Bürgermeister, Parteien und Wirtschaft wollen den Neubau - doch die Stadtentwicklungsbehörde stellt sich quer. SPD plant Bürgerschaftsbeschluss.

Wilhelmsburg. Hamburg soll ein Auszubildenden-Wohnheim mit rund 500 Plätzen bekommen - so weit sind sich die Stiftung Azubiwerk, Politik, Institutionen wie die Handelskammer und namhafte Unternehmen einig. Der Bedarf ist groß, zurzeit absolvieren mehr als 38 300 junge Menschen ihre Ausbildung in der Hansestadt. Auch Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) unterstützt das Vorhaben. Doch die federführende Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) offensichtlich nicht: "Die Stadt wird ein Grundstück nicht kostenlos zur Verfügung stellen, die Stiftung müsste dieses käuflich erwerben. Auch eine finanzielle Förderung des Vorhabens wird es von der Stadt nicht geben", sagte Behördensprecher Frank Krippner dem Abendblatt.

Diese Aussage ist durchaus erstaunlich: Denn die SPD-Fraktion hatte bereits im Dezember 2011 einen Antrag in die Bürgerschaft eingebracht. In diesem wird der Senat zum einen aufgefordert zu prüfen, inwiefern die Stiftung mit einem geeigneten Grundstück unterstützt werden kann - dabei ist von dem Grundstück als "Zustiftung" die Rede. Zum anderen solle geprüft werden, "wie ein einmaliger städtischer Beitrag zur Finanzierung des Starts der Stiftung realisiert werden kann."

Allerdings wurde dieser Antrag in den Wirtschaftsausschuss überwiesen und dort seit sieben Monaten nicht weiter behandelt. Nach Abendblatt-Informationen geschah dies, um der BSU die Zeit zu geben, ein geeignetes Grundstück zu finden und auch mögliche Finanzierungsmodelle zu erarbeiten. Doch ein Schreiben vom 21. Dezember von BSU-Staatsrat Michael Sachs (SPD), das dem Abendblatt vorliegt, belegt, dass die Behörde kein Interesse an dem Projekt hat: "Ein Auszubildenden-Wohnheim mit einer Kapazität von 400 bis 600 Plätzen an einem Standort erscheint erheblich überdimensioniert und im Hinblick auf die heutige differenzierte Zielgruppe Auszubildende kaum nachfragegerecht", heißt es in dem Schreiben. Dieses hatte Sachs im Nachgang an die Teilnehmer einer Gesprächsrunde zu dem Thema Azubi-Wohnheim geschickt.

+++ 2011: Hamburg plant erstes Wohnheim für Azubis +++

+++ Experten erklären, wie Azubis versichert sein müssen +++

Doch die Position des Staatsrats stößt in der eigenen Partei auf Kritik. "Hamburg benötigt dringend ein Azubi-Wohnheim in der geplanten Größenordnung und zwar an einem Standort. Die Stadt sollte sich zügig sowohl um ein Grundstück als auch um mögliche finanzielle Unterstützung kümmern", sagt Jan Balcke, wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion. Den überarbeiteten SPD-Antrag will Balcke bei einer der nächsten Sitzungen des Wirtschaftsausschusses im August oder September auf die Tagesordnung setzen lassen: "Wir werden den Antrag dann beschließen und zum weiteren Beschluss an die Bürgerschaft weiterleiten. An diesen Beschluss wäre der Senat dann gebunden."

Die Grünen befürworten ebenfalls das geplante Wohnheim. Der wirtschaftspolitische Sprecher Anjes Tjarks kritisiert: "Es ist unverständlich, dass die SPD keine Lösung zustande bringt, zumal der Bürgermeister schnelle Abhilfe versprochen hat." In der Tat hatte sich die SPD sowohl im Wahlkampf als auch auf dem Landesparteitag sogar per Beschluss für ein Azubi-Wohnheim ausgesprochen. SPD und FDP im Bezirk Mitte haben die Forderung nach einer solchen Wohneinrichtung in ihren Koalitionsvertrag aufgenommen. Auf der Internetseite der Stiftung Azubiwerk taucht der Bürgermeister als Unterstützer auf. Dem Abendblatt hatte Olaf Scholz im Dezember gesagt: "Der Bau eines Wohnheims für Auszubildende ist ein dringendes Anliegen. Ich bin zuversichtlich, dass wir bald mit der Realisierung dieser Einrichtung beginnen können."

Ursprünglich war hinter den Kulissen eine städtische Fläche An der Hafenbahn in Wilhelmsburg im Gespräch, doch BSU-Sprecher Krippner erteilt diesem Plan eine Absage: "Dieses Grundstück kommt für ein Auszubildenden-Wohnheim nicht infrage. In den Gebäuden plant die Stadt, weiterhin Wohnungslose unterzubringen." Und: "Eine alternative Fläche wird zurzeit nicht gesucht." Offen sei bislang auch die Frage, ob die Auszubildenden nicht an mehreren Standorten untergebracht werden könnten.

Aber das kommt für Patrick Fronczek, der ehrenamtliche Geschäftsführer der Stiftung Azubiwerk i.G. ist und sich seit 2008 mit dem Projekt beschäftigt, nicht infrage: "Wir wollen zunächst ein Wohnheim an einem Standort für etwa 500 Bewohner errichten. Der tatsächliche Bedarf dürfte aber noch deutlich größer sein, deshalb ist dann über weitere Standorte nachzudenken."

Von der Haltung der BSU ist Fronczek überrascht: "Wir haben in unseren Gesprächen mit der Politik und dem Bürgermeister ganz andere Signale erhalten. Dass für Azubis bezahlbarer Wohnraum geschaffen wird, sollte vor allem im Interesse der Stadt liegen."

Der Bau des Wohnheims soll etwa 30 Millionen Euro kosten: "Wir lassen dafür einen Fonds auflegen, der sich speziell an Hamburger Kapitalanleger richtet." Die Stiftung soll mit einem Kapital von 20 Millionen Euro ausgestattet werden und die Miete für die Auszubildenden subventionieren. "Es werden zehn Millionen Euro aus der Wirtschaft beigesteuert, und die andere Hälfte sollte eigentlich von der Stadt kommen", sagt Fronczek.