Sozialwissenschaftler der Universität Hamburg fürchten, dass ihr bundesweit einmaliges Studienfach Kriminologie Sparzwang zum Opfer fällt.

Hamburg. Ein Mord, direkt auf dem Campus im Grindelviertel. Gelbes Absperrband, Ermittler in weißen Schutzanzügen und ein mit Kreide auf den Gehweg gemalter Umriss eines Menschen. Eine Szene wie aus der TV-Serie "CSI: Miami" vor dem Pferdestall, dem Gebäude der Sozialwissenschaftler der Universität Hamburg am Allende-Platz 1. Einzige Indizien dafür, dass keine Straftat begangen worden ist, sondern es sich lediglich um eine Protestaktion handelt: Die Ermittler verteilen Flugblätter und sammeln Unterschriften.

Glücklicherweise ist an diesem Tag keine Straftat begangen worden. Jedoch ist es für die Studierenden des Fachs Kriminologie trotzdem kein Tag der Freude. Denn der Studiengang Kriminologie, so befürchtet es zumindest die Arbeitsgruppe "Tatort Uni Hamburg", könnte mittelfristig dem Sparkurs der Universität zum Opfer fallen.

+++ Der Hochschulpakt +++

+++ 60 Millionen Euro für die Forschung der Uni Hamburg +++

"Mit einer solch auffälligen Aktion können wir stärker auf die Probleme im Fachbereich aufmerksam machen", sagt Kriminologie-Student Simon Egbert, einer der Gründer der Gruppe, die aus Studierenden der Fachbereiche Soziologie und Kriminologie besteht. "Leider haben noch lange nicht alle mitbekommen, wie kritisch es um die Kriminologie steht." Das Problem: Sobald der Programmdirektor des Fachbereichs, Professor Sebastian Scheerer, 2016 in Pension geht, besteht laut Egbert die Gefahr, dass diese Stelle nicht wieder besetzt wird. Dies könnte das Aus für den Lehr- und Forschungsbereich Kriminologie, der zur Fakultät Wirtschaft- und Sozialwissenschaft gehört, bedeuten.

Seitens der Universität will man diese Personalentwicklung nicht bestätigen. Es seien keine Streichungen von Stellen im Bereich der Kriminologie geplant, heißt es. Nach dem Struktur- und Entwicklungsplan der Universität sei für den Bereich Kriminologie eine Professorenstelle vorgesehen, die derzeit auch besetzt ist. Für die Studierenden ist dies jedoch alles andere als eine befriedigende Aussage. Sie sehen in dem Ausscheiden des Professors ein mögliches Schlupfloch für die Universitätsleitung, eine Stelle einsparen zu können. Der Struktur- und Entwicklungsplan für 2016 würde noch gar nicht stehen.

Der Masterstudiengang Kriminologische Sozialforschung an der Universität Hamburg ist einzigartig in Deutschland. An allen anderen deutschen Hochschulen ist der Studiengang im Fachbereich Jura ansiedelt und nicht im Bereich der Sozialforschung, der besonders den Aspekt der Soziologie in den Mittelpunkt rückt. Bei den Juristen steht stets die kriminologische Forschung stark in Verbindung mit dem Strafrecht.

"Diese Einzigartigkeit hat zur Folge, dass wir jährlich dreimal so viele Bewerber haben, wie Plätze zu vergeben sind", sagt Simon Egbert, der bereits im vierten Fachsemester studiert. Rund 32 Masterstudienplätze können pro Jahr vergeben werden. Zudem können Bachelor-Studierende der Soziologie auch Lehrveranstaltungen aus dem Fach Kriminologie wählen - sie gehören zu den am stärksten nachgefragten Seminaren und Vorlesungen. Um eine Planungssicherheit zu gewährleisten, fordert "Tatort Uni Hamburg" nun eine weitere unbefristete Professur für das Institut für Kriminologische Sozialforschung (IKS). "Das Ausschreibungsverfahren für diese Stelle wurde jedoch - obwohl vom Fachbereichsvorstand einstimmig beantragt - seit Langem immer wieder verzögert", heißt es in einem Flugblatt der Gruppe. Das Präsidium habe alle Professurenausschreibungsverfahren an der Uni generell "eingefroren", bis die neuen Leitlinien feststehen. Zudem sei laut "Tatort Uni Hamburg" dem IKS seitens der Universität bereits fest zugesagt worden, eine weitere aus damaligen Studiengebühren finanzierte Professur einzurichten. "Nun, nach dem Wegfall der Studiengebühren, ist davon keine Rede mehr", heißt es weiter im Flugblatt. Auch zu diesen Punkten wollte sich die Universitätsleitung nicht äußern.

Als Vertretung der Studierenden stellt sich auch der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) der Uni Hamburg hinter die Gruppe "Tatort Uni Hamburg". "Wir finden es skandalös, wenn ein so einzigartiges Fach wie die Kriminologie einfach durch angebliche Sparzwänge verschwinden würde", sagt Simon Stülcken, Mitglied des Vorstandes. "Kritische Wissenschaft, gerade in diesem sensiblen Bereich, ist dringend notwendig." Um den Fortbestand des Studiengangs zu sichern, hat die Arbeitsgemeinschaft eine Online-Petition gestartet, die bereits von 537 Unterstützern unterschrieben wurde.