Die Wähler in Niedersachsen setzen stärker auf projektbezogene Politik als auf Parteien.

Nach jeder Wahl neigen Politiker aller Couleur dazu, sich das Ergebnis schönzureden. Und so hören wir auch jetzt, nach der niedersächsischen Kommunalwahl vom vergangenen Sonntag, wieder die sattsam bekannten Argumente. "Hier ist der Sieger, hier ist die Nummer eins", tönt uns Ministerpräsident David McAllister entgegen. Ohne die CDU gehe "gar nichts". Die Sozialdemokraten sehen ihre Wahlziele ebenso erreicht wie die Linkspartei, die Grünen jubilieren über ihren Stimmenzuwachs, allein die Liberalen kommen gedämpft daher.

Mit Grund. Zwar betont der FDP-Landeschef und Umweltminister Hans-Heinrich Sander, dass die Liberalen in allen Kreistagen vertreten sind. Doch dort sitzen sie nur, weil es bei Kommunalwahlen nun mal keine Fünf-Prozent-Hürde gibt. Bei Landtagswahlen ist das anders. Bleibt der Trend erhalten, ist McAllister in zwei Jahren seinen derzeitigen Partner los und Rot-Grün hätte eine Mehrheit.

Doch eigentlich haben sie alle verloren.

Einziger Sieger - wenn wir den Terminus in diesem Zusammenhang denn gelten lassen wollen - sind die Nichtwähler. Nur gut die Hälfte aller Wahlberechtigten in Niedersachsen ist zu den Urnen gegangen. In der größten niedersächsischen Stadt im Hamburger Umland - Lüneburg - waren es sogar nur 48 Prozent. Ein schwaches Bild. Gerade weil es nicht um die gern so genannten großen Themen der Finanz-, Außen- und Verteidigungspolitik gegangen ist, sondern um den Zebrastreifen am Ortsausgang oder die Sanierung der lokalen Grundschule.

Dabei sind die Bürger durchaus an Vorschlägen und Lösungen interessiert. Doch dem bekannten Parteienspektrum scheinen sie offenbar nur wenig zuzutrauen. Das kommt nicht von ungefähr. Gerade in den Städten und Gemeinden wird die Geldknappheit bei stetig wachsenden Aufgaben besonders augenfällig.

Der Gestaltungsspielraum geht gegen null, immer mehr Kommunen stehen unter strikter Finanzaufsicht. Aber die Menschen erwarten, dass Schlaglöcher in den Straßen beseitigt werden. Sie wollen keine Patenschaften dafür übernehmen. Sie möchten bezahlbare Plätze in Kindertagesstätten, und die in ausreichender Zahl.

Und wenn das alles schon immer weiter ins Reich der Utopie rückt, wollen sie bei den wesentlichen Entscheidungen in ihren Städten und Dörfern wenigstens ein Wörtchen mitreden. Diese Chance aber bieten vor allem CDU und SPD immer noch zu selten. Das zeigte schon ein Blick in die Kandidatenlisten der an Hamburg grenzenden niedersächsischen Landkreise bei dieser Wahl.

Wer sich heute politisch engagieren möchte, sucht den Einstieg weniger über eine Partei als über ein Thema. Von diesem Trend, der auch Vereine und Kirchen erfasst hat, profitieren allenfalls die Grünen. Noch immer zehrt die Partei von ihrem ökologischen Image, wird ihr Kompetenz in fest umrissenen Themenfeldern wie dem Umweltschutz oder dem Kampf gegen die Kernenergie zugestanden. Die Landtagswahl in Baden-Württemberg ist dafür ein Beispiel. Ohne den Volkszorn über Stuttgart 21 hätte das Ländle keinen grünen Ministerpräsidenten. Es war zuvorderst eine kommunalpolitische Entscheidung.

Aus ähnlichen Gründen profitieren gerade bei Kommunalwahlen die vielen Wählergruppen und Bürgerinitiativen. Sie füllen genau die Lücke, die von den Altparteien hinterlassen wird. Bieten sie doch gerade die Form von projektbezogener Politik an, die heute so oft gesucht wird. Wer sich gegen den Straßenausbau oder die neue Biogas-Anlage am Dorfrand auflehnt, dem wird auch zugetraut, die Belange der Gemeinde insgesamt besser zu vertreten als die bekannten Parteien, denen gern unterstellt wird, sie verwalteten eher ihre eigene Ohnmacht.