Das exklusive Wohnquartier mit teilweise rauhem Hafen-Charme besitzt auch Konfliktpotenzial. Der Quadratmeter kostet hier schonmal 5100 Euro.

Harburg. Eines der exklusivsten Wohnquartiere Hamburgs entsteht zurzeit im Harburger Binnenhafen. 86 Mietwohnungen und 76 Eigentumswohnungen lässt die Provinzial Rheinland von ihrem Projektpartner "Marina auf der Schlossinsel GmbH" errichten. Das Quartier mit Bootsliegeplätzen wird zwei Seiten zum Wasser und zwei Seiten zu einem Park haben - das gibt es sonst nirgendwo in Hamburg. Im Dezember 2012 sollen alle Wohnungen bezugsfertig sein. Beim Binnenhafenfest am Wochenende durften Besucher schon einmal das Wohngefühl auf Harburgs Schlossinsel ausprobieren und eine möblierte Muster-Mietwohnung auf der Baustelle besichtigen. Wie es sich zu einem Quartier am Wasser gehört, brachte die Barkasse "Togo" die Gäste zum Besichtigungstermin.

Der Flugzeugingenieur Oliver Stumpe, 44, aus Bahrenfeld hat zusammen mit dem EDV-Administrator Ron Kuntze, 43, und der Laborantin Nicole Martens, 40, beide aus Barmbek, die erste Wohnung der "Marina" angeschaut. "Die Lage ist schon nett", sagt Oliver Stumpe mit Blick auf das Wasser.

Aus der Badewanne sieht der Mieter auf Wasser, Hafen, und das Gebäude der Hafenpolizei. Oliver Stumpe, begeisterter Kanute, gefällt die Möglichkeit, direkt unter der Wohnung einen Bootsplatz für 60 Euro im Monat mieten zu können. Billig ist das Wohnen auf der Schlossinsel nicht: Der Quadratmeterpreis für Eigentumswohnungen liegt bei bis zu 5100 Euro. Die 95 Quadratmeter große Musterwohnung würde 1200 Euro Miete im Monat kosten - kalt. Dafür gibt es Eichenparkett, eine offene Wohnküche mit Einbauelementen, dreifachverglaste Fenster, Fußbodenheizung. Die Miete sei nicht zu viel: "In Hamburg gibt es nichts Vergleichbares, da sind die Mieten noch höher", sagt Nicole Martens. Trotzdem erwägt sie keinen Umzug auf die Schlossinsel. Solange sie nördlich der Elbe arbeite, sagt die Laborantin, sei ihr der Weg aus Harburg einfach zu weit.

Einen Supermarkt gibt es im Binnenhafen nicht. Dafür einen Kindergarten. Ein zweiter in der Trägerschaft des DRK wird folgen. Wer das Fenster auf der Schlossinsel öffnet, muss damit rechnen, Geräusche von der benachbarten Werft oder den durch den Binnenhafen fahrenden Güterzügen zu hören. "Man muss Pioniergeist mitbringen, um hier im rauen Hafen-Charme zu leben", sagt Christian Pützhofen von der Marina auf der Schlossinsel GmbH. Genau diesem Hafencharme erliegen offenbar viele. Fünf Wochen nach Vermarktungsstart seien bereits 14 Wohnungen verkauft. Von den 162 Wohnungen sei knapp ein Drittel fest reserviert.

Der Wandel des Harburger Binnenhafens von einem Bürostandort zu einem gemischten Quartier mit Wohnungen sei unumkehrbar. Der "Point of no Return" sei erreicht, sagte die Projektkoordinatorin der Internationalen Baustellung (IBA) Hamburg GmbH, Karen Pein, bei einer Podiumsdiskussion zur Entwicklung des Harburger Binnenhafens zum Auftakt des Binnenhafenfestes am Freitagabend. In den nächsten zehn bis 20 Jahren sei dazu aber noch viel zu tun. Wichtig sei es, die Einwohnerzahl im Binnenhafen zu erhöhen, damit Supermärkte und andere Geschäfte folgen. Im Herbst wird der 1,5 Hektar große Park auf der Schlossinsel geöffnet und wird dann das einzige Grün zur Naherholung für die Einwohner im Binnenhafen sein.

Zusätzlich zu den 162 Wohnungen der "Marina" entstehen an dem Park insgesamt 45 Wohnungen. In das Quartier am Park wird auch der DRK-Kindergarten einziehen. Weitere 150 Wohnungen werden 2013 am Kaufhauskanal fertig sein. Das Vorhaben sei schon dreimal beerdigt worden, sagte Karen Pein, sei jetzt aber sicher. Mit dem Winterfahrplan 2012/13 wird ein Linienbus den Binnenhafen ansteuern.

Die frühere Brache der Deutschen Bahn, heute "Harburger Brücken" genannt, entwickelt die Aurelis Estate nach Einschätzung ihres Architekten Olav Janssen voraussichtlich bis 2014 und damit drei Jahre früher als geplant. Die Aurelis baut auf eigene Kosten eine neue Straße im Binnenhafen. Die sogenannte "Nord-Süd-Straße" soll später öffentlich gewidmet werden. Fertig werde die Straße gebaut, wenn 80 Prozent der geplanten Hochbauten errichtet sind - laut Jansen könnte das 2014 so weit sein. Angelika Hillmer von der KulturWerkstatt Harburg appellierte an die Entwickler und Investoren, die Erinnerung an das frühere Hafenviertel zu bewahren und einige historische Schuppen und Gebäude zu erhalten. Der Ursprung des Viertels müsse sichtbar bleiben.

Wenn mehr Menschen in den Binnenhafen ziehen, dürfte es in naher Zukunft zu Konflikten zwischen den neuen Einwohnern in hochpreisigen Wohnungen und den gewerblichen Nutzern kommen. "Die Konflikte werden zunehmen", sagt Henning von Ladiges voraus. Niemand, der in den Binnenhafen ziehe, so der Planungsamtsleiter im Bezirk Harburg, dürfe davon ausgehen, dass es hier "wie am Stadtrand in Fischbek oder in Neu Wulmstorf zugehe". Im Binnenhafen werde nicht alles komplett und perfekt sein.