg-Hannover für den Fern- und Nahverkehr ertüchtigt werden. "Wir brauchen den Ministerpräsidenten an unserer Seite für den Bau der A 39 mit entsprechendem Lärmschutz und Deckelung in Lüneburg." Gorleben ist für den Oberbürgermeister ein weiteres Stichwort, das ins Päckchen für den künftigen Ministerpräsidenten gehört. Mädge: "Wer die Region nach vorn bringen will, muss Gorleben befrieden." (abendblatt.de)